Herr Plöger, der Klimawandel ist lange kein Nischenthema mehr. Trotzdem geht in Sachen Klimaschutz so wenig voran, dass 2024 erstmals die 1,5-Grad-Marke bei der Erderwärmung überschritten wurde. Woran liegt das?

Wir wissen viel und handeln bezogen auf unser Wissen wenig. Das ist ein psychologisches Problem, denn der Klimawandel ist ein schleichendes Thema. Und schleichende Themen kehren wir immer dann unter den Tisch, wenn andere Probleme größer zu sein scheinen.

Das ist auch aktuell der Fall, etwa mit Russlands Krieg gegen die Ukraine oder dem – vorsichtig formuliert – erstaunlichen Donald Trump. Unsere Diskussion dreht sich im Kreis: Wir bedauern die heftiger werdenden Unwetter und die Schäden, die sie anrichten, aber tun dann doch viel zu wenig gegen die Ursache.

Die allermeisten verstehen die Gefahren des Klimawandels mittlerweile, wirklich ernst nehmen wir sie als Gesellschaft aber offenbar nicht. Was kann man tun, damit sich das ändert?

Die Kommunikation ändern: Nur zu zeigen, wie viel schlimmer alles wird, funktioniert nicht. Ich glaube, wir müssen positive Beispiele für Chancen liefern, die sich durch Klimaschutz ergeben und Begeisterung zur Transformation und für erneuerbare Energien wecken. Wir müssen deutlicher machen, was das an Geld und Energie sparen kann und wie es die Welt für unsere Kinder besser macht.

Wir müssen von der alten Strategie weg. Als das Wort Klimakatastrophe ausgerufen wurde, da rutschte das Thema in seiner ganzen Dramatik in unsere Köpfe hinein, hat uns aber auch komplett überfordert. Man dachte, man zeigt den Menschen, wie dramatisch der Klimawandel wird.

Man dachte, dann wird der Mensch sich ändern und das ist nicht passiert. Seither ist der CO2-Ausstoß massiv angestiegen, wir haben es durch unsere weltweiten Bemühungen nur geschafft, die Zunahme der Emissionen zu reduzieren. Übersetzt heißt das: Wir haben noch nie so viel emittiert wie heute.

TV-Meteorologe Sven Plöger kommt zu einem Vortrag nach Hüfingen.
TV-Meteorologe Sven Plöger kommt zu einem Vortrag nach Hüfingen. | Bild: Jonas Walzberg/dpa

Aber sollten die schlimmen Folgen und Bilder der Katastrophen nicht Anreiz genügen, dass wir stärkere Schritte zum Klimaschutz einleiten?

Es war vielleicht zuviel Katastrophenprognose. Dann verfallen wir schnell in Schockstarre und sagen, dass wir das Problem ja sowieso nicht mehr lösen können. Es ist die Haltung im Kopf. Das ist wie bei einem Sportwettkampf. Wenn ich mit der Einstellung reingehe, dass ich nicht gewinnen kann, dann werde ich wohl auch nicht gewinnen. Ja, wir haben ein Problem, aber wenn wir uns dransetzen, dann können wir es auch lösen.

Wo sind die Chancen, wo sind die Möglichkeiten? Wo ist das Jahrhundertgeschäft Klimaschutz? Die Chinesen haben das erkannt. Als der irrlichternde US-Präsident Trump den Austritt aus dem Klimaabkommen erklärt hat, haben die Chinesen zuerst gesagt, sie bleiben drin und halten an den Zielen fest.

Und das aus einem maßgeblichen Grund: Wenn sich ein riesiger Player wie die USA aus diesem interessanten Geschäft „weltweite Transformation zur Nachhaltigkeit“ zurückzieht, ist viel mehr Platz für andere, sich in einer führenden Rolle festzusetzen und davon zu profitieren.

Bei Dokumentationen wie „Wie extrem wird das Wetter, Sven Plöger?“, aktuell in der ARD Mediathek zu sehen, besucht Sven Plöger ...
Bei Dokumentationen wie „Wie extrem wird das Wetter, Sven Plöger?“, aktuell in der ARD Mediathek zu sehen, besucht Sven Plöger verschiedene Orte und zeigt, wie sich der Klimawandel dort bereits auswirkt. | Bild: Maike Simon
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Wenn eine Weltmacht wie die USA aus den Klimazielen aussteigt, macht es diese Ziele nicht doch nochmal schwieriger zu erreichen, auch wenn Europa und China dabeibleiben?

