Löffingen Ihr Auftritt wurde mit Spannung erwartet: Dialektforscherin Friedel Scheer-Nahor, Geschäftsführerin der Muettersproch-Gsellschaft, kam zum Vortrag nach Löffingen. Im Baarstädchen ist der alemannische Dialekt zwar zu Hause, verliert aber immer mehr an Bedeutung. Dabei sei das Alemannische eine Sprache mit einer großen emotionellen Bedeutung und Vielfalt, so die Sprachforscherin. „Dialekt ist ein Stück Heimat und fördert die Sprachkompetenz“, sagte sie.
War früher der Dialekt in der Schule verpönt, so sieht man dies heute in einem anderen Blickwinkel. „Natürlich müssen wir in der Schule Hochdeutsch lernen, doch der Dialekt ist eigentlich die erste Sprache, Hochdeutsch die zweite“, erklärte Friedel Scheer-Nahor bei ihrem Vortrag. Schon hier beginne die Mehrsprachigkeit. Auch der Dachverband der Dialekte Baden-Württemberg lädt mittels Künstlern zur Förderung „Mundart in der Schule“ ein. Alemannische, fränkische und schwäbische Mundartkünstler gestalten Unterricht in verschiedenen Sparten wie Literatur, Musik, Kabarett. Sie unternehmen Streifzüge in mundartliche Gefilde, auch als Mundartfeste und Mundartwettbewerbe.
„Das gemeinsame Beherrschen von Dialekt und Standardsprache führt zudem zu einem besseren Sprachverständnis, zu weniger Rechtschreibfehlern und bringt Vorteile beim Erlernen von Fremdsprachen“, erläuterte die Referentin weiter. Dies sei ein wichtiges Argument, das der früheren Stigmatisierung von Dialektsprechern entgegenwirkt. Nicht zuletzt steht die Landesregierung hinter den zahlreichen Dialekten, heißt es doch: „Wir können alles. Außer Hochdeutsch“. Der Dialekt als starkes Merkmal von regionaler Identität bereichert das Hochdeutsche, so ist man überzeugt.
Dialekte gab es schon viel früher als Hochdeutsch, welches sich um 1500 als Schriftsprache entwickelt hat. Zwei wichtige Unterschiede zwischen Alemannisch und Hochdeutsch sind die Lautung und Grammatik. So gibt es keine einfache Vergangenheit. Aus „ich aß“ wird „ich hä gässe“, aus „ich lag“ wird „ich bi gläge“. Auch die Lautung lässt aufhorchen. So wird aus dem Haus das „Huus“ mit langem U oder es existieren Verdoppelungen wie bei bleiben und „bliibe“.
Alemannisch wird in Südbaden, Elsass, Schweiz, Vorarlberg, Liechtenstein und in Sprachinseln in Italien gesprochen. Hochalemannisch in der deutschen Schweiz, Liechtenstein, südlich von Freiburg, im elsässischen Sundgau und einigen Gebieten Vorarlbergs. Niederalemannisch gibt es im Schwarzwald, den Vogesen und am Kaiserstuhl sowie Bodensee-Alemannisch im südlichen Allgäu, am nördlichen Bodenseeufer über die Baar, Villingen bis nach Hornberg.
Doch auch hier existieren Unterschiede, wie das Beispiel fegen und kehren zeigt. So heißt es im Schwarzwald wische, schweife im Bereich Breisgau, schweife im Bereich Emmendingen, firbe im Bereich Bodensee, fürbe in der Schweiz und fege im Bereich Ortenau. Spannend wird es beim Wort Marmelade, das unter Gsälz auf der Baar bekannt ist, als Beermues im Schwarzwald, Guts in Freiburg, Iigmachts in der Schweiz und am Bodensee oder Schleckel im Elsass. Die Grenze zwischen dem alemannischen und schwäbischen Sprachraum liegt bei Tuttlingen, Pfullendorf und Freudenstadt.
Das Alemannische ist von Emotionen geprägt, was sich auch bei den benutzten Schimpfwörtern zeigt. „Man kann bäffzge, deebere, rätsche, bruttle oder pfuttere, alles mit unterschiedlichen Nuancen in der Bedeutung“, so die Dialektforscherin. Auch Schimpfwörter gibt es im Alemannischen ganz unterschiedliche, so kann eine Frau eine Schneegans, Kachle, Schapfe, Rätchbeese, Habergeis, Fochtle oder Dauble sein. Und der Mann? Ein Latschari, Schermuuser, Knattli, Großgoschi, Trallari, Luuser oder Güngge.
Der lokale Dialekt ist ein wichtiges Kulturerbe und sollte gepflegt werden, da waren sich bei dem Vortrag auch die beiden ehemaligen Lehrkräfte Maria und Werner Waßmer einig. Nur der Dialekt bringe die kulturelle Vielfalt, so Maria Pöllmann-Bürgi, die zusammen mit dem Team des ökumenischen Bildungswerks die Sprachforscherin eingeladen hatte.