Jörg Kachelmann (57) ist Geschäftsführer der Kachelmann GmbH und betreibt die Internetportale kachelmannwetter.com und  wetterkanal.kachelmannwetter.com. Und der Wetterexperte ist kein Freund von  Hagelfliegern. Dies ist selbst auf der Wikipedia-Seite zu seiner Person zu lesen.   

Seine Abneigung zu den Hagelfliegern ließ der Wetterexperte zuletzt auch die SÜDKURIER-Redaktion spüren. Auf Twitter kritisierte Kachelmann regelmäßig die Berichte zum Thema, die über die SÜDKURIER Twitter-Seite für die Region Schwarzwald-Baar-Heuberg tickerten.

Aber warum eigentlich?  Wir haben Jörg Kachelmann auf Twitter darauf angesprochen und ihn um ein Interview gebeten, seine Kritik zu erläutern.

Das Interview in voller Länge können Sie hier nachlesen:

Interview mit Jörg Kachelmann zu den Hagelfliegern

Woran genau machen Sie Ihre Kritik an den Hagelfliegern fest? An der rechtzeitigen Erkennbarkeit, der rechtzeitigen Ankunft des Flugzeugs, der Wirkung des Silberjodid, etc.?

Die Frage an sich setzt voraus, dass irgendetwas an der Hagelfliegerei sinnvoll sein könnte.

Es ist gesamthaft völliger Unsinn und Geldverschwendung in Reinform, sowas zu tun. Es ist ganz egal, ob etwas früher oder später erkannt wird, ob Sie Silberjodid oder Pfeffer aus dem Flugzeug streuen, der Effekt auf die Hagelbildung in der Gewitterwolke ist nicht nachweisbar.

Darin Langerud behauptet, dass es aus den USA Langzeitbeobachtungen gibt, die belegen, dass die Hagelflieger zum einen effektiv und zum anderen nicht umweltschädlich sind – was entgegnen Sie? Gibt es Studien/Beweise für Ihre Haltung und Kritik?

Das ist eine der rührenden Facetten des Hagelflieger-Aberglaubens, in einer Welt, in der sich alle Meteorologieprofessoren und Wissenschaftler einig sind, dass die Hagelfliegerei sinnlos ist, einen gefunden zu haben, der zwar kein Professor ist, aber mit Meteorologie zu tun hat und ans Hagelfliegen glaubt. Zwar ohne wissenschaftlichen Unterbau und es würde wahrscheinlich auf der Baar sonst nicht viele Menschen geben, die etwas auf Meinungen aus North Dakota geben, aber für den Glauben an die eigene Sekte möchte man eine Ausnahme machen.

All diese Forschungen, die dort jetzt gemacht werden, sind im letzten Jahrhundert federführend in Europa und Asien bereits erfolgreich durchgeführt worden. Das Ergebnis war immer gleich und wurde auch respektiert, bis die Fanatiker der Hagelsekten darauf gewartet haben, dass sich niemand mehr daran erinnert und sich darüber freuen, dass die Ergebnisse so schlecht auf Google zu finden sind. Das Ergebnis aller Forschungen ergab nämlich: Vergesst es, Hagelfliegen ist sinnlos. Und auch der amerikanische Wetterdienst in North Dakota gibt sich betont sibyllinisch: https://twitter.com/NWSBismarck/status/573043556757028865 oder auf gut schweizerisch: Nützts nüt, so schadts nüt.

Allerdings sind auch da nicht alle sicher, ein Wissenschaftler aus der Karlsruher Gruppe, die das Hagelfliegerunwesen wissenschaftlich begleiten soll (und so auch im wunderbaren Geldkreislauf steckt) schreibt: "Ansonsten ist meine persönliche Auffassung (um etwas konkreter zu werden), dass die Impfung mit Silberiodid teils Wirkung zeigt, aber bei anderen Gewittern evtl. sogar eine Hagelverstärkung auftreten kann. Wenn nämlich ein starkes Überangebot an unterkühltem Wasser vorhanden ist, dann werden durch die Eisnukleationskerne eben mehr große Hagelkörner entstehen." Zitat Ende.

Es gibt übrigens noch ein Fundstück im Netz, wo man das Ergebnis in der Zusammenfassung lesen kann, nachdem aller Herren Länder einen Großversuch zur Hagelbekämpfung unternommen haben, der in Umfang und Ausmaß einmalig war: http://journals.ametsoc.org/doi/abs/10.1175/1520-0450%281986%29025%3C0917%3AMROGI%3E2.0.CO%3B2

Halten Sie es grundsätzliche für ausgeschlossen, dass der Einsatz von Hagelfliegern etwas bewirken kann, oder kommt es auf die Größe der Gewitterwolke(n) an?