Natürlich wäre es besser, wenn die Regierung der USA rational handeln würde. Aber Nachhaltigkeit ist am Ende keine Frage des Willens. Physik und die Erde interessieren nicht, was wir Menschen glauben oder wollen. Es wird eine nachhaltige Welt in Zukunft geben! Die Frage ist, lassen wir sie gestalten oder gestalten wir sie selbst?

Gleich zu Beginn seiner zweiten Amtszeit hatte sich US-Präsident Donald Trump direkt wieder aus dem Pariser Klimaabkommen verabschiedet.
Gleich zu Beginn seiner zweiten Amtszeit hatte sich US-Präsident Donald Trump direkt wieder aus dem Pariser Klimaabkommen verabschiedet. | Bild: Alex Brandon/AP/dpa

Lassen wir es gestalten heißt: Der Klimawandel bestimmt das Geschehen. Viel menschliches Leid und horrende Kosten sind die Folge. Im Moment gibt es noch Spielräume, den Weg in die Nachhaltigkeit selbst zu gestalten und üble Folgen abzumildern. Die müssen wir nutzen.

Welche Rolle spielen aus Ihrer Sicht die Medien dabei, diesen Schalter in der Gesellschaft umzulegen?

Wir müssen bei den Menschen auf die Knöpfe drücken, die Begeisterung und Aktivität wecken und das tun wir bisher nicht. Wir könnten tolle Praxisbeispiele zeigen, etwa aus Skandinavien, wo viel getan wird. Man müsste bei bestimmten Themen auch die Bereitschaft haben, vernünftig zu diskutieren.

Diskutieren heißt nicht herauszufinden, wer den rhetorischen Hahnenkampf gewinnt, sondern es heißt vor allem zuhören. Welche Gedanken haben andere, auch wenn sie mal nicht die eigene Meinung vertreten und welcher Gewinn für uns alle kann daraus hervorgehen.

Und wir müssen mehr darüber berichten, welche spannenden Lösungsansätze etwa mittelständische Firmen und Startups haben. Wer macht was wo? Wir müssen in Deutschland die Welt nicht neu erfinden. Eine gute Idee abgucken kann auch funktionieren.

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Klingt jetzt nicht wirklich kompliziert. Warum funktioniert das bisher nicht?

Weil wir viel zu oft aufs Negative schauen. Ein Blick in die Evolution hilft, zu verstehen, warum das so ist: Man kann schlechte Nachrichten am besten verkaufen. Wenn jemand einen klugen Satz sagt, interessiert das niemanden. Bei Lob und Kritik ist es ähnlich. Wir brauchen fünf- bis zehnmal ein Lob, um eine Kritik auszuhalten.

Das liegt daran, dass es gerade zu Beginn unserer Menschheitsgeschichte überlebensnotwendig war, Gefahren zu erkennen. Sonst endete es schnell tödlich! Nun müssen wir lernen, mehr auf Chancen und Erfolge zu schauen.

Dazu kommt die Bedrohung beim Klimawandel: Irgendwann wird irgendwem irgendwo auf der Welt irgendetwas passieren. Das ist ziemlich unkonkret. Bei Corona etwa war die Bedrohung schnell konkret und klar zu sehen, mit den Bildern der vielen Särgen in Italien. Da haben alle schnell mitgezogen. Ein schleichender Prozess wie der Klimawandel ist nicht unsere Zeitskala. Deswegen tun wir uns so schwer.

Schäden durch den Klimawandel gibt es auch hier im Schwarzwald-Baar-Kreis bereits. Etwa durch schlechte Ernten nach Dürrephasen. Worauf müssten sich die Menschen hier einstellen, wenn wir keine radikale Wende hinbekommen?

Das 1,5 Grad-Ziel wurde 2024 erstmals global überschritten. Aktuell sind wir auf Kurs 2,7 Grad Erwärmung im Vergleich zum vorindustriellen Mittel. So lässt sich das Ziel nicht erreichen, aber – positiver Blick: Wenn wir all die Dinge täten, die auf den Klimakonferenzen besprochen werden, dann hätten wir 2,1 Grad im Visier. Das wären keine 1,5 Grad, aber immerhin besser als 2,7, denn die Wetterlagen werden mit steigender Temperatur exponentiell extremer.

