Schwarzwald-Baar – Das Innovationsnetzwerk Schwarzwald-Baar-Heuberg feiert am Mittwoch, 9. Oktober, seinen zehnten Geburtstag in der neuen Tonhalle und parallel in der Neckarhalle.

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Mit einem Impulsvortrag wird Zukunftsforscher Sven Gábor Jánszky die Teilnehmer auf das Thema „So leben und arbeiten wir 2030“ einstimmen. Jánszky ist Gründer und Vorsitzender eines der größten, unabhängigen Zukunftsforschungsinstitute Europas. Er prägt seit Jahren mit Trendanalysen und Büchern die Strategien vieler Branchen und gilt als Sprachrohr der Querdenker und Innovatoren der deutschen Wirtschaft. Im SÜDKURIER-Interview verrät er einige große Trends der kommenden Jahre und zeigt auf, welche Auswirkungen das auf unsere ländliche geprägte Region haben wird.

Herr Janszky, das Innovationsnetzwerk wird zehn Jahre alt. Hätte man angesichts der rasanten technologischen Entwicklung schon vor 20 Jahren damit anfangen müssen? Haben wir den Anschluss schon verpasst?

Bei Technologien, die in den vergangenen Jahren entwickelt wurden, ist der Zug vermutlich abgefahren, das ist richtig. Aber es ist nie zu spät, weil permanent neue Entwicklungen hinzukommen. Auf diese Technologien der Zukunft muss man sich jetzt konzentrieren.

Wie wertvoll ist so ein Netzwerk für eine Region?

Solche Netzwerke sind meist dann erfolgreich und im Stande Innovationen zu fördern, wenn einige große Akteure mit an Bord sind. Fehlen diese, fehlt auch die nötige Durchschlagskraft. Aber Netzwerke, die nur aus großen Unternehmen bestehen, funktionieren meist ebenfalls nicht. Die Mischung macht den Erfolg aus, siehe Silicon Valley in Amerika.

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Sie werden bei der Veranstaltung einen Vortrag zum Thema „So leben und arbeiten wir 2030“ halten. Das klingt nach einschneidenden Veränderungen. Müssen wir uns Sorgen machen?

Nein. Ich persönlich freue mich auf die Zukunft. Den meisten Trendanalysen zufolge ist es wahrscheinlicher, dass die Entwicklung für uns positiv verlaufen wird, was Wirtschaft und Lebensverhältnisse angeht. Es wird jedoch, wie immer, Gewinner und Verlierer durch die anstehenden Veränderungen geben. Man muss nur alles versuchen, die Region jetzt auf die Gewinnerstraße zu bringen. Die Zeit dafür ist gut. Es erfordert jedoch Mut und richtungsweisende Entscheidungen.

Welche Veränderungen der Wirtschaft hier im ländlichen Raum sind zu erwarten? Welche Unterschiede zu Ballungsräumen gibt es?

Der ländliche Raum wird Boden gut machen. Bisher wirkende Nachteile verlieren durch den technologischen Fortschritt zunehmend an Bedeutung. Vorteile des ländlichen Raumes lassen sich besser verbinden. Wir verzeichnen schon jetzt einen Run auf solche Regionen, die vor allem für Menschen in der Lebensphase der Familiengründung attraktiv sind. Mit dem Ausbau von Mobilität und Informationstechnologie lässt sich die Attraktivität weiter steigern. Diese beiden Bereiche sollte man so stark fördern, wie es geht.

Welche Branchen haben Zukunft?

Ein großer Trend sind selbstfahrende Autos. Ich habe Hoffnung, dass auch die deutschen Hersteller es schaffen, in die neue Zeit zu kommen. Die Marken wird es also weiter geben. Aber es ist höchst unwahrscheinlich, dass alle Zuliefererbetriebe, die ja auch hier in der Region zahlreich ansässig sind, überleben werden. Die Einstellung vieler dieser Unternehmen, dass sie selbst nichts tun können und abhängig sind, halte ich für hoch gefährlich.

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Was sollten Unternehmer jetzt also tun, um auch 2030 noch erfolgreich zu sein?

Mein Rat lautet: Nehmt das Geld, das ihr heute verdient und baut neue Geschäftsfelder auf oder ein zweites Standbein. Das kann auch etwas völlig Neues sein, eine anderen Branche, andere Produkte und Dienstleistungen, auch wenn sich das vielleicht erst einmal komisch anfühlt. Unternehmen haben bei solchen Neuausrichtungen sogar einige Vorteile gegenüber Startups: Bestehenden Strukturen, Mitarbeiter und finanzielle Mittel. Wichtig ist nur, die alten Regeln hinter sich zu lassen und innovativ zu sein. Insgesamt kann man sagen, dass es auch in Zukunft noch produzierende Firmen geben wird, wie zum Beispiel Maschinenbauer. Die Bereiche Software, Daten, Messen, Analysieren und Prognosen werden jedoch einen immer höheren Stellenwert einnehmen und am Ende vermutlich sogar mehr Arbeitsplätze bieten. Angst muss man davor nicht haben. Programmieren kann wirklich jeder lernen. Mann muss es nur wollen.

An welchen Stellschrauben können Politiker drehen?

Die Politik muss erkennen, dass nicht alles in ihrer Hand liegt. Gängige Förderprogramme für die regionale Wirtschaft können Politiker schlichtweg stecken lassen. Die Schaffung einer Sonderwirtschaftszone, wo kreative Köpfe sich ausleben können, wäre der bessere Ansatz. Und die Politik sollte sich so wenig wie möglich einmischen. Regeln runter, Steuern runter, Gründer anlocken und die Universitäten mit ins Boot holen. Beim Bildungssystem selbst müsste man daran arbeiten, die bis heute strikte Trennung von Wirtschaft, Bildung und Forschung zu lockern. In den USA ist es gängig, dass jeder Uni-Professor an einigen Startup-Unternehmen beteiligt ist. Studenten arbeiten dort mit und wechseln nicht selten direkt vom Hörsaal in die Führungspositionen dieser Firmen.

Und was bedeutet das für die Arbeitnehmer?

Die Macht der Arbeitnehmer wird zunehmen. Es wird mehr Arbeit für zu wenige Menschen geben. Wir gehen durch den demografischen Wandel von etwa drei Millionen fehlenden Arbeitskräften ab dem Jahr 2025 aus, wenn mehrere geburtenstarke Jahrgänge in Rente gehen. Arbeitgeber werden mit höheren Löhnen und anderen Anreizen um Mitarbeiter werben. Bei der dann herrschenden Vollbeschäftigung werden sich Arbeitnehmer in etwa 40 Prozent Langzeitangestellte und 20 Prozent Freiberufler aufteilen. Die restlichen 40 Prozent werden als sogenannte Projektarbeiter tätig sein. Das bedeutet, sie suchen sich das beste Arbeitgeber-Angebot heraus, arbeiten aber nur für eine gewisse Zeit in dem Unternehmen mit, ehe sie erneut wechseln und einem anderen Angebot folgen. Das heutige Wissen und die Fertigkeiten vieler Arbeitnehmer werden in Zukunft nicht mehr ausreichen. Fortbildung ist daher die logische Konsequenz. Ich spreche jedoch nicht von zweitägigen Veranstaltungen, sondern von mehreren Monaten, raus aus dem Unternehmen, um signifikant Neues zu lernen. Es muss Angestellten und Arbeitgebern ein Anliegen sein, entsprechende Modelle zu entwickeln.

Fragen: Jens Fröhlich