Längst vergangene Bauwerke entdecken und sich auf die Spuren früher Bewohner der eigenen Heimat zu machen, davon träumt sicher jedes Kind einmal. Selbst Erwachsenen liegt die Neugier noch im Blut.
Diesen Forscherdrang in die Tat umzusetzen, war bislang offiziellen Archäologen vorbehalten. Heute macht es moderne Technik möglich, dass alle Interessierten diesem Hobby nachgehen können, ganz legal und ohne zu Graben. Und das funktioniert sogar bequem von zuhause aus.
Gelände von zuhause aus erkunden
Das Land Baden-Württemberg veröffentlicht auf der Internetseite www.geoportal-bw.de unterschiedliches Kartenmaterial, kostenlos und frei zugänglich. Da sind zum Beispiel Daten und Karten zur Landesvermessung, zur Landentwicklung, Satellitendaten, Straßen und Verkehr oder Informationen zu Umwelt und Naturschutz abrufbar.
Hobbyarchäologen freuen sich vor allem über die Hintergrundkarten, die ein Relief der Landschaft abbilden. Dieses dreidimensionale Höhenprofil wurde aus Lidar-Daten gewonnen. Damit lassen sich längst vergangene Strukturen in der Landschaft zu erkennen.


Alte Wehranlagen im Wald
Und genau so eine Unebenheit kam beim Ausprobieren der Funktionen bei Geisingen zu Tage. Mitten im Wald, nördlich der Stadt, auf einer Anhöhe, da springt Betrachtern eine unnatürliche Struktur ins Auge. Nach kurzer Recherche steht fest, es soll sich hier um die sogenannte Ehrenburg handeln, eine im 8. bis 11. Jahrhundert erbaute und knapp einen Hektar umfassende Wallanlage, die heute von einem Forstweg durchquert wird.
Spaziergänger in diesem Bereich müssen genau hinschauen, um die Überreste als solche zu identifizieren, vor allem dann, wenn man nichts davon weiß. Ungeübte Beobachter können leicht von natürlichen Formen ausgehen.
Einen näheren Blick in die Geschichte der Ehrenburg ermöglicht das 1999 vom Landesdenkmalamt veröffentlichte Heft „Die Wallanlagen auf den Geisinger Bergen bei Bad Dürrheim-Unterbaldingen“ von Christoph Morrissey und Dieter Müller, die den damals aktuellen Forschungsstand zusammenfassen.
Interessant: Es existieren weitere drei Anlagen auf den Geisinger Bergen, die dann ein detaillierterer Blick in das Kartenmaterial offenbart, wenn man weiß, wo man suchen muss.
Vorzeitliche Erbauer?
Im Detail geht es um die Wälle Ehrenburg, die am besten erhalten Überreste, Schänzle, eine Befestigung am Ende eines nach Nordosten gerichteten Bergspornes, wo heute die Hubertushütte zu finden ist, Hörnekapf, ein in Richtung Amtenhausener Tal erbauter Wall, und schließlich die Blatthalde, auf dem in Richtung Unterbaldingen ausgerichteten Ausläufer, wo heute die Blatthaldenhütte steht.

Die Ehrenburg wurde laut den Autoren erstmals in der Topographischen Aufnahme des Großherzogtums Baden (1835-1954) dokumentiert. Erst sei man davon ausgegangen, dass es sich um eine Fluchtburg der spätkeltischen Bevölkerung handle. Als Indiz dafür galt der Fund eines alten Friedhofs im Wildtal aus früher Urnenfeldkultur oder Hallstadtzeit (1300 bis 620 vor Christus), 1,2 Kilometer von der Ehrenburg entfernt.
In späteren Veröffentlichungen sei dann eine frühmittelalterlichen Erbauung angenommen worden. Vor allem die Bauweise deute darauf hin. Der Name Ehrenburg sei erstmals 1522 nachweislich so bezeichnet worden, als Umlautung von „Herrenberg“ oder „erre Burg“ für eine alte abgegangene Burg.

Nur wenige Funde
Christoph Morrissey kommt zu dem Schluss, dass die Anlagen Schänzle und Ehrenburg wohl einen frühmittelalterlichen Ursprung haben. Dafür sprechen bauliche Merkmale. Die Wälle Hörnekapf und Blatthalde schreibt er der Vorgeschichte zu und wirft die Frage auf, ob diese den Erbauern nicht als Wehranlage, sondern als Versammlungs- oder Kultstätte gedient haben könnten.
Ein Scherbenfund unterhalb der Blatthalde aus früher Hallstadtzeit sei eines der wenigen Indizien, aber kein endgültiger Beweis. Ansonsten habe es kaum Funde gegeben, die eine zeitliche Zuordnung ermöglichen. So kommt Morrissey zu seiner Aussage, dass die vier Anlagen mit auffälliger Dichte die Besiedlung des Geisinger Raumes in vor- und frühgeschichtlicher Zeit widerspiegeln würden, „wenn auch in vorerst unbekannter Art und Weise.“

Aktuelle Forschungsergebnisse
Gelten die Erkenntnisse der Autoren von damals auch heute noch? Die Antwort lautet „Ja“, zumindest in großen Teilen. Das berichtet Andreas Haasis-Berner vom Landesamt für Denkmalpflege. Er ist im Fachbereich Archäologie des Mittelalters und der Neuzeit tätig und hat in der Zeit zwischen 2018 und 2020 Eisenfunde untersucht, die bei Leipferdingen gefunden wurden, darunter auch ein sogenannter Stachelsporn, der auf das 10. Jahrhundert (Mittelalter) datiert werden konnte. Ein handfester Hinweis für das Alter der dortigen Anlage.
Im Bereich Ehrenburg habe man 2002 eine Keramikscherbe gefunden, die auf das erste Jahrtausend vor Christus hindeute. Letztlich könne man die Anlagen auf den Geisinger Bergen aber auch heute noch nicht sicher datieren, so Andreas Haasis-Berner. Ausgrabungen und weitere Forschungen seien nicht geplant. „Unsere Aufgabe ist vorrangig, Denkmäler so zu erhalten, wie sie sind.“ Damit das so bleibt, gibt es das Grabungsschutzgesetz. Wer dagegen verstößt, muss mit hohen Geldstrafen rechnen, bis hin zu Freiheitsstrafen.
Was man sonst noch digital entdecken kann
Wer sich im Geoportal weiter umschaut, kann zum Beispiel bei Ippingen und Zimmern auf weitere Wallreste stoßen. Auch bei Wurmlingen, Möhringen und Seitingen-Oberflacht sind Anlagen dokumentiert. Bekanntere Orte sind ebenfalls einen dreidimensionalen Blick wert, zum Beispiel Hohenkarpen und Lupfen, wo einst Burgen standen.
Auch der Grabhügel Magdalenenberg bei Villingen sowie die Warenburg lassen sich bequem digital erkunden.