Wie gesagt, es geht nicht um mich, sondern um die übereinstimmende Erkenntnis von 99,9% aller Wissenschaftler weltweit - minus kleine Teile von North Dakota. Es ist eine der Tricks der Hagelflieger-Sekte, immer so zu tun, als ob es um meine Privatmeinung ginge. Ich bin nur überzeugt, dass 99,9% der Forscher recht haben.

Und nochmal: Ich habe Respekt vor der Findigkeit von Hobbyfliegern, die die Gutgläubigkeit von Menschen ausnutzen, damit sie ihr teures Hobby nicht selbst bezahlen müssen, sondern in sicherer Entfernung von Gewitterwolken lustige Fliegereien veranstalten, die leider auch von recherchierfaulen Lokaljournalisten als Heldentaten gefeiert werden.

Wir sehen laufend in den Medien, was riesigen Verkehrsflugzeugen passiert, wenn sie auch nur randlich in Gewitterwolken geraten: Sie stürzen ab oder werden schwer beschädigt. Wenn alle Menschen mal mit dem Hagelflieger mitflögen, wären sie von dem Aberglauben geheilt, diese würden sich irgendwo in der Höhle des bösen Hagel-Löwen befinden.

Gibt es aus Ihrer Sicht Alternativen, wie man Hagel(-schäden) vermeiden kann?

Es ist atemberaubend, wie die oben erwähnte Gutgläubigkeit von Menschen ausgenutzt werden darf. Es gibt Gegenden, da werden Kanonen abgeschossen und Menschen sinnlos mit Lärm belästigt. Da müssen die Hagelkörner in ein paar Kilometern Höhe ein gutes Hörrohr haben, um im Getöse eines Gewitters den lustigen Knall aus der Tiefe zu hören, um dann vor Angst auseinanderzufallen.

Es wird mit der Gutgläubigkeit von Menschen, die von der Materie keine Ahnung haben, Schindluder getrieben und Scharlatane, seien es die von der Hagelfliegerei oder vom Hagelkanonen-Unwesen, bereichern sich an diesen unwissenden Menschen. Das beelendet mich sehr, wenn Menschen mutwillig vergackeiert werden und diesen von Scharlatanen Geld aus der Tasche gezogen wird.

Und weil so viele aus der Hagelflieger-Szene mitverdienen und sich insgeheim über die Blödheit der Leute und Politiker freuen, die sowas unterstützen, gibt es so wenig Opposition dagegen. Es ist ein mafiöses Prinzip, was dahinter steckt.

Was sagen Sie zu dem Argument der Hagelflieger, dass es beispielsweise in Villingen-Schwenningen seit Einführung der Flüge keine größeren Hagelschäden mehr gab?

Es gab in diesem Jahr Gewitter mit sehr großem Hagel ein paar Wälder weiter von Villingen-Schwenningen entfernt, man kann das auf Landkreisebene in hoher Auflösung auf http://kachelmannwetter.com/de/regenradar/deutschland/baden-wuerttemberg/schwarzwald-baar-kreis/ nachverfolgen (auch im Archiv) und es war reiner Zufall, dass es nicht die Stadt traf.

Das ist das Tolle an der bauernschlauen Idee, unschuldigen Bürgern für eigene Zwecke Geld aus der Tasche zu ziehen: Man nimmt etwas, was man angeblich verhindern möchte, was ohnehin möglichst selten passiert. Ein Gewitter mit großem Hagel an einem bestimmten Ort in der Baar kommt im Schnitt nur alle 15-20 Jahre vor. Mit der gleichen Logik des Hagelflieger-Blödsinns könnten auch Leute Geld machen, indem sie behaupten, eine Maschine gegen Weltuntergang erfunden zu haben. Jeden Morgen protzen: Seht her, wieder kein Weltuntergang!

Und wenn etwas einigermaßen Schlimmes passiert, sagen: Ohne die Maschine wäre alles noch viel schlimmer gewesen! Genauso macht es die Hagelfliegersekte mit ihren lustigen Geschichten, was denn zufällig alles doof war, wenn es trotzdem gehagelt hat.

