Bestürzung in der Tannheimer Nachsorgeklinik: Die Mitarbeiter und auch Geschäftsführer Roland Wehrle mussten aus der Presse erfahren, dass die Bundeswehr am gegenüberliegenden Brigachtaler Ochsenberg und im Weißwald einen Standortübungsplatz plant. Dort sollen Soldaten des Jägerbataillons mit Panzerfäusten und Handgranaten trainieren, außerdem ist eine Teststrecke für Panzer und Kettenfahrzeuge geplant. Sollte das Projekt verwirklicht werden, „greift das entscheidend in unsere Arbeit ein und entzieht uns in Teilen die Grundlage“, kritisiert Wehrle das Konzept. Es sei „ein Stich mitten ins Herz der Klinik“. Er will bei Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer intervenieren.
Warum trifft ein Standortübungsplatz die Nachsorgeklinik so hart?
Die Tannheimer Nachsorgeklinik sei eine „Oase der Ruhe und Ausgeglichenheit“. Das würde zerstört, wenn am Ochsenberg bei Brigachtal geübt werde, denn es müsse damit gerechnet werden, dass der Lärm der Abschüsse und der militärischen Fahrzeuge in der oberhalb Tannheims gelegenen Klinik gut wahrgenommen werde. Neben ihrer medizinischen und therapeutischen Behandlung sei die Einrichtung vor allem bekannt dafür, dass die kleinen Patienten und ihre Familien zur Ruhe kommen können, sich auf Bänken im Außengelände oder angrenzenden Wald entspannen. Das sei Teil des Behandlungskonzepts. „Wir haben uns gerade von Corona erholt, jetzt kommt ein neuer Schlag“, berichtet er. Für ihn nicht nachvollziehbar ist, dass sich bei ihm nicht bereits im Vorfeld Vertreter der Bundeswehr gemeldet hätten. Es sei bekannt, dass sich die Klinik in der Nachbarschaft des geplanten Übungsgeländes befinde. In den Planungen, die Wehrle seit Mittwoch vorliegen, werde Bezug darauf genommen.
Was wäre eine bessere Lösung?
„Wir wissen, dass auch die Bundeswehr üben muss“, betont Wehrle. Allerdings gebe es aus seiner Sicht zusätzlich zum genannten Standort bei Pfullendorf auch in Stetten am kalten Markt Möglichkeiten. Dort seien in der Vergangenheit Militäreinrichtungen geschlossen worden. Hier könnte seines Wissens Kapazitäten geschaffen werden. Dass nun ausgerechnet ein Waldgebiet in der Nähe der Klinik dafür genutzt werden soll, sei aus seiner Sicht „nicht nachvollziehbar.“
Wie kam Tannheim zur Nachsorgeklinik?
Der Klinik-Geschäftsführer verweist darauf, mit welchem Aufwand nach einem Standort gesucht wurde. Vor dem Bau 1997 wurden 21 Plätze im Südwesten geprüft. In der Endauswahl seien dann noch drei Grundstücke in Bonndorf, Furtwangen und eben in Tannheim gekommen. Der jetzige Ort wurde gewählt, weil er eine Abgeschiedenheit und eine schnelle Erreichbarkeit des Schwarzwald-Baar-Klinikums vereinte. Schon damals wurde gefragt, warum die Nachsorgeklinik außerhalb Tannheims gebaut werden müsse. Doch die Ruhe ist für die Therapie ein wichtige Voraussetzung, was man auch gut an der Rehabilitationsklinik Katharinenhöhe zwischen Schönwald und Furtwangen sehe.

Warum ist die Nachsorgeklinik so wichtig?
Sie ist ein Rettungsanker für viele Familien, die mit ihren krebs-, herz- oder mukoviszidose-erkrankten Kindern in den kleinen Teilort von Villingen-Schwenningen zur Nachsorge kommen. Sie ist im Rahmen einer einzigartigen Solidaritätsaktion entstanden, wie Wehrle berichtet. Daran haben auch SÜDKURIER-Leser mit Spenden von inzwischen fast acht Millionen Euro ihren Anteil. Dieses Werk soll nun nicht in Mitleidenschaft gezogen werden. Wehrles Appell an Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer wird an den Wert der Einrichtung erinnern: Dass sie ohne Beeinträchtigen bestehen bleibt, darum „werden wir kämpfen“.
Die Klinik
- Patienten und Mitarbeiter: Die Nachsorgeklinik hat corona-bedingt derzeit 145 Patienten, in einem nächsten Schritt wird auf 160 hoch gefahren, berichtet Roland Wehrle, einer der beiden Klinik-Geschäftsführer. Voll ausgelastet ist die Einrichtung bei 170 Patienten. 160 Mitarbeiter sind bei der Nachsorgeeinrichtung angestellt.
- Die Pläne der Bundeswehr: Auf der Gemarkung von Wolterdingen, Brigachtal und Villingen-Schwenningen soll der bestehende Standortübungsplatz zwischen Grüningen und Aufen offiziell erweitert werden. Faktisch handelt es sich aber um eine Neuanlage eines Übungsplatzes, wie Brigachtals Bürgermeister Michael Schmitt auf Anfrage feststellt. Am Dienstag, 28. Juli, soll in drei Gemeinderäten abgestimmt werden.