Die Strom- und Gaspreise galoppieren an den Energiemärkten nach oben – vor allem seit Beginn des Angriffskriegs auf die Ukraine. Wer Gas bei den Stadtwerken Villingen-Schwenningen (SVS) bezieht, verheizt mehrheitlich den russischen Energieträger. Das sind die Details.

So viele VS-Haushalte haben den Gasanschluss

Rund 60 Prozent der Wohngebäude im Stadtgebiet von Villingen-Schwenningen haben einen Gas-Anschluss. Diese Zahl nennt Stadtwerke-Sprecher Oliver Bauer auf Nachfrage des SÜDKURIER. Aber wie groß ist die Abhängigkeit von russischen Gas nun genau?

Gregor Gülpen leitet seit Jahresbeginn die Stadtwerke Villingen-Schwenningen. Mitte März beurteilt er die Lage für Gaskunden in der Region.
Gregor Gülpen leitet seit Jahresbeginn die Stadtwerke Villingen-Schwenningen. Mitte März beurteilt er die Lage für Gaskunden in der Region. | Bild: Stadtwerke Villingen-Schwenningen GmbH

Gregor Gülpen leitet die Stadtwerke seit Jahresbeginn 2022. Er hat zu Beginn seiner Amtszeit gleich das größte Versorgungs-Problem der letzten Jahrzehnte auf dem Tisch. Welche Möglichkeiten hat ein Regionalanbieter überhaupt?

In der Leitung ist nicht nur Gas aus Russland

Der neue Geschäftsführer der Stadtwerke beschreibt die Verhältnisse so: „Deutschlandweit besteht eine große Abhängigkeit von Erdgas aus Russland. Deutschland bezieht über die Hälfte des benötigten Erdgases derzeit aus Russland (rund 55 Prozent). In Summe waren dies 55,6 Milliarden Kubikmeter in den vergangenen Jahren und auch unsere Region bildet hier keine Ausnahme.“ 45 Prozent des Stadtwerke-Gases kommen also von anderen Lieferanten, woher genau?

„Pro Erwachsenen und Haushalt könnte sich die Mehrbelastung im vierstelligen Bereich bewegen.“
Gregor Gülpen, Chef der Stadtwerke Villingen-Schwenningen

„Neben Russland mit rund 55 Prozent sind Norwegen mit 27 Prozent und die Niederlande mit 21 Prozent weitere Bezugsquellen von unserem Erdgas“, sagt Gülpen. Generell gesprochen: Die SVS beziehe das benötigte Erdgas in der Region aus vorgelagerten Netzen. „Eine genaue Herkunftsbestimmung und der prozentuale Anteil können hier nicht final genannt werden“, so der Geschäftsführer.

Das sagt Gregor Gülpen zur Loslösung von russischer Energie

Die Zahlen aus Russland, Norwegen und den Niederlanden beziehen sich laut Stadtwerke-Sprecher Oliver Bauer „ebenfalls auf den deutschlandweiten Bezug von Erdgas“, die Mengen-Verhältnisse seien aber für Stadtwerke-Kunden dieselben. Die Gretchenfrage ist: Kann sich die Region unabhängig machen von russischen Gas?

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Gülpen zu den Perspektiven: „Momentan und kurzfristig gesehen besteht eine Abhängigkeit in punkto Erdgas aus Russland.“ Auf politischer Ebene würden nun Alternativen gesucht, „um den Bezug deutlich zu reduzieren und die damit auch die Abhängigkeit. Deutschland ist europaweit gesehen der größte Importeur an Erdgas aus Russland und auch die Energie- und Kommunalverbände arbeiten nun mit Hochdruck an Lösungen und Alternativen“.

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Auch im Kleinen und auf regionaler Ebene gibt es vielversprechende Ansätze und Alternativen, die bereits vorhanden sind. Als Beispiel nennen die Stadtwerke die regionalen Wärmenetze. Beim Wärmenetz werden mehrere Gebäude oder eine ganze Gemeinde mit vor Ort vorhandener Wärme versorgt. Auch die SVS betreibt solche Netze im Stadtgebiet, an die sich die Anlieger anschließen können.

Das ist die Ausstiegs-Rechnung bei russischem Erdgas

Was wird genau geschehen, wenn Deutschland dem US-Beispiel folgt und den Bezug von Energie aus Russland beendet? Ein sofortiger Stopp beim Kauf von Erdgas aus Russland werde spürbar teurer für die deutschen Haushalte, so der Stadtwerke-Chef. Gülpen weiter: „Es gibt erste Rechnungen von Seiten der Politik und von Verbänden, dass ein sofortiger Lieferstopp von russischem Erdgas eine enorme Belastung für die Menschen mit sich bringen würde.“

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„Pro Erwachsenen und Haushalt könnte sich die Mehrbelastung im vierstelligen Bereich bewegen“, gibt Gülpen die Einschätzung von Experten wieder. Offen appelliert er: „Deswegen sollten wir behutsam mit solchen Forderungen umgehen. Ob die Versorgungssicherheit über den nächsten Winter weiter garantiert wäre, ist herausfordernd“, so der Stadtwerke-Geschäftsführer abschließend.

Der Krieg Putins um die Ukrainer wird in VS auch Wohlstandsfolgen haben. 3,7 Millionen Euro konnten die Stadtwerke 2021 an die Stadtkasse überweisen. Es wird erwartet, dass diese Summe 2022 nicht annähernd erreicht werden kann. Ein Faktor dabei sind die gestiegenen Energiepreise beim Betrieb der beiden Hallenbäder.

Das Hallenbad Villingen: Wagen sich Stadtwerke und Stadt wirklich an einen Neubau?
Das Hallenbad Villingen: Wagen sich Stadtwerke und Stadt wirklich an einen Neubau? | Bild: Bädergesellschaft VS

Auch die Stadtwerke müssen deutlich mehr für ihren Strom und Gas bezahlen. Und: Jede Autofahrt der Mitarbeiter kostet bereits ab Jahresbeginn deutlich mehr als zuletzt – auch für die Stadtwerke, die solche Aufwendungen allerdings als Betriebskosten ansetzen können.

Das Schwenninger Neckarbad ist das zweite Hallenbad in VS.
Das Schwenninger Neckarbad ist das zweite Hallenbad in VS. | Bild: Stadtwerke VS

Was unter dem Strich bleibt, wird wesentlich vom Fortgang des Kriegs abhängen. Projekt-Ideen des vormaligen Geschäftsführers über den Neubau eines Villinger Hallenbades scheinen jedoch in weite Ferne zu rücken.

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