Eine von ihnen muss fast ihre ganzen Einnahmen an ihren Chef abdrücken. Die andere wird seit Wochen online belästigt. Die dritte hat Fragen zur Krankenversicherung.
Diese drei Damen aus dem Schwarzwald-Baar-Kreis haben zwei Dinge gemeinsam. Erstens: Sie verdienen ihr Geld mit bezahltem Sex. Zweitens: Bei all ihren Problemen haben sie zwei Helferinnen in der Not. Mahita Massaro und eine Kollegin von der Beratungsstelle Pink sind die Schutzengel der Prostituierten im Landkreis.
Lisa, Sexarbeiterin
Lisa (Name ist der Redaktion bekannt) ist 46 Jahre alt, Villingerin und seit 2020 Sex-Arbeiterin. Ihre Arbeit, so sagt sie selbst, macht ihr riesigen Spaß. „Ich bin total glücklich, dass ich das mache.“ Lisa hat blonde, lockige Haare, ein ungeschminktes Gesicht, sie trägt Jeans und einen beigen Rollkragenpulli.
Sie könnte an irgendeinem Schreibtisch im Rathaus sitzen, sich in einer Arztpraxis um Patienten kümmern, Physiotherapeutin sein oder Verkäuferin. Alles – doch dass sie ihr Geld mit Sex verdient, darauf würde wohl keiner spontan tippen, der Lisa zum ersten Mal trifft.
„Ich habe nichts anderes gefunden, was mir annähernd so viel Spaß gemacht hat.“Lisa (46), Sexarbeiterin
Lisa lacht und erzählt: „Eigentlich hatte ich mal einen ganz normalen Beruf.“ Irgendwann, aus Abenteuerlust und um die eigenen Fantasien auszuleben, hatte sie zum ersten Mal Sex für Geld. Was als einmalige Sache gedacht war, entwickelte sich weiter. Lisa traf sich gelegentlich mit Klienten auf Parkplätzen oder in Hotels.
Dann, im Sommer 2022, der Wendepunkt: Lisa bekam in ihrem Alltags-Job die betriebsbedingte Kündigung – und konzentrierte sich nun komplett auf die Sexarbeit. Freie Zeiteinteilung, super Verdienst – „und ich habe nichts anderes gefunden, was mir annähernd so viel Spaß gemacht hat“, erzählt die 46-Jährige.

Sie ist ausschließlich in Freiburg tätig, dort sind die Vorschriften weniger streng als im Schwarzwald-Baar-Kreis. Denn Lisa arbeitet ausschließlich in Hotels oder im Auto, dies ist in der Region nur außerhalb der Sperrbezirke möglich. Dort jedoch gibt es weder Hotels noch geeignete Parkplätze. Doch Lisa will kein Zimmer anmieten, will ihre Fixkosten so gering wie möglich halten. Ihre Unabhängigkeit ist ihr wichtig.
Kunden hat die 46-Jährige nach eigenen Angaben so viele, dass sie sich die Männer aussuchen kann. Und das, obwohl sie hohe Preise verlange. Wer schon am Telefon nicht höflich und respektvoll ist, wird Lisa gar nicht kennenlernen. „Viele legen Wert darauf, dass ich eine ganz normale Frau bin und selbst Spaß an der Sache habe“, nennt sie ein Geheimnis ihres Erfolges.
„Viele sagen schon, so richtig toll ist das nicht.“Mahita Massaro, Beraterin
Dass sie eine Ausnahme ist in ihrer Branche, weiß Lisa selbst. „Viele sagen schon, so richtig toll ist das nicht“, berichtet auch Mahita Massaro.
So viel haben die Beraterinnen zu tun
Dann landen viele dieser Frauen – und auch schon einige Männer – bei Pink. Die Beratungsstelle hat seit April 2021 ein kleines Büro in der Brigach Business Box in VS-Villingen. Hell, freundlich und sehr anonym.
„Die Leute kommen mit allen Anliegen, die man sich vorstellen kann, zu uns“, erzählt Massaro. Beratungen mit über 100 Menschen, etwa 700 Online-Kontakte und etwa 700 Vor-Ort-Kontakte haben die beiden Beraterinnen in den zwei Jahren absolviert, die sie nun schon im Landkreis tätig sind.
Oft beginnt der Kontakt mit einem unverfänglichen Anliegen. Bei Lisa zum Beispiel ging es um die offizielle Anmeldung als Prostituierte. Ein kleiner Papierkrieg, erinnern sich die Villingerin und Beraterin Massaro. Doch mit Hilfe von Pink klappte alles.
