Katharina Schaub

Sanft streichelt Astrid Walter den Rücken von Kuh Heike. Sie legt dem Tier einen Strick an und führt sie weg von den anderen Tieren, in eine separate Box. Seit ein paar Tagen frisst Heike nicht mehr gut, der Tierarzt soll die Kuh deshalb untersuchen.

Astrid Walter ist Herdenmanagerin auf dem Hof ihres Lebensgefährten Thomas Mayer in Behla. Dass sie in die Landwirtschaft will, wusste sie schon früh. Ihre Eltern hatten einen kleinen Bauernhof, sie hilft mit 14 Jahren außerdem bei einem Viehhändler aus. „Ich war Feuer und Flamme dafür“, sagt sie.

Astrid Walter
Astrid Walter | Bild: Katharina Schaub

Für sie steht fest, dass sie Landwirtin werden will. In der Schule wurde sie auch schon mal dafür belächelt. „Mein Freund mit 17 Jahren wollte, dass ich Kassiererin oder Kellnerin werde. Aber das wollte ich überhaupt nicht“, sagt sie und lacht. Ihre Eltern unterstützen sie. Sie macht zusätzlich zu ihrem Autoführerschein auch gleich den Traktorführerschein.

Ein Praktikum führt zum Traumberuf

Dafür übt sie auf dem Hof eines befreundeten Landwirtes, dreht Runden um dessen Scheune. „Ich wusste, dass ich es mir als Frau nicht leisten kann, einen Fehler zu machen“, erklärt sie. Sie besteht den Führerschein und sucht nach Möglichkeiten, ihre neu gewonnenen Fähigkeiten anzuwenden.

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„Das ist natürlich schwierig, wenn man keinen eigenen Hof hat“, erinnert sich Walter. Ihre Mutter hatte schließlich eine Idee: Während des Fachabiturs hat Astrid Walter sechs Wochen Ferien. Warum kein Praktikum machen auf einem großen Hof, vielleicht im Osten? Gesagt, getan.

„Die Frau ist keine kostenlose Arbeitskraft.“
Astrid Walter, Herdenmanagerin

Sie macht anschließend eine Lehre zur Landwirtin und wird stellvertretende Stallleiterin. Mit einem Studium bildet sie sich zum Techniker für Landbau weiter. Immer wieder schnuppert sie auch in andere Betriebe, sammelt zusätzliche Erfahrungen.

Zwischen Büro und Gülle

Besonders wichtig für Astrid Walter, damals wie heute: „Du musst liefern. Auch in einer leitenden Position kann man sich nicht in sein Büro zurückziehen. Man muss den Leuten beweisen, dass man auch bereits ist, bis zur Schulter in der Gülle zu stecken“, erklärt sie.

Im Studium lernt sie auch ihren Lebensgefährten Thomas Mayer kennen und entscheidet sich, zu ihm auf den Hof nach Behla zu ziehen. Das Paar arbeitet gemeinsam auf dem Hof. Astrid Walter kümmert sich als Herdenmanagerin um den Tierbestand und ist für die Verwaltung zuständig. „Ich bin aber ganz normal bei ihm angestellt. Das war mir wichtig“, erklärt die junge Frau.

Kuh Heike muss am Vormittag in einen separaten Stall, weil sie vom Tierarzt untersucht wird.
Kuh Heike muss am Vormittag in einen separaten Stall, weil sie vom Tierarzt untersucht wird. | Bild: Katharina Schaub

120 Kühe halten Astrid Walter und ihr Lebensgefährte. Als Herdenmanagerin ist die 29-Jährige für die Gesundheit der Tiere zuständig. So wie bei Kuh Heike. Der Tierarzt hat die Milchkuh untersucht und ihr Medikamente verschrieben, um sie aufzupäppeln. In einigen Tagen will er wiederkommen und nachsehen, ob die Behandlung anschlägt.

Roboter macht es der Mutter leichter

Außerdem führt ihr erster Gang nach dem Tierarztbesuch zum Melkroboter. Den hat der Betrieb angeschafft, um noch wirtschaftlicher arbeiten zu können. Die Kühe laufen von selbst in dem Melkstand, ihr Euter wird gereinigt und sie vollautomatisch gemolken.

Die Kühe können selbstständig in den Melkstand laufen. Der Melkroboter reinigt dann das Euter und pumpt die Milch ab.
Die Kühe können selbstständig in den Melkstand laufen. Der Melkroboter reinigt dann das Euter und pumpt die Milch ab. | Bild: Katharina Schaub

Astrid Walter programmiert ein, dass Heikes Milch in einen separaten Behälter gepumpt wird. „Das ist ganz wichtig. Milch ist ein rohes Lebensmittel mit einem ganz hohen Qualitätsstandard“, erklärt sie.

