Manchmal steht die eigentliche Nachricht zwischen den Zeilen. So auch in einer Mail, die unsere Redaktion am Dienstagnachmittag erreicht. Die Mail kommt von Pfarrerin Esther Kuhn-Luz aus Rottweil mit der Bitte, einen Vortrag des jüdischen Religionswissenschaftlers und Rabbiners Yuval Lapide anzukündigen. Dieser wird am Donnerstag in einer Woche im Festsaal des Alten Gymnasiums im Kapellenhof in Rottweil stattfinden. Eintritt frei, eine Anmeldung ist nicht erforderlich, heißt es abschließend. So weit, so normal.
Die jüdische Gemeinde ist stark verunsichert
Wirklich aufwühlend sind aber die begleitenden Zeilen von Pfarrerin Kuhn-Luz. Denn ursprünglich war die Veranstaltung nicht im Alten Gymnasium, sondern in der Synagoge geplant. Nach den antisemitischen Vorfällen der letzten Monate ist auch die Gemeinde in Rottweil stark verunsichert. Erst vergangene Woche wurde einem jüdischen Studenten in einem Freiburger Fitnessstudio die Kippa vom Kopf gerissen. Der junge Mann wurde antisemitisch beleidigt und bedroht.
Eigentlich finden in Rottweil immer wieder Veranstaltungen im Rahmen der interreligiösen Reihe „Religionen“ statt. Allerdings hat die jüdische Gemeinde mittlerweile Angst, dass es bei solchen Großveranstaltungen möglich ist, dass sich Menschen einschleichen könnten, die die Veranstaltung stören wollen, so die Erklärung, warum die Veranstaltung nicht wie geplant in dem Gotteshaus stattfinden kann. „Dass die jüdische Gemeinde mit dieser Angst leben muss, ist eine schmerzliche Erfahrung“, erklärt die evangelische Pfarrerin: „Dies zeigt die Auswirkungen antisemitischer Angriffe in unserer heutigen Zeit.“
Bertolt Brechts Worte sind aktueller denn je
Wieso können Juden auch bei uns nicht unbekümmert zu einer kulturellen Veranstaltung einladen? Leider gibt es ihn auch hier, den verborgenen Antisemitismus oder, kaum besser, unterschwellige und ungerechtfertigte Ressentiments. Beides ist mittlerweile in einem Ausmaß präsent, dass dem nicht unwidersprochen bleiben kann.
In den sozialen Medien finden sich unter Beiträgen zum Thema beinahe jedes Mal entsprechend gefärbteKommentare, die das Problem verharmlosen
Der Antisemitismus war nie weg und wird so schnell auch nicht verschwinden. Bertolt Brechts Worte besitzen nach wie vor uneingeschränkte Gültigkeit: „Dass keiner uns zu früh da triumphiert. Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch!“