Es ist ein verregneter Tag mit kräftigen Regengüssen und ruhigeren Phasen. Der Pickup fährt einen Berg hinauf durch enge Waldwege zu einer Wiese am Steilhang. Am Steuer sitzt Schäfer Ralf Kürner, mit im Auto seine Tochter Fabienne.
Vor einem Zaun hält Kürner an. Von hier aus sieht man auf das 300 Seelen-Dorf Bubenbach bei Eisenbach. Innerhalb der eingezäunten Wiese weiden die Schafe von Ralf und Fabienne Kürner.
Fabienne Kürner ist 17 Jahre und macht eine Ausbildung zur Schäferin. Mit zwölf Jahren hat sie ihr erstes Mutterschaf und ein Lamm von einem befreundeten Schäfer geschenkt bekommen und mit 13 Jahren ihre ersten fünf Schafe vom gesparten Geld für das Schafwollestopfen gekauft.
Schäferin war der zweite Berufswunsch
Heute gehören ihr 70 Tiere der 200 Schafe großen Herde. 40 davon weiden beim Solarpark Spitalhöfe in Pfaffenweiler, die anderen in Bubenbach und in Oberbränd.

„Wenn man einmal Schafsblut in sich hat, kommt man von den besonderen Tieren nicht mehr los“, sagt Fabiennes Vater.
So ist es auch seiner Tochter ergangen, die in der Kindergartenzeit noch Tierärztin werden wollte. „In der sechsten Klasse war ich mir bewusst, mit meiner Einstellung zum Lernen wird es nicht für ein Einser-Abitur reichen“, erzählt die junge Frau.
Lieber selber scheren als zugucken
Ein neuer Berufswunsch musste also her: In den Schulferien sei sie zu einem mit ihrem Vater befreundeten Schäfer nach Teningen gegangen und fasste den Entschluss, Schäferin zu werden. Mit gerade mal 13 Jahren.
„Ich bin auch oft mit meinem Papa zum Schafscheren gegangen, wollte aber nicht nur Wolle in die Säcke stopfen, sondern auch selber scheren“, erzählt sie.
Der Vater besteht auf einen Kurs
Der wünschte sich jedoch, dass sie das Scheren in einem Kurs lerne. So wie die Profis es machen: nach der neuseeländischen Technik in der Bodenschur.

„Dann habe ich, mittlerweile 14 Jahr alt, allen Mut zusammengenommen und mich beim Schafzuchtverband wegen eines Kurses erkundigt, um mich anzumelden“, sagt Fabienne Kürner.
Zu jung zum Scheren
Nach dem Telefonat sei alles klar gewesen, bis auf die Frage nach dem Alter. „Eigentlich ist der Kurs ab 16 Jahren.“ Es wurde eine Ausnahme gemacht: „Mit 15 Jahren und im April 2022 durfte ich dann den Kurs machen.“
Dann habe sie das Scheren-Fieber gepackt: Im ersten Jahr hätte sie 16 Schafe am Tag geschafft und in der Saison 2023 seien es schon 27 gewesen. „2024 bekam ich von einem Schäferkollegen aus Ostfriesland eine Einladung, über die Osterferien zum Scheren zu kommen“, erzählt Fabienne. Dort habe sie dann die 40er-Marke geknackt.
Die männlichen Kollegen sind skeptisch
Wenn sie erzählt, ist die Leidenschaft zu spüren, die Fabienne Kürner für ihren angestrebten Beruf hat. Und der Stolz, dass sie beim nächsten Scheren im Freiburger Raum 52 Schafe am Tag geschafft hat.
„Anfangs, wenn ich zum Scheren antrete, sind die männlichen Kollegen noch skeptisch, ob ich das überhaupt schaffe. Aber ich belehre sie eines Besseren“, gibt sie sich selbstbewusst. Kräftig anpacken müsse sie dabei schon.
Nicht alle Schüler bleiben dran
Den ersten Teil ihrer dreijährigen Ausbildung hat Fabienne schon fast hinter sich. Im September 2023 ging es mit einem Jahr Vollzeitunterricht in der landwirtschaftlichen Schule in Freiburg los.
„Von den anfangs 28 Schülern aus den landwirtschaftlichen Ausbildungsberufen sind bereits vier abgesprungen und ich bin die Einzige, die Schäferin werden will“, sagt Fabienne Kürner.
So geht die Ausbildung weiter
Das zweite Ausbildungsjahr absolviert sie bei einem Schäfer in Balingen. Am 1. September geht‘s los. Dort wohnt sie dann auch und kommt nur an den Wochenenden nach Hause. Außerdem erhält sie im zweiten Jahr Blockunterricht im bayrischen Triesdorf.

Bis es so weit ist, darf sie noch mal zum Praktikum nach Ostfriesland, wo 1.500 Schafe darauf warten, geschoren zu werden. Wo es im dritten Lehrjahr hingeht, ist noch offen.
Das Hobby zurückgefahren
Die 17-Jährige setzt voller Begeisterung, Leidenschaft und Liebe zu den Schafen alles daran, ihr Ziel zu erreichen.
Davon lässt sie sich auch nicht abhalten, wenn Gleichaltrige es nicht verstehen können, dass sie samstags und sonntags keine Zeit hat, etwas zu unternehmen. Auch das Tennisspielen im SV Eisenbach muss sie einschränken und steht der Mannschaft nur noch als Ersatzspielerin zur Verfügung.
Der Vater unterstützt sie
Volle Unterstützung für ihren Wunschberuf hat Fabienne Kürner von der Familie, auch was die künftigen Ziele betrifft. Während sie nicht zu Hause ist, kümmert sich der Vater um ihre Schafe.
Ihm fällt es sichtlich schwer, dass die Tochter nun für längere Zeit weg sein wird. „Wir haben schon ein sehr enges Verhältnis“, sagt Ralf Kürner.
Sie will künftig davon leben
Fabienne möchte nach der Ausbildung die Meisterprüfung zur Schäferin machen. „Die Herde soll so groß werden, dass Fabienne zusammen mit dem Lohnscheren davon leben kann“, sagt Kürner.
Ein weiteres Standbein sei auch schon geplant. „Schafwolle enthält unter anderem Stickstoff, Kalium sowie Phosphat und wird zu Pellets verarbeitet, die als natürlicher Dünger verwendet werden. Zudem ist Schafwolle im Sommer ein idealer Wasserspeicher für die Pflanzen“, erzählt Fabienne Kürner.