Den Melkroboter kann Astrid Walter so programmieren, dass die Milch bestimmter Kühe in separate Behälter fließt. Wenn eine Kuh ...
Den Melkroboter kann Astrid Walter so programmieren, dass die Milch bestimmter Kühe in separate Behälter fließt. Wenn eine Kuh beispielsweise Medikamente bekommt, ist das Vorschrift. | Bild: Katharina Schaub

Mittlerweile hat das Paar auch zwei Kinder, den vierjährigen Björn und den achtmonatigen Arne. Vor dem Baby ist Astrid Walter um sechs Uhr aufgestanden und hat die Kühe versorgt und gemolken – damals noch im alten Melkstand.

Im Zweifelsfall stillt Astrid Walter Sohn Arne auch mal im Melkstand.
Im Zweifelsfall stillt Astrid Walter Sohn Arne auch mal im Melkstand. | Bild: Thomas Mayer

„Im Moment ist das etwas anders, weil der Kleine noch voll gestillt wird“, berichtet die junge Mutter. Das automatische Melksystem macht ihr den Alltag mit Baby leichter.

Frauen und die Arbeitswelt Bauernhof

Die Universität Freiburg hat 2019 eine Studie zur Lebens und Arbeitssituation von Frauen in der Landwirtschaft vorgestellt. Ein Auszug aus den Ergebnissen: Die antwortenden Frauen verfügen über einen hohen Ausbildungsstand. 33 Prozent der Teilnehmerinnen gaben an, über einen Hochschulabschluss zu verfügen.

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In der Studie würde außerdem die hohe Arbeitsbelastung deutlich. Diese lag bei durchschnittlich 55 Stunden und umfasste landwirtschaftliche und nicht-landwirtschaftliche Erwerbstätigkeiten, Haushalt- und Familienmanagement, Aus- und Weiterbildung sowie ehrenamtliche Tätigkeiten. Ein Viertel der antwortenden Frauen gab sogar eine wöchentliche Arbeitszeit von mehr als 70 Stunden pro Woche an.

Unverzichtbare Arbeitskraft

Wie viel Astrid Walter auf dem Hof arbeitet, merkte sie, als ihre Kinder unterwegs waren. Ihre Schwangerschaften verliefen schwierig, beim zweiten Kind muss sie viel liegen. „Ich konnte nicht viel machen. Da hat mein Freund ganz stark gemerkt, was ich sonst alles geleistet habe.“

Astrid Walter mit Sohn Arne. Die Babytrage hängt im Stall bereit, falls sie ihren Sohn bei der Arbeit mitnehmen will.
Astrid Walter mit Sohn Arne. Die Babytrage hängt im Stall bereit, falls sie ihren Sohn bei der Arbeit mitnehmen will. | Bild: Thomas Mayer

Junge Frauen kann sie trotzdem nur zu einer Laufbahn in der Landwirtschaft raten. „Männer wie Frauen sollten auf jeden Fall die Chance nutzen, in andere Betriebe reinzuschauen und auch mal für längere Zeit von Zuhause weggehen“, findet sie. Die Branche sei vielfältig, von Fütterungstechnik bis Molkerei gebe es viele Möglichkeiten.

In den Schläuchen fließt die Milch aus dem Melkroboter ab.
In den Schläuchen fließt die Milch aus dem Melkroboter ab. | Bild: Katharina Schaub

Oftmals würden junge Frauen auch in einen bestehenden Betrieb einheiraten. „Aber da sollte man nicht zu blauäugig rangehen“, rät Astrid Walter. „Man sollte sich vertraglich absichern. Die Frau ist keine kostenlose Arbeitskraft.“

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Über die meisten Vorurteile über Landwirte kann Astrid Walter nur lachen. „Uns wird oft Profitgier und Tierquälerei vorgeworfen“, sagt sie. „Dabei gibt es oft Situationen, etwa wenn ein Tier eingeschläfert werden muss, da stehen mir die Tränen in den Augen.“ Die 29-Jährige liebt ihre Tiere und kümmert sich mit Herzblut um sie.

Am Abend wird Astrid Walter wieder im Stall stehen und sich um ihre Tiere kümmern. Und bei dieser Gelegenheit wird sie der kranken Kuh Heike noch ein paar Streicheleinheiten widmen.