Noch immer gibt es in Deutschland Berufe die hauptsächlich von Frauen ausgeübt werden. Im gleichen Maße gibt es Jobs, die in der Regel als Männerberufe gelten. Dass das nicht immer so sein muss, beweist Kathrin Börsig. Sie ist 19 Jahre alt und so gut wie fertig mit ihrer Ausbildung zur Malerin und Lackiererin.

Den ersten Kontakt mit ihrem Beruf hatte Börsig quasi schon mit der Geburt: „Mein Uropa, mein Opa und auch mein Vater sind ebenfalls Maler und Lackierer“, sagt die Schonacherin im SÜDKURIER-Gespräch. Dabei wollte sie als Kind eigentlich Postbotin werden. Ein Praktikum in der siebten Klasse in ihrem jetzigen Ausbildungsbetrieb und ein näheres Befassen mit dem Berufsfeld der Malerin und Lackiererin führten dann aber letztlich zum Umdenken.

Bereut hat sie ihre Entscheidung nicht – ganz im Gegenteil: „Unser Beruf ist sehr vielseitig. Wir sind immer wieder an anderen Einsatzorten“, sagt Börsig, „viele Menschen glauben, dass wir den ganzen Tag Wände streichen. Das ist aber nur ein Teil von dem, was wir können.“
Zum Job gehört beispielsweise das Verputzen, das Lasieren, das Aufbringen einer Holzoptik, das Marmorieren und vieles mehr. „Für den Sozialdienst St. Georgen haben wir auch die Folienbeschriftung des Fahrzeuges übernommen. Nicht umsonst gibt es bei uns den Spruch: Maler machen mehr als manche meinen“, sagt die 19-Jährige.

Ihre erste eigene Arbeit hat sie im Zuge ihres Praktikums in ihrem jetzigen Ausbildungsbetrieb bei Malermeister Thomas Scherer produziert: „Ich spiele E-Bass im Orchester und habe mein Instrument mit Folie beschriftet.“

Mittlerweile kennt sich Börsig im Repertoire der Maler und Lackierer aus. Zu verdanken hat sie das auch dem Unterricht an der Bildungsakademie in Waldshut, die einen Teil ihrer Ausbildung ausmacht. Etwa alle zwei Monate ist sie dort für eine Woche, um zu lernen, wie man etwa eine Mustertapete fachgerecht anbringt. „Es gibt einige Techniken, die im Betrieb nur selten zum Einsatz kommen. In der überbetrieblichen Ausbildungsstätte können wir diese aber dennoch erlernen“, erläutert Börsig.

In der Berufsschule in Radolfzell, die den zweiten Teil der Ausbildung ausmacht, geht es dagegen hauptsächlich um die Theorie. „Ein Thema war zum Beispiel, wie man ein Seniorenheim gestalten würde. Man erhält dann die Skizze des Heims, ohne Farben drauf. Unsere Aufgabe ist es dann, die passende Gestaltung zu wählen und dies auch zu erklären“, sagt die Schonacherin.

Ausgesucht werde die Farbe aus bestimmten Gründen. Bekommt ein Haus etwa sehr viel Sonneneinstrahlung ab, kann es bei einer bestimmten Dämmung nicht anthrazitfarben sein. Das würde das Dämmmaterial auf Dauer beschädigen. Börsig: „Weil wir ökonomisch arbeiten, müssen wir auch die Menge an Farbe so berechnen, dass am Ende nichts übrig bleibt.“
Die Zeit in der Schule ist für die angehende Malergesellin zwar schön. Am liebsten ist sie aber im Betrieb. Dann, so sagt sie, sehe man genau, was man geleistet hat. „Zwar mag ich das Abschleifen etwa von Böden gar nicht. Wenn ich dann aber das Ergebnis zum Schluss sehe, freue ich mich total. Es gibt kein besseres Gefühl“, sagt sie weiter.

Für ihren Chef ist Börsig ein Glücksgriff: „Mein Sohn Johannes, mit dem ich den Betrieb führe, und ich sind total zufrieden mit Kathrin. Bei ihr sind wir uns sicher, dass die Arbeit gut und zuverlässig erledigt wird“, sagt Thomas Scherer.

Bislang habe es im Betrieb nur männliche Auszubildende gegeben, Börsig ist die erste Frau. Auch in ihrer Klasse sind die weiblichen Azubis in der Unterzahl: „Von 30 Schülern sind acht Mädchen. Das ist aber schon relativ viel“, sagt die Auszubildende.

Viele Kunden seien zu Beginn häufig überrascht, wenn sie auf die junge Frau treffen. Negative Rückmeldungen habe es aber noch keine gegeben. Ohnehin, so findet auch Börsigs Chef Scherer, seien Frauen häufig sogar filigraner: „Männliche Kollegen sind manchmal plump. Frauen machen sich mehr Gedanken über die Details.“ Überrascht seien auch Börsigs Freunde zu Beginn gewesen, als sie von ihrer Berufswahl gehört hatten.
Aber warum erlernen eher wenige Frauen Börsigs Beruf oder andere Handwerksjobs? „Vielleicht denken manche, sie schaffen das nicht. Die Arbeit sei zu anstrengend. Das ist aber Quatsch. Wenn Frauen das wollen, schaffen sie alles, was Männer auch können“, sagt die 19-Jährige.

Ihre Eltern haben sich über Börsigs Berufswahl gefreut. Sie dazu gedrängt haben sie aber nicht. Es gebe auch nicht die Erwartung, dass die 19-Jährige irgendwann den Familienbetrieb übernimmt: „Mein Vater ist selbstständig. Für mich war es aber klar, dass ich bei ihm nicht meine Ausbildung absolvieren will. Wir sind uns charakterlich einfach zu ähnlich“, sagt sie und lacht.
Nach der Ausbildung wird Börsig weiter in ihrem jetzigen Betrieb arbeiten. „Wir übernehmen Kathrin, das ist klar“, sagt ihr Chef. Zuvor muss sie aber noch die allerletzten Prüfungen bestehen, die am Dienstag beginnen. Dass alles klappt, daran zweifelt aber niemand wirklich.
Prüfung und dann?
Und wie geht es dann für die 19-Jährige weiter? „Ich will bald meine eigene Wohnung haben.“ Ob die in ihrer Lieblingsfarbe Königsblau gestrichen wird, weiß sie noch nicht. „Um die Renovierung kümmere ich mich aber natürlich selbst“, sagt Malerin und Lackiererin Kathrin Börsig.