Der Mann hat offenbar eine größere Aufräumaktion hinter sich. Eine Klappbox nach der anderen holt er aus dem Kofferraum seines Autos. Spraydosen, Farbeimer, Flaschen, alles noch teilweise gefüllt.
„Stellen Sie es einfach hier hin“, sagt Andreas Brunn. Er steht an diesem verregneten Samstag mit seinem Kollegen Reinhard Schwanz vor dem Schadstoffmobil an der Singener Straße in Villingen. Vor sich haben sie zwei Biertische aufgebaut, so können die Anlieferer den Corona-Mindestabstand einhalten. Hinter ihnen stehen blaue Fässer, versehen mit Etiketten, und ein 100-Liter-Sack mit weißem Granulat, ein Ölbindemittel.

Routiniert holen die beiden Mitarbeiter der Firma Remondis einen Behälter nach dem anderen aus den Boxen. Manches, so wie ausgehärteter Gips in einem Eimer, landet in einem großem Container neben ihnen, Leuchtstoffröhren kommen in eine Tonne, Spraydosen in eine andere. Letztere werden in einem Entsorgungsunternehmen unter Vakuum geschreddert, die Flüssigkeiten aufgefangen und das Metall recycelt. Wenn möglich, werden die Schadstoffe aufbereitet und wieder verwertet. Andere landen letztlich in der Sondermüllverbrennung, wo mit besonders hohen Temperaturen über 1000 Grad Celsius auch schwer zu knackende chemische Verbindungen unschädlich gemacht werden.
Gips darf in den Restmüll
„Getrocknete Farben, Lacke oder Gips darf man auch in den Restmüll werfen“, sagt Reinhard Schwanz. Er und sein Kollege sind seit mehr als 30 Jahren im Abfallgeschäft tätig, der Umgang mit den gesundheitsschädlichen Stoffen ist für sie Alltag.
„Draußen sortieren wir vor, später wird im Container genau getrennt“, erklärt Andreas Brunn. Der Container, das Herzstück des Schadstoffmobils, ist dabei so etwas wie ein rollendes Labor mit Luftabzug, Auffangwanne, elektrisch ableitendem Boden, Schutzausrüstung und verschiedenen Laborutensilien wie pH-Teststreifen.

An der stählernen Außenseite: eine ganze Galerie der Gefahrgutkennzeichnungen. „Man muss von außen direkt erkennen können, was sich innen befindet“, erklärt Reinhard Schwanz. Schließlich könnte es sein, dass das Containerfahrzeug in einen Unfall verwickelt wird oder in eine Kontrolle gerät.
Entzündbare feste Stoffe, ätzende Stoffe, umweltgefährdende Stoffe und noch einige mehr enthält der Container – alles Substanzen, die im Durchschnittshaushalt in Gestalt von WC-Reiniger, Verdünnung, nicht entleerten Spraydosen oder Pflanzenschutzmitteln enthalten sind.
Volle Kofferräume
Ruhige Tage gibt es am Schadstoffmobil selten. Das ist auch an diesem nasskalten Samstag nicht anders. Ein Auto nach dem anderen kommt angefahren. Manche bringen nur ein kleines Körbchen mit drei, vier Spraydosen, wieder andere haben den ganzen Kofferraum voll geladen.

„Wenn die Leute die Sachen schon zusammengepackt haben, kommen sie auch“, weiß Reinhard Schwanz aus Erfahrung. Dann will niemand den Abfall noch länger als nötig herumstehen haben. Oft lagerte das Sammelsurium schon lange genug vergessen im Keller oder der Garage. „Manche Flaschen sind 40 Jahre alt“, sagt Andreas Brunn.
Lieber nicht umfüllen
Die Mitarbeiter des Schadstoffmobils sind im Umgang mit den Stoffen speziell geschult und frischen ihr Wissen regelmäßig auf. Längst nicht alles wird in Originalbehältern angeliefert. Dann sind Erfahrung, chemiespezifische Fachausbildung und die Laborausrüstung gefragt.

Unter den gerade angelieferten Behältern ist auch eine Flasche mit Grundreiniger. Mit einem pH-Teststreifen prüft Andreas Brunn den Inhalt. Base, Lauge oder neutrale Lösung – je nach Ergebnis wird die Flasche in einen der Sicherheitsbehälter einsortiert. „Im Idealfall bewahrt man alles in der Originalverpackung auf“, sagt Reinhard Schwanz. „Wenn man doch etwas umfüllt, sollte man die Behälter unbedingt beschriften.“ Im schlimmsten Fall kann es zu einer heftigen chemischen Reaktion kommen.

Deshalb schauen sich die Mitarbeiter das angelieferte Material genau an. „Wenn eine Flüssigkeit schon auskristallisiert ist, ist Vorsicht geboten“, sagt Andreas Brunn. „Dann ist es eine Säure oder Lauge.“ Auch uralte Gefäße aus brüchigem Kunststoff können böse Überraschungen enthalten. „Brüchiges Plastik ist oft ein Hinweis, dass der Weichmacher im Plastik durch Säuren angegriffen wurde.“
95 Tonnen im Jahr 2019
Die Dienste des Schadstoffmobils sind gefragt. Im vergangenen Jahr haben die Bürger des Landkreises rund 95 Tonnen schadstoffhaltige Abfälle bei den Sammelterminen abgegeben. Deren Entsorgung kostet jährlich rund 130.000 Euro, sagt Martin Fetscher, seit acht Jahren Leiter des Abfallwirtschaftsamtes. Die Bürger dürfen das Schadstoffmobil kostenlos nutzen, die Entsorgungskosten sind mit der Abfall-Grundgebühr abgedeckt.

Am Ende des Sammeltermins sind die Behälter des Schadstoffmobils gut gefüllt, und einige Regale in Kellern und Garagen geleert. Und was nimmt selbst das Schadstoffmobil nicht an? „Radioaktiv belastetes Material, etwa aus Röntgengeräten, oder auch Munition nehmen wir nicht“, sagt Reinhard Schwanz.
Munition wird nicht genommen
Bringt jemand Munition, wird die Polizei informiert, um die Projektile abzuholen. Der Kunde muss so lange warten. Entsorgt wird Munition letztlich vom Kampfmittelbeseitigungsdienst. Das seien aber Einzelfälle. Die meisten Kunden liefern das, was Keller und Garage so beherbergen: Farben, Lacke, Autobatterien, Verdünnung.
Bis einschließlich Samstag, 31. Oktober, findet die private Schadstoffsammlung des Landkreises statt, bei dem das Schadstoffmobil zahlreiche Sammelstellen im Kreis anfährt. Unter https://tinyurl.com/yy8796gp gibt es alle Termine. Außerhalb dieser Sammeltermine ist das Schadstoffmobil von 1. April bis 15. November in den geraden Kalenderwochen immer freitags von 15 bis 17.30 Uhr bei der Kompostanlage in Hüfingen stationiert, in den ungeraden Kalenderwochen freitags zur selben Uhrzeit auf dem Parkplatz im Friedengrund. (ath)