Den Magen aussaugen, das machen sie nur in den seltensten Fällen. „Meistens hat der Körper den Alkohol schon so weit aufgenommen, dass das gar nichts mehr bringt“, sagt Marco Spehl.
Blutzuckerkontrolle und Infusionen
Wenn Jugendliche stark betrunken in die Kinderklinik am Schwarzwald-Baar-Klinikum eingeliefert werden, mit eineinhalb, zwei oder zweieinhalb Promille, betreiben Oberarzt Marco Spehl und seine Kollegen zumeist Schadensbegrenzung: Der Blutzucker wird engmaschig kontrolliert, um Krampfanfälle durch eine Unterzuckerung zu vermeiden. Und per Infusion wird dem Körper Flüssigkeit verabreicht, um den Alkohol im Blut zu verdünnen und die Toxizität zu verringern.

44 Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren wurden im Jahr 2024 am Schwarzwald-Baar-Klinikum wegen Alkoholmissbrauchs behandelt. 18 von ihnen ambulant, 26 stationär.
Immerhin: Die Tendenz ist im Jahresvergleich sinkend. 2023 waren es noch 55 junge Patienten, von denen 14 ambulant und 39 stationär behandelt wurden, 2022 waren es 65. Von diesen wurden 21 ambulant behandelt, 44 mussten stationär aufgenommen werden.
An Fasnacht sind es immer ein paar mehr
Die bevorstehende Fasnet, das weiß Marco Spehl schon jetzt, werden sie in der Kinderklinik und in der Kinder-Notaufnahme aber wieder merken: Die Zahl der Fälle nimmt dann stets zu.
Allerdings nicht in einem solchen Maß, wie man vermuten könnte: 2024 wurden vom Schmotzigen Donnerstag bis Aschermittwoch vier Jugendliche ambulant und eine Person stationär behandelt.

Zum Vergleich: Den 65 betrunkenen jugendlichen Patienten im Jahr 2022 standen 1250 Erwachsene gegenüber, im Schnitt 3,4 Personen pro Tag.
Manche schlafen den Rausch zu Hause aus
„Man kann in etwa sagen, dass wir zehn bis 20 Prozent der Fälle alkoholisierter Jugendlicher an Fastnacht zu sehen bekommen“, sagt Marco Spehl. Wer ambulant behandelt wird und seinen Rausch anschließend daheim ausschläft, habe in der Regel etwa ein Promille intus, weiß der Kinderarzt, der auch Notfallmediziner und Leiter der Kinder-Notaufnahme ist.
Wenn die Schutzreflexe versagen
Gefährlich und potenziell lebensbedrohlich werde es ab zwei bis zweieinhalb Promille, sagt der Oberarzt. In erster Linie deshalb, weil dann die körpereigenen Schutzreflexe versagen – etwa, dass sich die Person bei Erbrechen auf die Seite dreht.
Auch das Kälteempfinden wird durch den Alkohol verändert, die Betroffenen merken nicht, dass ihr Körper auskühlt. Das Risiko, zu erfrieren, nimmt rapide zu. Ganz schwere Fälle – zuletzt waren es einmal 2,4 Promille – landen auf der Intensivstation.

Wer erst einmal so betrunken ist, dass er oder sie vom Rettungsdienst eingeliefert wird, weiß am nächsten Morgen meist nichts mehr. Auch nicht, dass die Betroffenen in der Notaufnahme komplett entkleidet wurden, eine Windel und ein hinten offenes Krankenhausleibchen angezogen bekommen haben. Komplett bewusstlose Patienten werden auch auf Gewaltdelikte hin untersucht.
„Exzessives Trinken ist halt gefährlich und blöd.“Marco Spehl, Oberarzt und Leiter der Kinder-Notaufnahme
Marco Spehl erzählt das den jungen Patienten am nächsten Morgen. Das wollen die meisten nicht unbedingt hören. „Auch manche Eltern übrigens nicht“, sagt er.
Ihm ist es aber wichtig, den Jugendlichen die Gefahren exzessiven Trinkens klarzumachen. Und das möglichst schnell nach dem Vorfall. „Es geht ja nicht darum, ihnen Alkohol komplett zu verbieten“, sagt er. „Aber exzessives Trinken ist halt gefährlich und blöd.“
Alkohol wirkt wie k.O.-Tropfen
Das Schlimmste sei dabei der Kontrollverlust. „Jeder hat Angst davor, K.o.-Tropfen ins Getränk gemischt zu bekommen und nichts mehr mitzubekommen. Man muss sich klar machen, dass Alkohol genau dieselben Auswirkungen hat.“

Wenn der Oberarzt seinen Patienten dann sagt, dass sie schließlich nicht wissen, ob sie beim Erbrechen in der vergangenen Nacht gefilmt wurden und das Video vielleicht längst auf Tiktok oder Instagram viral geht – das sitzt. „Wiederholungsfälle bekommen wir nur selten zu sehen“, sagt er.
Echte Notfälle bleiben womöglich auf der Strecke
Was er ihnen auch oft mit auf den Weg gibt: Dass die klinische Behandlung nach dem Trinkgelage womöglich dazu geführt hat, dass ein echter medizinischer Notfall wie ein Herzinfarkt oder Schlaganfall zeitverzögert oder gar nicht mehr rechtzeitig behandelt wurde. „Ich finde, damit kann man junge Leute durchaus konfrontieren.“