Nichts Geringeres als einen Angriff auf das Brauchtum wirft Rainer Hespeler, Präsident der Narrenvereinigung Hegau-Bodensee, dem Landratsamt Schwarzwald-Baar beim Herbstkonvent am Wochenende in Tengen vor.
Selbst kleinste Brauchtumsveranstaltungen bräuchten eine kostenpflichtige Genehmigung, so Hespeler. Der Aufwand, die Kosten, die Abschreckung Ehrenamtlicher – ein Affront findet er. Und steht damit nicht alleine da. Ein Lehrstück über die Gratwanderung zwischen Sicherheitsgedanken, bürokratischem Aufwand und Finanzierbarkeit.
Das sagen die Verbände: "Wenn ein Verein wie Unterkirnach am Fasnetsdienstag die Fasnet verbrennt, dann laufen 60 Leute über den Gehweg", sagt Karlheinz Bähr. Er ist im Vorstand der Unterkirnacher Zunft und seit sechs Jahren Vizepräsident der Schwarzwälder Narrenvereinigung (SNV), unter deren Dach 49 Zünfte organisiert sind. Bis vor gut einem Jahr habe man da der Polizei Bescheid gesagt, zwei bis drei Helfer der örtlichen Feuerwehr waren vor Ort und haben die Straße abgesperrt. "Das hat gut funktioniert."
Nicht nur dort. Kinderumzug am Schmotzigen Donnerstag, Rosenmontags-Umzug, Fasnetverbrennen am Dienstag. Einmal beantragt, fünf Jahre war die Genehmigung gültig, für eine Pauschale von 25 Euro pro Jahr. Seit rund zwei Jahren muss jedes Jahr jede Veranstaltung einzeln beim Landratsamt beantragt werden, pro Veranstaltung werden 25 Euro fällig. Insgesamt also 50 Euro Mehrkosten, vom Büroktratieaufwand ganz zu schweigen. "Das ist jedes Mal ein Aufwand, den man so nicht bräuchte."
"Das, was das Landratsamt veranstaltet, ist eine kleine Lachnummer", sagt Roland Wehrle, Präsident der Vereinigung Schwäbisch-Alemannischer Narrenzünfte (VSAN). Lächerlich ist für ihn die Zahl 100. So viele Menschen dürfen bei einer Veranstaltung dabei sein, damit sie ohne vorherige Genehmigung des Landratsamtes auskommt. Für Wehrle ein Witz: Selbst der Umzug im kleinsten Ort habe mehr Besucher und Teilnehmer. Schließlich rede man hier über die Fasnet.
Wehrle ist einer, der groß denkt. Er will, wie er sagt, eine klare Linie: für die 68 Zünfte in der VSAN und für die 800 Zünfte in der Arbeitsgemeinschaft Südwestdeutscher Narrenvereinigungen. Noch vor Weihnachten will er einen Gesprächstermin beim Innenministerium. Seine Forderungen: Langfristige Genehmigungen für widerkehrende Veranstaltungen, weg von einem Sicherheitskonzept, das von außen erstellt wird und eine Befreiung von den Kosten, wie Umleitungsbeschilderung oder Schneeräumung, die im Zuge genehmigungspflichtiger Veranstaltungen anfallen können.
Seine Argumentation: Die Fasnet ist ein immaterielles Kulturerbe. Die öffentliche Hand sei dazu verpflichtet, es zu schützen. Wenn ein Verein allein 3500 Euro für ein Sicherheitskonzept berappen muss, dann ist das mit dem Schutz nicht weit her. "Sicherheit muss gewährleistet aber auch finanzierbar sein", so sieht er das. Und dann gibt es noch ein weiteres Problem: "Wenn das so weitergeht, werden wir in 15 Jahren keine Zunftmeister mehr finden, weil keiner die Verantwortung mehr übernehmen möchte."
So sieht es das Landratsamt: In der Behörde ist man verwundert ob der Vorwürfe, auch wenn es so offen keiner sagt. Was man sagt: Gemeinsam mit verschiedenen Narrenzünften habe man sich darauf festgelegt, dass ab dem 1. Juli 2017 bei Veranstaltungen bis zu 100 Teilnehmern (Mitwirkende und Besucher) eine Dauererlaubnis für den Zeitraum von bis zu fünf Jahren erteilt werden kann. Die Kosten dafür belaufen sich auf 40 Euro. "Wir wollen", sagt Heike Frank, Sprecherin des Landratsamtes, "den Narrenvereinigungen mit den ehrenamtlich Engagierten bei den Veranstaltungen bei Seite zu stehen." Das Brauchtum soll lebendig bleiben, dafür wolle man einen entsprechenden Rahmen schaffen. "Dazu zählt auch, dass die Sicherheit der Narren und der Besucher gewährleistet ist", sagt Frank.
Die Fasnet, hatte Roland Wehrle gesagt, ist ein Lebensgefühl. Das zu erhalten, dafür wollen sie sorgen. Beide Seiten auf ihre Weise.
So läuft es andernorts
In Konstanz hat man sich vor einigen Jahren mit den Narrenvereinen verständigt, sagt Stefan Basel vom zuständigen Straßenverkehrsamt. Bei kleineren Fastnachtsumzügen mit weniger als 200 Teilnehmern oder bei Narrenbaumumzügen und beim Narrenbaumsetzen ist keine Genehmigung erforderlich. Bei wiederkehrenden Veranstaltungen werden Genehmigungen für drei Jahre erteilt. Die Gebühr beläuft sich auf rund 60 Euro, abhängig vom Aufwand. (ang)