Es hat uns voll erwischt“, bringt es Rut Hummel auf den Punkt. Und meint natürlich die Corona-Krise. Eine Pandemie, die den Betrieb mit voller Wucht zum Erliegen gebracht, Gläser geleert, die Bühne geräumt und das geschäftige Wirtshaustreiben plötzlich durch einen Abholservice ersetzt hat.
Gemeinsam mit ihrem Mann Karl Hummel sitzt Rut im leeren Gasthaus. Von draußen sind ein paar Stimmen aus dem Biergarten zu hören – viele sind es nicht. Auch, wenn die Gaststätte unter Auflagen wieder öffnen darf, überwiegt doch eher die Stille als das übliche emsige Treiben. Das Ehepaar betreibt gemeinsam das Eventlokal „Zum Engel“ in Königsfeld-Neuhausen. Eventlokal, das heißt, dass im Engel nicht nur gegessen und getrunken wird, es werden auch Feste gefeiert und kulturelle Veranstaltungen angeboten. Eine Kegelbahn gibt es auch.

Vor September keine Veranstaltungen mehr
Wie viele Events der Coronakrise bereits zum Opfer gefallen sind, können die beiden längst nicht mehr an einer Hand abzählen. Klar ist: Es sind viele. Allein zehn Hochzeiten wurden gestrichen, erzählen Rut und Karl Hummel. Eine Hochzeit bedeutet 100 bis 150 Gäste. Und das wiederum bedeutet viel Umsatz. Hinzu kommen Konfirmationen, Kommunionen, Geburtstage. Gerade das erste Halbjahr gilt als besonders ertragsreich.

Auch die Kooperation mit dem Rollmopstheater, die im vergangenenen Jahr gestartet und gut angelaufen ist, kann im Moment nicht stattfinden. „Ich gehe davon aus, dass vor September nichts mehr geht“, sagt Hummel. Kein Theater, keine Hochzeiten oder Feste. Feiern würden verschoben oder abgesagt werden, die Sorge bei Kunden sei einfach zu groß. „Es ist immer noch surreal alles“, sagt Rut Hummel und schüttelt den Kopf. Die Augen über ihrem Mundschutz blicken traurig drein.
Flaute trotz Öffnung
Seit dem 20. Mai hat das Gasthaus wieder geöffnet, immer mittwochs und sonntags. Doch der erhoffte Ansturm bleibt aus. „Es kommen nur einzelne Gäste, vielleicht 20 Prozent von dem, was vorher hier los war“, sagt Karl Hummel. Die Verunsicherung und Zurückhaltung bei den Gästen sei groß. Obwohl die Verordnungen strikt umgesetzt und vom Ordnungsamt kontrolliert wurden. „Die Gäste sind vorsichtig, die Atmosphäre ist anders als sonst“, beschreibt er die Situation.

Gasthaus mit Tradition
50 Jahre sind es inzwischen, dass Karl Hummel, bei den Stammkunden als „Karle“ bekannt, das Gasthaus führt. Mit 21 Jahren hat er den Engel übernommen. Die Tradition des Familienbetriebs reicht 200 Jahre zurück. Doch: „Das gab es noch nie“, ist sich Hummel sicher. Die Einbußen der verlorenen Monate liegen, so schätzen die beiden, im sechsstelligen Bereich.
Dabei lief vor Beginn der Krise alles gut: Das Theater, das vor einem Jahr angelaufen ist und sich immer besser entwickelt hat, gut besuchte Stammtische, der Schaschlik-Mittwoch, der sich bei den Gästen schon eingebürgert hatte. Während der Krise haben die Hummels für ihre Kundschaft einen Abholservice eingerichtet. „Das war am Anfang sehr erfolgreich“, berichtet der Wirt. Inzwischen sei dieses Angebot weniger gefragt: „Es wird immer ruhiger, seitdem die Lokale wieder aufmachen dürfen.“

Trotz der Schwierigkeiten bleiben die Hummels zuversichtlich. „Deprimiert sind wir nicht“, sagt Rut Hummel und ihr Mann fügt schmunzelnd an: „Ich fühle mich zum ersten Mal als Rentner.“ Schließlich habe er jetzt endlich einmal Zeit für Hausreparaturen. Davor habe sich alles um den Engel gedreht, Freizeit gab es wenig.
Trotzdem an andere denken
Obwohl die beiden Wirtsleute im Moment selbst zu kämpfen haben, ist es ihnen wichtig, in der Krise auch anderen Menschen Aufmerksamkeit und Wertschätzung entgegen zu bringen. So haben sie zu Ostern allen Mitarbeitern der Sozialstation Königsfeld einen Essensgutschein geschenkt, einfach „als Dankeschön“ dafür, dass „die Helfer selbst ein Risiko eingehen, um anderen zu helfen“, sagen die beiden.

Wie geht es mit dem Engel weiter?
Kurzfristig hoffen die Hummels darauf, die Theateraufführungen ab Oktober wieder zeigen zu können. Im kommenden Jahr werde es, so Karl Hummel, sicher zu Engpässen bei den Saalbelegungen kommen, da viele Feiern um ein Jahr verschoben werden.

Und langfristig? Da kommt Sohn Philipp Hummel ins Spiel. Nachdem Sohn Felix 2012 mit nur 26 Jahren tragischerweise an einem Herzstillstand verstorben ist, sei Philipp neben den Eltern „alleine zuständig“, erzählt das Paar. Philipp Hummel, 36 Jahre alt, lebt derzeit in Berlin und steht in engem Kontakt zu seinen Eltern. „Wir arbeiten viel digital zusammen“, erzählt er am Telefon. In Zukunft werde er sich „noch stärker einklinken“, was den Familienbetrieb betreffe. Pläne gebe es schon, verraten wird im Moment noch nichts. Sobald alles in trockenen Tüchern sei, werde die Öffentlichkeit informiert werden, verspricht er. Fest steht: Manche Dinge werden sich ändern, doch weitergehen wird es mit Sicherheit.