Um 19,5 Prozent sind die Lebensmittelpreise im Januar gestiegen – im Vergleich zum Vorjahresmonat, das geht aus Zahlen des Statistikportals Statista hervor.
Wer nun versucht, mit den Supermärkten in der Region darüber zu sprechen, was die Hintergründe der Preissteigerungen sind und welche Produkte am meisten betroffen sind, der erntet vor allem eines: Schweigen. Auch die selbstständigen Kaufleute beispielsweise bei Edeka wollen sich zu dem Thema nicht äußern und verweisen an die Zentrale.
Fragt man in der Zentrale nach, sind die Antworten auch eher spärlich. Der Pressesprecher von Edeka Südwest schreibt lediglich: „Wir können unseren Kundinnen und Kunden auch weiterhin ein attraktives Preis-Leistungsverhältnis bieten.“
Dann also andersherum. Eine Spurensuche bei denen, die Lebensmittel produzieren und bei denen, die sich das am Ende gar nicht mehr leisten können.
Dort, wo das Essen herkommt
Manchmal, das kann auch Bernhard Bolkart nicht verhehlen, ärgert er sich, wenn er so durch den Supermarkt läuft. Denn er sieht nicht nur den Verkaufspreis vieler Produkte. Er weiß auch, was davon beim Erzeuger, also dem Landwirt, ankommt. In der Regel nicht so viel mehr.
Bolkart ist Präsident des Badischen Landwirtschaftlichen Hauptverbandes (BLHV) und Landwirt aus Schonach. Seine Prognose: „Wir werden generell erkennen müssen, dass die Lebensmittelpreise in den nächsten Jahren noch weiter steigen.“ Zwölf Euro Mindestlohn, immer mehr Umweltauflagen, immer mehr Platz für die Tiere. Das alles werden Preistreiber sein.
Warum die Preise aktuell so gestiegen sind? Ein Erklärungsversuch am Beispiel von Fleisch, Getreide, Obst und Gemüse:
Fleisch
Beispiel Schweinefleisch. Aktuell bekommen die Bauern etwa 1,20 Euro pro Kilogramm Schlachtgewicht. Normal wären etwa 1,60 oder 1,70 Euro. „Eine Katastrophe“, sagt Bolkart. Grund für den Preisverfall ist die Corona-Pandemie. Weniger geöffnete Wirtschaften, weniger Feste – heißt auch: weniger Nachfrage nach Schnitzel und Medaillons.
Der Endverbraucher jedoch bekommt nichts vom Preissturz mit. Schweinefleisch wird trotz allem nicht billiger. Warum, Herr Bolkart? „Verpackung, Transportlogistik oder auch im Schlachtbereich, da sind die Kosten nicht unerheblich gestiegen.“
Anderes Beispiel – Rindfleisch. „Hier sind die Preise erheblich gestiegen“, sagt Bolkart. Normal waren bislang durchschnittlich 3,80 Euro pro Kilogramm Schlachtgewicht. Jetzt bekommen sie rund 4,80 Euro. Das Angebot ist schlicht viel zu klein. Darum steigen die Preise in bislang kaum gekannte Höhen.
Obst und Gemüse
Hier gibt es vor allem einen Preistreiber: Der Mindestlohn. Das meiste in dem Bereich ist Handarbeit. Aber auch das Verbot bestimmter Pflanzenschutzmittel treibt den Preis nach oben. Die Mittel die noch verwendet werden dürfen sind teurer oder bedürfen mitunter mehr Handarbeit.
Getreide
Hier sind die Preise gestiegen für die Erzeuger. Das Problem: die Preiserhöhung ist erst nach der Ernte erfolgt. Für die Ernte 2021 haben die Landwirte noch etwa 20 Euro pro Dezitonne guten Weizen bekommen. Diesen Januar waren es dann schon bis zu 27 Euro.
Von den gestiegenen Preisen beispielsweise in Bäckereien profitieren die Landwirte eher nicht. Dafür ist der Teil der Vorleistungen zu gering. Etwa 0,5 Cent betragen die beispielsweise nur bei einem Weckle.
Weitere Preistreiber beim Getreide sind schlechte Ernten, weniger Importe beispielsweise aus der Ukraine. Dort werden Mengen für die Eigenversorgung im Ernstfall zurückgehalten. Und auch die Schiffsfrachten sind teurer geworden.
Das größte Problem im Ackerbau sind gerade jedoch die gestiegenen Düngerpreise. Zum Teil haben sich die Preise verdreifacht. Und, was noch hinzukommt: „Keiner weiß, wie viel man überhaupt bekommen kann.“ Das Angebot ist einfach zu gering. Russland zum Beispiel, sagt Bolkart, liefere aktuell überhaupt nichts.
In drei bis fünf Wochen beginnt die Zeit, in der gedüngt werden muss. Gibt es zu wenig Dünger, muss mit Qualitäts- und Mengeneinbußen gerechnet werden. „Dann könnte es noch teurer werden.“
Dort, wo Essen Spendensache ist
Helgina Zimmermann sortiert am Donnerstagnachmittag gerade im Schwenninger Lager des „Mach mit“-Fördervereins Trockenware, wie sie es nennt. Kinderbrei und Kartoffelchips, sowas halt, sagt sie. Eigentlich seien sie für heute schon fertig, erklärt sie am Telefon. Die Lieferung für den Verkaufstag im Tafelladen in St. Georgen sei bereits heute morgen rausgegangen.
Fünf Tafelläden betreibt der Verein im Kreis. Noch bleibt der Ansturm aus. „Die Preisspirale ist noch nicht so richtig angekommen“, sagt Zimmermann. „Das wird in den nächsten vier bis sechs Wochen kommen.“
Aktuell haben sie 580 Karten für Berechtigte ausgegeben. Hinter jeder Karte stehen etwa drei bis vier Personen.
Spenden bekommen sie hauptsächlich von Supermärkten und Privatpersonen. Ein wenig macht sich auch hier ein Wandel bemerkbar. So bekommen sie seit kurzem zum Beispiel weniger Obst und Gemüse als sonst. Die Supermärkte kaufen inzwischen wohl auch anders ein, sagt Zimmermann. Dass, was sie noch bekommen, reicht ihnen aber aktuell dennoch. „Wir waren die letzten Jahre verwöhnt. Wir haben mehr gehabt, als wir gebraucht haben.“
Woran es ihnen hingegen immer mangelt, sind Dinge wie: Mehl, Zucker, Öl, Honig, Reis oder Butter. Die Lebensmittel bekommen sie von keinem Supermarkt gespendet. Hier müssen sie warten, bis Privatpersonen spenden.
Wenn beispielsweise die Oma verstirbt, findet sich im Vorratsschrank oft noch das ein oder andere Päckchen Zucker. Und so kann es sein, dass dann jemand bei ihnen vorfährt, mit einem Kofferraum voller Zuckerpakete. Neulich so geschehen. Helgina Zimmermann hatte sich riesig gefreut.