Ich habe das vor ein paar Jahren mal mit einem Beispiel aus dem Rems-Murr-Kreis aufgezeichnet http://www.welt.de/wissenschaft/article5201170/Das-schwachsinnige-Maerchen-vom-China-Schnee.html

Was entgegnen Sie besorgten Bürgern, die sich vor einem Hagelschauer wie in Reutlingen vor zwei Jahren oder in Villingen-Schwenningen 2006 fürchten? Und die eventuell an die Wirkung der Hagelflieger glauben, und etwas gegen Hagelschäden tun wollen.

Mich machen diese besorgten Bürger ratlos. Warum glauben sie an sowas? Warum informieren sie sich nicht und sehen, dass das fast nirgendwo auf der Welt gemacht wird?

Warum informieren sich manche Journalisten einseitig und bevorzugen lustige Heldenreportagen über sinnloses Rumfliegen von Leuten, die braven Bürgern Geld aus der Tasche ziehen? Warum glauben die Leute dann nicht auch, dass man was gegen Hitze im Sommer und Kälte im Winter machen könnte?

Warum glauben die Leute dann nicht auch, dass man es zu Weihnachten schneien lassen kann? Ich verstehe es nicht.

Was wären aus Ihrer Sicht Alternativen, wofür man das Geld, das Privatleute, Firmen und Gemeinden für die Hagelflieger aufbringen, verwenden kann?

Ich bin ganz sicher, dass jeder Bürger, jede Gemeinde weiß, was man Sinnvolles mit dem aus dem Fenster geschmissenen Geld machen könnte. Letztendlich ist mir das privat ausgegebene Geld vergleichsweise egal, Menschen muss es erlaubt sein, mit ihrem Geld zu machen, was sie wollen, ob sie es ins Klo runterspülen oder für Hagelfliegerei ausgeben, was für die Gewitter im Land denselben Effekt hat.

Bei Politikern würde ich gerne sehen, ob nicht eigentlich der Tatbestand der Untreue vorliegt, weil hier Steuergelder für etwas ausgegeben werden, was nachweislich sinnlos ist. Politiker unterstützen Stuss, weil sie wiedergewählt werden wollen auch durch Leute, die an Stuss glauben.

Und letztendlich werden Politiker wissen: Leuten, die an Hagelfliegerei glauben, denen kann man noch ganz andere Bären aufbinden. Es ist ein zynisches Spiel mit der Angst von Menschen vor Naturgewalten, gegen die man nichts machen kann.

Sind Sie selbst schon mal mit einem Hagelflieger mitgeflogen, bzw. haben die Arbeit der Piloten vor Ort verfolgt?

Das ist nicht notwendig. Manchmal kann man auf Flugradar-Webseiten verfolgen, wie lustig weit weg von Gewittern geflogen wird, was ich verstehe. Die Leute wollen noch lange ihrem bezahlten Hobby nachgehen und sich nicht selbst gefährden.

Die Hagelflieger-Lobby weiß auch, dass sie Unrechtes tut, weshalb sie regelmäßig ausrastet, wenn sich ein Kritiker zu Wort meldet. Es geht um Geld, viel Geld, das ohne Arbeit verdient wird, das gibt es nicht oft.

Ich bin nicht im Kreislauf dieses Geldes, weshalb ich den Konsens der Wissenschaft vertreten kann. Und weil nun wieder die Geschichte kommen wird, dass ich kein Diplom-Meteorologe bin, noch das: Ich habe sowohl an der Universität wie auch der ETH Zürich alle Vorlesungen und Praktika zum Thema Meteorologie und Atmosphärenphysik besucht, mit Eintrag der Professoren ins Testatheft.

In der Schweiz kann man nicht Diplom-Meteorologe werden und ich hatte damals schon einen Job, weshalb ich nicht mehr für die Schlussprüfung zum Diplom-Geographen lernen wollte. Aber ich bestehe darauf, erstens alle diese Dinge gelernt zu haben und beurteilen zu können.

Es kommt aber auch nicht auf mich an, sondern dass 99,9% der wissenschaftlichen Community weiß: Hagelfliegen ist reine Geldverschwendung für die Menschen, die das bezahlen und eine unmoralische Geldmaschine für die, die davon profitieren.

Fragen: Dana Coordes

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Und was denken Sie über Hagelflieger? Glauben Sie an die Wirksamkeit von Hagelfliegern? Ist das Geld gut investiert? Oder zweifeln Sie daran, wie Jörg Kachelmann? Ihre Meinung ist gefragt. Stimmen Sie hier ab.

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