Manfred Henninger ist gelernter Maurer, früher hat er mal auf dem Bau gearbeitet. 2004 übernahm er dann den elterlichen Hof im St. Georgener Ortsteil Brigach.
Ein Betrieb mit heute 40 Milchkühen, 45 Hektar zu bewirtschaftender Fläche, zwölf Hektar Wald. Dazu mehrere Ferienwohnungen, die seine Frau Elke managt. Ein blitzsauberes Grundstück, eingebettet in urtypische Schwarzwaldlandschaft mit saftigen Wiesen und hohen Fichten. Die Dachflächen des Hauptgebäudes und des Stalls sind mit einer Photovoltaik-Anlage belegt, die Erlös bringt – wenn dieser auch nur noch gering ist.
Doch hinter der idyllischen Kulisse treiben den 48 Jahre alten Landwirt große Sorgen um. Hohe Kosten, niedrige Erträge durch Ernteausfälle, dazu jede Menge Bürokratie. Landwirt zu sein, hat mit der Bilderbuchidylle, die dem Berufsstand vielleicht früher mal zugeschrieben wurde, heutzutage rein gar nichts mehr zu tun.
Nicht die Arbeit an sich belastet, sondern die Umstände
Manfred Henninger wachsen diese sich über einen Zeitraum von mehreren Jahren angesammelten täglichen Herausforderungen über den Kopf. „Mir wird das alles zu viel“, sagt er deutlich im Gespräch mit dem SÜDKURIER.
Damit meint er nicht das tägliche Aufstehen um 4.30 Uhr, um die Kühe zu melken. Dabei macht ihm die Arbeit mit den Tieren durchaus Freude. „Wir sind Landwirte aus Überzeugung und tun etwas für die Natur und die Tiere.“
Doch 2023 gibt es ein schlechtes Erntejahr. Das Gras und die Silage hatten wenig Energie. In der Folge wurden die Kühe schlapp, sie gaben weniger Milch, was wiederum zu weniger Einnahmen führte.
Zudem wirkte sich der Gesundheitszustand auf die Fruchtbarkeit aus. Die Kühe wurden für längere Zeit nicht trächtig. Ein Kalb zu gebären ist aber wiederum Grundvoraussetzung dafür, dass eine Kuh überhaupt Milch gibt. Ein Teufelskreis.
Diagnose fällt eindeutig aus
Und das in Zeiten, in denen bei enormer Arbeitsbelastung steigende Kosten ohnehin jeden mühsam erwirtschafteten Gewinn schmälerten. In dieser Zeit merkte Manfred Henninger, dass seine Kräfte nachließen und er in ein tiefes seelisches Loch fiel. Die Diagnose war eindeutig: Depressionen.
Eine schwierige Phase für die gesamte Familie. Dass er diese Zeit überstanden hat, verdankt Manfred Henninger seiner Frau Elke: „Sie war mein Fels in der Brandung“, sagt er.
Und nicht nur das. Seine Frau hat über die landwirtschaftliche Krankenkasse erreicht, dass Manfred Henninger in ein Unterstützungsprogramm aufgenommen wurde, wo er jede Woche ein Telefongespräch mit einer Psychologin führen kann. Zudem hat Henninger 2024 eine Reha beantragt, „die sofort bewilligt wurde“, wie er selbst erzählt. Fünf Wochen verbrachte er in einer psychosomatischen Klinik in Bad Herrenalb.
In der Reha wurden ihm unter anderem „verschiedene Werkzeuge an die Hand gegeben, wie ich mit belastenden Situationen besser umgehen kann“, erklärt Henninger. Zudem hat sich die finanzielle Situation etwas entspannt. Dennoch sind die Sorgen nicht ganz weg. Unter anderem die, wie es irgendwann mit dem Hof weitergeht.
„Welche Motivation soll ein Kind haben, den Hof zu übernehmen, wenn es sieht, wie schlecht es dem Vater dadurch geht?“, fragt Manfred Henninger resigniert. Wenngleich er hervorhebt, dass seine beiden Söhne und die Tochter bereits aktiv in der Landwirtschaft mithelfen.
Der Landwirt will Aufmerksamkeit für ein Problem erzeugen
Manfred Henninger möchte durch den offenen Umgang mit seiner eigenen Krankheit auf ein Tabuthema aufmerksam machen. Und der Plan geht offenbar auf: „Seitdem ich meine Depressionen öffentlich gemacht habe, habe ich mehrere Anrufe erhalten von Landwirten, teils aus der Region Bodensee, aber auch hier aus St. Georgen und Umgebung, die bestätigten, dass sie mit den gleichen Sorgen und Problemen ebenfalls stark unter der Situation leiden.“
Hierbei sieht Henninger auch ein Problem und zwar: „Dass jeder Landwirt für sich alleine kämpft.“
Als Gründe dafür, dass immer mehr Landwirte von Depressionen betroffen sind, sieht Henninger die immer neuen Vorgaben und Hürden aus der Politik als Ursache ganz vorne mit dabei. Deshalb hat er einen Wunsch, der nicht alle, aber einen Teil der Probleme für die Landwirte lösen könnte: „Lasst uns doch einfach mal in Ruhe. Wir Landwirte wissen, was gut für die Natur und was gut für unsere Tiere ist. Wenn wir nicht sorgsam mit diesen Ressourcen umgehen, fällt uns das doch selbst auf die Füße.“
Mit Unterstützung seiner Frau ist Manfred Henninger derzeit dabei, eine Selbsthilfegruppe speziell für Landwirte mit Depressionen zu gründen. Bis es so weit ist, besucht er eine Selbsthilfegruppe in St. Georgen.