Ein bisschen Eitelkeit darf schon sein!
Ein schickes Outfit, ein eleganter Schwung. Und schon ist es egal, wie weit der Ball fliegt. Golf ist schließlich ein ästhetischer Sport! Das denke ich, als ich mich vom Doniswald in Königsfeld aufmache zum Golfclub.
Nur: Hatte ich außer beim Minigolf noch nie einen Golfschläger in der Hand. Geschweige denn je einen Golfplatz betreten, was mir ein mulmiges Gefühl verpasst. Vielleicht deshalb die Eitelkeit.
Hauptsache, gut aussehen. Wenn man schon plant, sich zu blamieren.

Golf, so denke ich, ist der Sport der Reichen. Und damit nichts für mich – die strenge Etikette, die elitäre Aura, die dem Golf anhaftet. Nein, damit kann ich nichts anfangen. Doch: Kaum auf dem Platz angelangt, enttäuscht mich mein Trainer, Walter Kirchmaier, sofort.
Jedes Jahr mehr Mitglieder
Er fährt keine dicke Limousine und wirft auch nicht mit hochtrabenden Worten um sich. Er ist ein ganz lockerer Typ. Und ein ehemaliger Berufseishockeyspieler, wie ich später erfahre.
„Ja, ja der elitäre Ruf“, scherzt auch Walter, mit dem man sofort per Du ist. „Nein, im Ernst, hier spielen alle. Kinder bis Senioren.“
Und es werden jedes Jahr mehr. Walter spricht von jährlich gut 60 neuen Mitgliedern, während sich auf Golfplatz – es ist mittags, die Hitze glüht auf den Rasen, der an vielen Stellen schon verdorrt ist – die meisten Golfer zurückziehen.
„Early Morning“-Turnier
Denn: Die meisten Golfer haben an diesem Tag schon ein „Early Morning“-Turnier gespielt. In der morgendlichen Kühle.
Hätte ich auch machen sollen! Schießt mir durch den Kopf. Immerhin: Habe ich jetzt theoretisch 18 Loch vor mir. Auf einer Strecke von Zwölf Kilometern. Theoretisch: Denn ich bin Anfängerin. Und Walter wird – schon – milde mit mir sein, hoffe ich.

Und ganz plötzlich erwacht in mir auch der Ehrgeiz. Denn: So egal, wie weit der Ball der fliegt, ist es mir nach 15 Minuten Probetraining längst nicht mehr.
In der Trockenübung habe ich gelernt, wie ich aushole und zuschlage. Jetzt geht‘s ans Einlochen. Im Golfjargon: Putten.
Wenn der Ball nur wenige Zentimeter hoppelt
Und das ist eigentlich wie Minigolf. Nur ohne Hindernisse. Und trotzdem nicht leichter.
Ich hole aus, schlage. Und treffe erst mal nur eine ganze Menge Luft. Auch beim zweiten Mal sehe ich den Ball nur wenige Zentimeter vor meinen Füßen hoppeln. Dabei hat Walter mir extra ein einfaches Loch rausgesucht.
Aber: Vielleicht brauche ich es ja einfach etwas Komplizierter?
„Du schielst die ganze Zeit dorthin“ – Walter zeigt auf ein zweites Loch. Ein anders, dass ich eigentlich gar nicht anspielen soll – „das ist aber schwerer, weil du noch ein bisschen Steigung hast“.
Hilft nichts. Wenn ich das schwere Loch will, muss es das schwere Loch sein. Also: Arme wieder in Position bringen. Ausholen. Und?
Jetzt aber bloß nichts riskieren
Ich staune nicht schlecht, als der Ball mit einem Klong tatsächlich darin landet. Jetzt aber bloß nichts riskieren! Nicht weiterspielen! Schnell alles einpacken, nach Hause fahren. Und das Glück genießen.
Dabei geht es jetzt erst richtig los!
Dorthin, wo die Profis spielen
Denn: Bis jetzt war nur auf dem Übungsplatz des Golfclubs. Doch: Nach meinem Mini-Erfolg darf ich dorthin, wo die Profis in aller Frühe ihr Turnier gespielt haben. Auf den richtigen Golfplatz!
Und damit es nicht zu langweilig wird – wäre ja auch eine Schande, wenn Sport einfach wäre – gibt es entlang der Golfbahnen kleine Hindernisse aus Sand- und Wassergräben.
Meine erste Golfbahn ist 251 lang, macht eine Kurve, hat einen Sandgraben. Also alles, was ich liebe! Schön viel Kompliziertes!
Ich hole aus. Schaue dem fliegenden Ball hinterher. Und sehe dann erst mal nichts mehr.
„Wahnsinn“, ruft Walter. Und erst da begreife ich, dass der Ball tatsächlich geflogen, hoch geflogen, weit geflogen ist. Gut 180 Meter.
Meine Vorurteile gegenüber dem Golf? Sind mit einem Mal wie weggeblasen!
Dieses klare, peitschende Geräusch, wenn der Ball fliegt, macht einfach süchtig. „Wenn das Ding fliegt, spürst du die Energie hinter dem Ball“, sagt Oliver Woszidlo, der Vizepräsident des Golfclubs später – und ich weiß genau, was er meint.

Als ich den Ball mit sechs Schlägen einloche – sieben wären das Maximum gewesen, will ich das Glück wirklich nicht überstrapazieren. Jetzt wirklich einpacken, nach Hause fahren, denke ich. Und den Moment festhalten.
Mein Schnatz

Walter schenkt mir zum Abschluss noch einen Golfball. Nicht irgendeinen, natürlich. Sondern den einen, der mir so viel Glück brachte. Und ich fühle mich, wie Harry Potter. Als er seinen ersten Schnatz fing.
Über die Serie
Ob Fußball, Leichtathletik und Turnen, Golfen, Fechten oder Bogenschießen: Die Liste der Sportangebote in und um St. Georgen ist lang. Grund für mich – als gelegentlicher Sportmuffel – mich einmal aufzuraffen und das rege Vereinsangebot zu testen. Denn ich will wissen: Was fasziniert andere daran? Treiben Sie einen Sport, den ich einmal ausprobieren soll? Dann schreiben Sie mir gerne eine E-Mail an daniela.biehl@suedkurier.de.
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