Die Brigach in Donaueschingen Anfang April 2025. Nach trockenen Monaten Februar und März tun sich einige Inseln im Flusslauf durch den ...
Die Brigach in Donaueschingen Anfang April 2025. Nach trockenen Monaten Februar und März tun sich einige Inseln im Flusslauf durch den Schlosspark auf. | Bild: Daniel Vedder

Wenn wir den Kurs nicht ändern und sich die Lage dann auch nicht verbessern kann, dann ist es für den Schwarzwald-Baar-Kreis so, dass wir alles, was wir jetzt schon sehen, noch stärker erleben. Trocken- und Hitzephasen werden zum Beispiel länger, alte Temperaturrekorde immer häufiger pulverisiert. Gleichzeitig intensivieren sich Starkregenfälle massiv, denn eine wärmere Atmosphäre kann viel mehr Wasserdampf aufnehmen als eine kühlere – das ist kein linearer Zusammenhang. Sprich, die Entwicklung wird sich immer stärker beschleunigen.

Aber ich sage immer, das ist Dystopie, das ist Apokalypse. Man darf die Dinge nicht schönreden, aber wir können auch etwas daran verändern. Es ist wichtig zu erwähnen, dass es ja auch engagierte Menschen und Politiker gibt. Auch Europa und Deutschland haben ja eine ganze Menge schon geleistet. Aber in Summe dessen, was nötig wäre, hängen wir leider viel zu weit hintendran.

Immer öfter werden Wissenschaftler und Experten, gerade auch, wenn es um das Thema Klimawandel geht, angefeindet und als Aktivisten verschrien, die eine Agenda verfolgen. Inwieweit stellen Sie eine Art Bewegung gegen die Wissenschaft fest?

Das ist bedauerlich und hilft am Ende niemandem, denn der Physik sind unsere Stimmungen schlicht wurscht. Ich sehe an vielen Orten dieser Welt, dass wir mehr und mehr eine Zorngesellschaft werden. Ich weiß nicht, ob die Komplexität dieser Welt und die Geschwindigkeit, in der wir Informationen bekommen, uns überfordert. Vielleicht zeigt sich auch, wie effektiv Fake News viele Menschen manipulieren.

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Und wie kommt man damit als Person zurecht, die in der Öffentlichkeit über diese Dinge spricht?

Ich habe zwei große Schutzmechanismen für mich. Zum einen keine sozialen Medien. Das schützt mich in unfassbarer Weise. Denn ich möchte mich keinem Shitstorm aussetzen, wo mir Menschen mit seltsamen Theorien und ausgeprägtem Drang, andere zu beleidigen, meine Zeit stehlen.

Zweitens, ich bin nicht für Glaubensfragen zuständig. Ich erkläre gerne etwas und versuche dabei, Klimathemen verständlich rüberzubringen. Ob mir mein Gegenüber am Ende aber glaubt oder nicht, muss sie oder er schon selbst entscheiden. Schließlich bin ich weder Missionar noch Ideologe.

Was ich hingegen aushalte und auch aushalten muss, ist Kritik. Wenn es sachliche Punkte sind, muss man anderen zuhören und sich eventuell auch korrigieren, Unsinn oder Beleidigungen darf man ignorieren.

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Sie versuchen selbst ihrem Tipp zu folgen, sprechen medial und bei Vorträgen mehr über die Chancen des Klimaschutzes. Sie wollen für die Transformation begeistern: Wie kommt das bei Zuschauern und Zuhörern an?

Die mediale Berichterstattung ist die Stellschraube, an der ich tätig sein kann und im Feedback der Zuschauer spüre ich, dass eine positivere Kommunikation bei vielen gut ankommt. Wichtig ist es, die Zusammenhänge in spannenden Geschichten zu erzählen und ich bin der Meinung, dass auch bei ernsten Themen mal gelacht werden darf. Humor ist ein wunderbares „Medikament“, um Köpfe „zu öffnen“ und schwere Themen zugänglich zu machen.

Apropos Vorträge: Am Mittwoch, 7. Mai, sprechen Sie bei der VHS Baar in der Hüfinger Stadthalle zum Thema Klimawandel. Was können die Zuhörer da erwarten?

Sie finden da jemanden, der sich jetzt schon sehr auf Hüfingen freut und der nicht mit dem erhobenen Zeigefinger herumläuft. Ich nehme eine sachliche Einordnung vor, wo wir mit dem Klimawandel stehen – eine schönredefreie Analyse. Aber vor allem will ich nach vorne schauen und nicht in Dauerpessimismus verfallen. Es soll ein positives Gegenstück zu dem sein, was man oft mit Klimathemen verbindet.