Drei Männer und eine Frau im Alter zwischen 26 und 50 Jahren sind vor dem Schöffengericht Villingen-Schwenningen unter anderem wegen Zwangsprostitution und schwerem Menschenhandel angeklagt. Am Mittwochmorgen, 20. November, wurde der Prozess eröffnet, der unter hohen Sicherheitsvorkehrungen stattfand und aufgrund des Platzbedarfs in ein spezielles Gerichtsgebäude nach Freiburg ausgelagert wurde.
Angeklagt sind die drei Männer und eine Frau aus Villingen-Schwenningen, weil sie im Zeitraum zwischen 2020 und 2021 Frauen zur Prostitution gezwungen haben sollen. Das Geld, das die Frauen dabei einnahmen, wurde ihnen laut Anklageschrift dabei fast vollständig abgenommen. Damit sollen sich die Männer ihren eigenen Lebensunterhalt finanziert haben.

Wie der Leitende Oberstaatsanwalt Johannes-Georg Roth in der ausführlichen Anklageschrift eine Stunde lang ausführte, sollen die Männer dabei teilweise äußerst brutal vorgegangen sein. Um ihren Forderungen, dass sich die Frauen in Hotels und angemieteten Privatwohnungen im Schwarzwald-Baar-Kreis, im Raum Bodensee und im Schweizer Grenzgebiet prostituieren müssen, Nachdruck zu verleihen, wendeten sie laut Anklage Gewalt an, um die Frauen gefügig zu machen. Auch seien den Frauen mehrfach Drogen verabreicht worden. Teilweise waren die Frauen blutjung, einige unter 18 beziehungsweise unter 21 Jahre alt.
Angeklagter findet das Gericht nicht
Die Verhandlung begann mit einstündiger Verspätung. Einer der Angeklagten fand den Verhandlungsort nicht und fuhr zunächst zu falschen Gerichtsgebäude. Der Prozess fand unter hohen Sicherheitsvorkehrungen in einem zentralen Prozessgebäude in der Freiburger Stadtmitte statt.
Große Sicherheitsvorkehrungen
Dass der Fall, der im Zuhälter- und Menschenhändler-Milieu angesiedelt ist, eine kriminelle Brisanz hat, zeigte die große Polizeipräsenz. Vor dem Gebäude patrouillierten Polizisten, die nähere Umgebung wurde teilweise mit Polizeihunden abgesucht. Alle Personen, Prozessbeteiligte, Zuschauer und Medienvertreter, mussten strenge Sicherheitsmaßnahmen befolgen. Die Zuhörer saßen in einem vom Gerichtssaal durch eine Glasfront abgetrennten Bereich. Auch während der Verhandlung waren jederzeit starke Polizeikräfte anwesend.

Frauen sagen über Videoschaltung aus
Nachdem die Angeklagten Angaben zur Person gemacht waren, die teilweise von ihrer Verteidigerin verlesen wurden, zog sich das Gericht unter Vorsitz von Amtsrichter Christian Bäumler, zusammen mit den Verteidigern und Vertretern der Nebenkläger zurück, um die Aussagen der Frauen, die als Zeuginnen gegen die Angeklagten aussagten, in geschütztem Rahmen per Videoschaltung aufzunehmen.
Der Ort für die Verhandlung wurde deshalb ausgewählt, weil im Amtsgericht Villingen-Schwenningen, vor dem der Fall verhandelt wurde, für so eine hohe Zahl an Prozessbeteiligten mit Angeklagten, deren Verteidigern sowie Vertretern der Nebenkläger kein Platz ist. Speziell für solche größeren und großen Prozesse wurde in Freiburg ein Gerichtssaal am Landgericht gebaut.
Geplant ist ein Täter-Opfer-Ausgleich
Am Nachmittag kam es dann zu einem vorläufigen Ergebnis des Prozesstags. Um den geschädigten Frauen zeitnah eine finanzielle Entschädigung zuzusprechen und um den hohen Sicherheitsaufwand, der betrieben wurde, nicht wiederholen zu müssen, verständigten sich Gericht, Staatsanwaltschaft, Verteidiger und Vertreter der Nebenkläger auf einen Täter-Opfer-Ausgleich.
Demnach sollen die beiden geschädigten Frauen, die als Nebenklägerinnen auftreten, eine Entschädigung von jeweils 20.000 Euro bekommen, die die vier Beschuldigten bis Jahresende aufbringen müssen. Dadurch wird den drei Männern und einer Frau, die die Mutter eines der Angeklagten ist, eine Freiheitsstrafe in Aussicht gestellt, die noch zur Bewährung ausgesetzt werden kann.
Auf diese Vereinbarung verständigten sich die Prozessbeteiligten, die mehr als eine Stunde hinter verschlossenen Türen berieten. Wenngleich den Vertretern der Justiz anzumerken war, dass dies keineswegs ein befriedigendes Ergebnis war, so schien dies die beste Lösung zu sein, im Hinblick auf einen sich möglicherweise über weitere eineinhalb bis zwei Jahre hinziehenden Prozess.
Haupttäter wird noch gesondert verfolgt
Auch der hohe Sicherheitsaspekt spielt bei dieser Lösung eine Rolle. Rund 50 Justiz- und Polizeibeamte waren im Einsatz, um das Gebäude und die Personen zu schützen. Der Aufwand wurde betrieben, weil eine der beiden Nebenklägerinnen sich in einem Schutzprogramm befindet und gegen den Haupttäter, der hinter dem Menschenhandel steckt, aussagen wollte. Um den Zeuginnen zu ersparen, dass sie, wie Richter Christian Bäumler sagte, „intime und sehr persönliche Details preisgeben müssten“, wurde auf die Einvernehmung der Kronzeugin verzichtet. Der Haupttäter war zudem nicht im Saal anwesend, er wird gesondert verfolgt.
Frauen sollen 40.000 Euro bekommen
Herausgekommen ist, dass die vier Angeklagten zusammen nun 40.000 Euro bis Ende des Jahres aufbringen müssen, die dann als Täter-Opfer-Ausgleich den beiden Nebenklägerinnen zugesprochen werden. Dafür erwartet die Angeklagten in zwei Fällen eine Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren. In den beiden anderen Fällen soll das Strafmaß bei etwa einem Jahr und drei Monaten bis einem Jahr und sechs Monaten festgesetzt werden. Denn bei einem der Beschuldigten wurde eine geringere Tatbeteiligung erkannt. Die angeklagte Frau ist lediglich der Beihilfe angeklagt. Sie soll die Frauen zu den Terminen mit den Freiern gefahren haben. Wie Oberstaatsanwalt Johannes-Georg Roth gegenüber dem SÜDKURIER erläuterte, „muss der Strafrahmen bei einem Täter-Opfer-Ausgleich herabgesetzt werden“.
Geld für einen Neustart
Die Nebenklägervertreter zeigten sich in dem Sinne mit dem Täter-Opferausgleich einverstanden, damit die Frauen möglichst schnell die Geldsumme erhalten, um damit einen Neuanfang, starten können. Wenngleich der Nebenkläger-Vertreter darauf hinwies, dass seine Mandantin „sehr gerne ausgesagt hätte, um die ganzen schrecklichen Dimensionen aufzuzeigen“.
Der Prozess mit der formellen Urteilsverkündung wird am 16. Januar 2025, vor dem Amtsgericht in Villingen-Schwenningen fortgesetzt.