Irgendwann später kam Lisa wieder, sie wurde inzwischen von einem ehemaligen Freier online belästigt. Pink nahm Kontakt zur Polizei auf, kümmerte sich um den Fall und stand Lisa zur Seite.
So viele Sex-Einrichtungen gibt es
Elf Betriebe, die Sex als Dienstleistung anbieten, gibt es im Schwarzwald-Baar-Kreis. Bordelle, Laufhäuser, FKK-Clubs und ein Massagesalon. Alle befinden sich in Villingen-Schwenningen. Dazu kommen die Prosituierten, die ihre Dienste in Hotels, Wohnungen oder im Auto anbieten. 2022 haben sich 47 Sex-Arbeiter und -Arbeiterinnen im Landkreis registriert und eine offizielle Arbeitserlaubnis eingeholt.
„Das sind aber definitiv viel mehr, das ist klar“, sagt Mahita Massaro. Sie rechnet mit mehreren tausend Frauen und Männern, die übers Jahr hinweg in der Branche arbeiten. In der Corona-Zeit habe sich viel ins Private verlagert, teils auch in die Illegalität. Der Bereich boomt, während klassische Bordelle teils über Umsatzverluste klagen oder gar nicht mehr genügend Frauen haben, erzählt die Beraterin.
So ist die Arbeit im Bordell
Monica, 35 Jahre alt, ist eine der Frauen, die im Bordell oder Laufhaus arbeiten. 400 Euro oder manchmal auch mehr zahlt sie hier pro Woche für ein Zimmer. Monica stammt aus Rumänien, in VS lebt und arbeitet sie seit rund zwei Jahren, erzählt sie in flüssigem Englisch.

Nach ihrer Scheidung hatte sie Schulden, brauchte Geld und kam über eine Freundin nach Deutschland und zur Prostitution. „Der Job ist okay“, sagt die Frau mit den langen schwarzen Haaren heute. Ein Großteil des Geldes, das Monica mit der Sexarbeit verdient, geht an ihre Familie in Rumänien.
Immer wieder kehrt sie für Wochen dorthin zurück, wo auch ihre Kinder leben. Dort kann sie die Seele baumeln lassen. Einfach nötig: „Ich brauche manchmal Pausen“, erzählt sie.
„Der Job ist okay.“Monica (35), arbeitet in Bordellen
Durch ein größeres Problem kam Monica 2022 zu Pink. „Ich war schwanger“, erzählt sie. Bei einem Sex-Job war das Kondom gerissen.
Mahita Massaro und ihre Kollegin reagierten schnell, stellten Kontakt zu einem Arzt her. „Mir wurde sehr gut geholfen“, bestätigt Monica. Bis heute kommt sie immer wieder zurück in das kleine helle Büro, manchmal mit unverständlichem Papierkram, manchmal auch einfach nur zum Reden.
Für Pink sind Frauen wie Monica und Lisa echte Multiplikatorinnen. Sie geben den Kontakt weiter an Kolleginnen, die vielleicht in einer Notlage stecken. Immer wieder besuchen die Beraterinnen die Frauen auch in den Prostitutionsstätten und knüpfen so erste Kontakte. Diejenigen, die im Privaten arbeiten, versuchen sie über SMS zu kontaktieren, die Telefonnummern finden sie in den Online-Anzeigen.
Doch alle können die Beraterinnen dennoch nicht erreichen. „Es gibt hier sehr viel illegale Prostitution im Umland“, weiß Mahita Massaro aus ihren vielen Gesprächen und Kontakten in die Szene. Prominentes Beispiel war das Netzwerk des früheren VS-Rotlichtkönigs, der sich Boki nannte.
Lisa und Monica dagegen sind legale Sexarbeiterinnen, sie sind offiziell angemeldet und zahlen Steuern auf ihre Einkünfte. Dies sei wichtig, um nicht erpressbar zu sein, bestätigen die beiden.
Auch dann wäre Pink für sie da. Und auch, wenn sie sich beruflich irgendwann umorientieren wollen. Denn Ausstiegsberatung und Unterstützung bei beruflicher Neuorientierung gehören ebenfalls zu den Hilfsangeboten. Bei Lisa und Monica steht dies derzeit allerdings nicht an. „Ich bin aber froh, dass ich weiß, ich könnte jederzeit wieder etwas anderes machen“, sagt Lisa.