Herunterspielen möchte Matthias Henschen, Leiter der Kinderklinik und ärztlicher Direktor des Gesamtklinikums, die Gefahr nicht, doch von Virus-Alarm will er zumindest für sein Haus auch nicht sprechen. Das RS-Virus zieht durch Deutschland, viele Kleinkinder plagen sich mit Fieber, Schnupfen, Husten. Dieses Jahr trete es ungewöhnlich früh und relativ heftig auf. Auch an der VS-Kinderklinik.

Kinderklinik ist „gut voll“, aber nicht überlastet

Weil das Thema derzeit in aller Munde ist, kennt er auch die aktuellen Zahlen, ohne nachschauen zu müssen: zwölf kleine Patienten liegen derzeit mit dem RS-Virus in der Kinderklinik, drei auf der Intensivstation (Stand 20. Oktober). Von einer Überlastung der Kinderklinik und ihrer Intensivstation, wie es anderswo der Fall ist, spricht Henschen ausdrücklich nicht: „Wir sind gut voll“, aber die Lage sei gut beherrschbar.

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Was ist dieses Jahr anders?

Das Virus komme jedes Jahr wieder, betont Henschen, wechselweise in einer frühen, meist im November, Dezember, und in einer späten Saison, dann im März, April. Die Besonderheit in diesem Jahr liege also zum einen im frühen Auftreten. Allerdings konnte dies bereits im Neuseeland beobachtet werden, „es trifft uns also nicht gänzlich unvorbereitet“. Zum anderen ist es eben sehr heftig.

„Das Immunsystem wurde nicht oder nicht ausreichend trainiert.“
Matthias Henschen, Leiter der Kinderklinik

Woran das liege, darüber sei inzwischen eine Art Glaubenskampf entbrannt. Eine Erklärung gehe in die Richtung, dass während des Corona-Lockdowns Schulen und Kindergärten geschlossen waren, danach bestand zumindest für die älteren Kinder an den Bildungseinrichtungen Maskenpflicht. Die Folge: „Das Immunsystem wurde nicht oder nicht ausreichend trainiert“, sagt Henschen. Das könnte durchaus die nun beobachtete Heftigkeit erklären.

Wie gefährlich ist das RS-Virus?

Das RS-Virus komme jedes Jahr wieder. „Es gehört zum Leben.“ Die meisten Kinder überstehen diese Atemwegserkrankung dann auch völlig ohne oder nur mit geringen Komplikationen. Bedrohlich könne die Krankheit bei Frühgeborenen, ehemaligen Frühgeborenen oder auch beispielsweise Kindern mit angeborenem Herzfehler werden.

Eine besondere Gefahr sieht Henschen bei den extrem Frühgeborenen, einfach weil deren Bronchien noch so klein sind. Auf der Intensivstation werden die kranken Säuglinge mit Sauerstoffzufuhren unterstützt, bei den Kleinen werden dazu Schläuche an die Nasen herangeführt. Eine Maske könnte ihnen gar nicht aufgesetzt werden, sagt Henschen.

Was hilft gegen das Virus?

Es gebe eine sogenannte Passivimpfung. Dann werden Antikörper direkt gespritzt. Derzeit verfährt die Kinderklinik damit besonders großzügig, erläutert Henschen. Das heißt: Den Eltern werde das Angebot gemacht, die Frühgeborenen passiv impfen zu lassen. Da die emotionale Verbundenheit der Mütter und Väter zu den Mitarbeitern der Kinderklinik sehr hoch sei, wurde der Ratschlag bisher auch in allen Fällen angenommen.

Normale, ausgewogene Ernährung reicht

Viele Eltern gerade von älteren Kindern glauben zudem, dass zusätzliche Vitamingaben notwendig seien. Doch dem sei nicht so, sagt Henschen, eine normale, ausgewogene Ernährung reiche. Gibt es weitere Tipps? Henschen umschreibt es so: Wenn sich in einer Familie mit einem Säugling, der möglicherweise ein besonderes Risiko aufweist, Besuch ansage mit Kindern, deren Nase läuft, die husten, die verschnupft seien, dann würde er in einem solchen Fall eher absagen. Schwieriger sei es, eine Grenze zu ziehen, wenn beispielsweise Geschwisterkinder schon in Kindergarten oder Schule gingen.

Wie sieht es bei einem Kinderarzt aus?

Auch in der Kinderarztpraxen ist die Infektionswelle angekommen. Pascal Polaczek, der in VS-Schwenningen in einer Gemeinschaftspraxis praktiziert, sieht mit seinen Kollegen „für die Jahreszeit ungewöhnlich viele, vorwiegend virale Atemwegsinfektionen, auch mehr RSV als früher“. Ein Problem sei es aber bisher nicht.

Der Kinderarzt Pascal Polaczek beobachtet ungewöhnlich viele virale Atemwegserkrankungen, darunter auch der RS-Virus.
Der Kinderarzt Pascal Polaczek beobachtet ungewöhnlich viele virale Atemwegserkrankungen, darunter auch der RS-Virus. | Bild: Cornelia Putschbach

Jüngere Kinder, häufig auch kleinere Geschwister seien grundsätzlich gefährdeter. Eltern mit Säuglingen sollten nach Möglichkeit „Infektion-Hotspots“ meiden, zum Beispiel auch Familienfeiern in Innenräumen, rät er. Derzeit beobachtet er, dass Eltern, was die Ansteckungsgefahr angeht, nicht unbedingt vorsichtiger seien. Sie gingen jedoch immer früher zum Arzt, was in der Regel nichts bringe, da meist eine Therapie mit altbewährten Haushaltsmitteln ausreichend sei. Der Höhepunkt der Erkrankung werde in der Regel nach drei bis fünf Tagen erreicht.