Langsam fährt Jörg-Dieter Klatt mit dem Schraubenzieher über die Unterseite des Staubsaugers. „Ich wette, sie versteckt sich irgendwo hier“, sagt er. Und er liegt richtig: Unter einem Aufkleber, bedruckt mit technischen Daten, verbirgt sich eine winzige Schraube, der Schlüssel auf dem Weg ins Innere des Geräts.
Das Kabel klemmt
Auf diese Idee muss man erst einmal kommen. Im Staubsauger selbst hat sich ein Kabelknoten gebildet. Das Kabel geht nicht mehr vor und auch keinen Millimeter zurück, sondern ist auf mickrige zwei Meter Länge zusammengeschrumpft – nicht gerade optimale Voraussetzungen für den Hausputz.
Nicht lange, und der ehemalige Techniklehrer hat das Problem behoben – den Knoten gelöst, den Staubsauger auseinander- und wieder zusammengebaut, die Besitzer sind glücklich. Solche Glücksmomente gibt es im Villinger Reparaturcafé sehr oft. Rund ein Dutzend ehrenamtliche Helfer stellen im Gemeindehaus der Pauluskirche regelmäßig ihr technisches Know-How in den Dienst der Allgemeinheit.

Sie reparieren Uhren und Röhrenradios, CD-Player und Nähmaschinen, Fahrräder und Kaffeemaschinen – oder öffnen eben auch manchmal einen Staubsauger, um ein Kabel zu entwirren.
Corona contra Geselligkeit
Im Mai 2019 ins Leben gerufen, war das Reparaturcafé von Beginn an ein Erfolg und ist es immer noch – auch wenn die Geselligkeit coronabedingt derzeit zu kurz kommen muss.

„Normalerweise bieten wir an den Reparaturtagen Kaffee und Kuchen an“, sagt Patricia Haas-Meusel. Momentan können defekte Geräte lediglich telefonisch angemeldet und dann gebracht werden. „Vor Corona waren die Leute beim Reparieren oft dabei, tranken eine Tasse Kaffee“, sagt Jörg-Dieter Klatt. Manche kommen auch nur zum Plaudern, weiß Patricia Haas-Meusel. Sie gehört zu dem guten Dutzend Helfer, die sich der Nachhaltigkeit verschrieben haben.
Kaputt nach Garantielaufzeit
Oft geben Geräte gerade dann den Geist auf, wenn die Garantie gerade abgelaufen ist, nicht selten könnte man für die vom Hersteller veranschlagten Reparaturkosten gleich ein neues Gerät anschaffen. Hier setzt das Reparaturcafé an: Die technisch versierten Helfer nehmen sich dem Problem an, tüfteln, reparieren und tauschen aus – für die Besitzer kostenlos. Ausnahme: Müssen Ersatzteile bestellt werden, müssen sie auch bezahlt oder aber selbst bestellt werden.

Ersatzteile kosten häufig nicht viel Geld, oft sind sie für Cent- oder einstellige Eurobeträge zu haben. „Corona hat viele dazu gebracht, nach langer Zeit ihre Nähmaschinen auszupacken, um Masken zu nähen“, schildert Jörg-Dieter Klatt. „Und nach 20 Jahren macht es ‚peng‘ und sie geht plötzlich nicht mehr.“ Oft sei der Grund ein defekter Entstörkondensator, den es zum Einkaufspreis von 80 Cent bis zwei Euro gibt.
Gelebte Nachhaltigkeit
Großzügig unterstützt wird das Reparaturcafé von der evangelischen Kirche. Im Paulus-Gemeindehaus finden nicht nur die Reparaturtage statt, hier dürfen die Bastler auch ihre Ausrüstung lagern: Werkzeug, Arbeits- und Prüftische und Regale, in denen die „Patienten“ gelagert werden, denn nicht alles kann sofort repariert werden. Birgit Samlenksi von der evangelischen Bezirksstellle 55plus ist begeistert von dem Angebot. „Das ist Nachhaltigkeit, die der Schöpfung zugute kommt.“

Die Bastler haben großen Spaß an ihrem Ehrenamt. „Ich mach‘s gerne“, sagt etwa Rolf Schäfer, „und ich hab eine Riesenfreude, wenn ich wieder mal etwas zum Laufen gebracht habe.“ Für den Ingenieur ist der alltägliche Umgang mit Technik selbstverständlich, ebenso wie für seine Mitstreiter. Sie alle haben ein Faible für Technik und Elektronik, sei es als Maschinenbauingenieur wie Martin Finsler oder als Elektrotechniker wie Nguyen Tan Dung.
Nach Richtlinien geprüft
Damit auch alle Geräte nach der Reparatur wieder sicher betrieben werden können, werden sie abschließend nach den Richtlinien des VDE (Verband Deutscher Elektroingenieure) geprüft.
Sabanese im Einsatz
Die Leidenschaft für Technik lässt die Reparaturcafé-Helfer auch besonders knifflige Aufgaben lösen: So haben Jürgen Kammerer und Michael Isak im vergangenen Jahr 100 Stunden in die Reparatur eines Saba Freiburg Automatic-9-Radios aus dem Jahr 1959 investiert. Damit nicht genug: Zum Schluss wurde das Gerät von Kammerer, selbst ehemaliger „Sabanese“, und Mit-Tüftler Michael Isak noch auf Hochglanz poliert.
Vieles bringt das Team wieder zum Laufen, wenn auch nicht alles. „Ein Klassiker ist der Wasserkocher mit kaputter Heizspirale“, sagt Jörg-Dieter Klatt. „Da ist wirklich nichts mehr zu machen.“ Bei vielen Geräten mache sich Qualität bezahlt, sagt Patricia Haas-Meusel. „Billiggeräte kann man oft nur insofern öffnen, als dass sie dann kaputt sind. Wir weisen auch immer darauf hin, dass billig nicht immer gleichbedeutend mit günstig ist.“
Aufgrund der Coronaverordnung kann das Reparaturcafé derzeit nicht wie gewohnt stattfinden. Repariert wird aber dennoch. Am Mittwoch, 7. Oktober, kann man zwischen 17 und 19 Uhr unter folgender Telefonnummer Geräte zur Reparatur anmelden: 07721/2 06 41 76. Den Anrufern wird für Samstag, 10. Oktober, ein Zeitfenster genannt, in dem sie ihre Geräte in der Waldhauser Straße 10/2 zum Gemeindesaal der Pauluskirche in Villingen bringen können. Die ehrenamtlichen Reparateure werden versuchen, die Geräte in den folgenden drei Wochen wieder funktionstüchtig zu machen. (ath)