Zuerst nur die neun Zentralen Impfzentren, dann die Kreisimpfzentren und seit vier Wochen auch die Hausärzte – in Baden-Württemberg wird gegen das Coronavirus geimpft. Auch der Villinger Hausarzt Michael Luft sorgt dafür, dass seine Patienten gegen Covid-19 immunisiert werden. Zufrieden ist er mit dem bisherigen Verlauf aber nicht.
„Donnerstagnachmittags fällt unsere Sprechstunde immer aus. In dieser Zeit impfen wir nach Termin“, sagt der Mediziner im SÜDKURIER-Gespräch. Geimpft wird nach einer Prioritätenliste, wie das bei den meisten seiner Kollegen der Fall ist: „Wenn wir am Donnerstag fertig sind, sind wir mit den über 80-Jährigen durch. Kommende Woche sind dann die 60- bis 80-Jährigen dran. Auch hier schauen wir, wer Vorerkrankungen hat und die Vakzine zuerst bekommt, wenn er will.“
Am Donnerstag hat Luft 48 Impfdosen vom Mainzer Hersteller Biontech zur Verfügung. In der ersten Impfwoche waren es 30 Biontech-Dosen, in der zweiten 18. „In der dritten Woche haben wir ein Fläschchen Biontech und eines von Astrazeneca erhalten, was 16 Dosen entspricht. Das ist lächerlich“, sagt Luft deutlich verärgert. In der kommenden Woche erhält er 36 Impfdosen aus Mainz und zehn von Astrazeneca aus England: „Wenn das immer so wäre, wäre es ok.“
Sicher sein, dass das so weitergeht, kann sich der Villinger Mediziner allerdings nicht. Geordert wird die gewünschte Impfmenge von den Hausärzten immer dienstags bis 12 Uhr bei Apotheken. Donnerstags erhalten sie dann die Info über die tatsächlichen Dosen, die sie in der Folgewoche geliefert bekommen. Dass die bisherigen Mengen zu gering sind, verdeutlicht Luft: „Eigentlich wollten wir schon die Zweitimpfungen angehen. Am Donnerstag haben wir aber nur Menschen zum ersten Mal immunisiert.“ Auf seiner Warteliste stünden 300 bis 400 Menschen.
Und die könnten dort und auf der ebenso langen Warteliste vom St. Georgener Mediziner Johannes Probst noch länger stehen: „Uns wurden die Zweitimpfdosen nun vom Gesamtkontingent abgezogen.“ Probst betreibt eine Gemeinschaftspraxis in St. Georgen, die Corona-Schwerpunktpraxis ist: „Wir erhalten kommende Woche 30 Prozent weniger Biontech geliefert. Damit können nur wenige Patienten erst geimpft werden.“

Dabei sei stets explizit darauf hingewiesen worden, das für jede erste Impfung eine Dosis für die zweite zurückgelegt sei. Probst: „Ich bin sprachlos, dass man das nicht mit einberechnet. Wenn das so weitergeht, wird es einen regelrechten Impfstopp geben.“

Von dieser Information überrascht wurden auch seine Medizinerkollegen, wie etwa Oliver Freischlader aus St. Georgen. In einer Mail an die anderen Hausärzte aus der Gegend schreibt er: „Gerade teilt mir mein Apotheker mit, dass ich meine Zweitimpfungen aus dem generellen Deputat, das ich bekomme, bestreiten muss. Das heißt für mich, dass ich in den Kalenderwochen 20 und 23 praktisch keine Erstimpfungen machen kann, wenn sich die Mengen nicht deutlich erhöhen.“ Gegenüber dem SÜDKURIER wird er deutlicher: „Das ist extrem unbefriedigend.“
Was sagt das Bundesgesundheitsministerium?
Anders als bei den Impfzentren, ist für die Lieferung der Vakzine an die Hausärzte der Bund und nicht das Land zuständig. So ist das bei anderen Schutzimpfungen auch. Die Apotheken werden über den pharmazeutischen Großhandel beliefert. Die Verteilung von Impfstoffen und – zubehör an die Länder erfolgt unter Berücksichtigung des jeweiligen Bevölkerungsanteils. So teilt es das Bundesgesundheitsministerium mit.
Eine Zweitimpfung zurückhalten müssen die Hausärzte nicht. Das steht so ausdrücklich auf der Seite des Ministeriums. Zweittermine müssten lediglich entsprechend geplant und die Zweitdosen entsprechend bestellt werden. Bestellungen für Zweiimpfungen sollen bei der Impfstoffverteilung an die Hausärzte bevorzugt berücksichtigt werden, damit die Impfintervalle eingehalten werden können.
Prinzipiell ist es nach Angaben des Gesundheitsministeriums gegenüber dem SÜDKURIER so, dass die Bundesländer nach dem Beschluss von Bundes und Ländern aus dem März 2,25 Millionen Dosen pro Woche erhalten. Was darüber hinaus geliefert werde, erhalten die Praxen. „Nach jetziger Planung können in der laufenden Kalenderwoche 17 doppelt so viele Patienten von den Hausärzten geimpft werden wie in den drei Kalenderwochen zuvor. Grund dafür sind zusätzliche Lieferungen von Biontech“, heißt es vom Bundesgesundheitsministerium weiter.
Künftige Lieferungen
Und wie sehen die künftigen Lieferungen aus? Auf SÜDKURIER-Anfrage wird mitteilt, dass Biontech und Moderna Lieferzusagen für das gesamte zweite Quartal gemacht haben. Danach liefere Biontech 50,3 Millionen und Moderna 6,4 Millionen Impfdosen. Allein bei Biontech seien das zehn Millionen mehr als ursprünglich angekündigt. Arztpraxen könnten daher von Biontech im Mai mit wöchentlich über 1,5 Millionen Impfstoffdosen rechnen – im Juni mit deutlich über drei Millionen. Dazu kämen noch Lieferungen von Astrazeneca und von Johnson&Johnson. „Es gab seitens Astrazeneca im zweiten Quartal bereits mehrere Anpassungen im April. Insgesamt wurden mehrere hunderttausend Impfdosen weniger geliefert als zuvor prognostiziert. Durch eine mengenmäßig große Lieferung in der letzten Aprilwoche sollen diese Minderlieferungen wieder ausgeglichen werden“, heißt es vom Ministerium abschließend.