St. Georgen – Welchen Anteil an der Entwicklung der HiFi-Industrie sie einmal haben würden, ahnten die Brüder Christian und Josef Steidinger natürlich nicht, als sie 1907 mit ihrer Firma Gebrüder Steidinger und ihrer Idee, neben Werkzeugen für die Uhrenindustrie auch Federlaufwerke für Grammophone herzustellen den Grundstein für eine Revolution in der Unterhaltungselektronik legten. Spätestens, als Christian Steidinger mit der zunehmenden Elektrifizierung der Haushalte den Federantrieb mit einem Elektromotor kombinierte, den er erstmals 1927 vorstellte, war der Name für den dualen Antrieb gleichzeitig Programm. 1935 war der Firmenname Dual geboren und sollte die Industriegeschichte der Stadt St. Georgen im folgenden halben Jahrhundert maßgeblich beeinflussen.

Nach dem Zweiten Weltkrieg standen die Fließbänder für die Laufwerkproduktion 1945 allerdings zunächst still. Stattdessen wurden kleine, mit einem Dynamo betriebene Taschenlampen hergestellt, die als Tauschmittel für fehlendes Bargeld eingesetzt wurden.

1948, im Jahr der Währungsreform, schöpfte Dual wieder neue Hoffnung. Unter der Leitung von Konstrukteur Emil Knecht wurde 1949 auf der Funkschau in Berlin der erste Plattenwechsler Dual Typ 1000 vorgestellt. Im folgenden Jahr verließen bereits 200 000 Laufwerke das Werk.

Ab 1950 ging die Entwicklung auf dem Gebiet der Phonotechnik rasant vorwärts. Als 1951 in Europa die Mikrorillen-Schallplatte eingeführt wird, die die bis dahin gebräuchlichen Schellackplatten zunächst ergänzten und später ersetzten, entwickelte Dual als erster Hersteller eine neue Generation von Plattenspielern mit unterschiedlichen Drehzahlen. Neben der bis dahin gebräuchlichen 78 Umdrehungen für Schellackplatten konnten die Abspielgeräte von Dual mechanisch auf 33 beziehungsweise 45 Umdrehungen eingestellt werden. Um die Tonqualität zu verbessern, brachte Dual 1952 zudem das erste eigene Tonabnehmer-System mit Kristallen aus eigener Zucht auf den Markt. Zu dem Zeitpunkt waren 700 Mitarbeiter bei Dual beschäftigt.

Die Wirtschaftswunderzeit bescherte Dual neue Absatzmöglichkeiten. Den Menschen ging es finanziell gut. Die jungen Leute entdeckten ihre Freiheit. Dazu gehörte, dass man Musik nicht mehr nur über die in Phonoschränken eingebauten Plattenspieler hören wollte. Musik sollte mobil werden, um die neuesten Rock´n`Roll-Hits von Elvis Presley und den Beatles und Schlager von Peter Alexander und Peter Kraus gemeinsam mit Freunden zu hören. Diesem Wunsch kam Dual ab 1953 mit der Entwicklung von tragbaren Koffergeräten nach, die zunächst an ein vorhandenes Radio angeschlossen werden konnten. 1956 wurden die Koffergeräte mit eingebautem Verstärker und Lautsprecher ausgestattet, die teilweise sogar batteriebetrieben waren. Wenn man so will, ein Vor-Vorläufer der späteren Walkman- und noch späteren MP3-Generation.

1956 wurde auch der markante Fabrik- und Verwaltungsneubau an der Sommerauer Straße in Betrieb genommen (heutiges Technologiezentrum TZ). In Messkirch entstand gleichzeitig mit Werk 2 das erste Zweigwerk zur Endmontage von Plattenspielern. In Messkirch wurden auch die Kristalle für die Tonabnehmer im eigenen Labor gezüchtet.

Als 1958 die Stereotechnik und damit das räumliche Hören eingeführt wurde, stellte Dual bereits im Frühjahr die ersten Stereo-Tonabnehmersysteme und stereotauglichen Plattenspieler auf der Hannovermesse vor.

Die 1960er Jahre waren geprägt von Neuentwicklungen und Expansion. Die Laufwerke wurden technisch weiterentwickelt, neben Plattenspielern wurden auch Verstärker und Tonbandgeräte produziert. Dualgeräte wurden inzwischen auf alle Kontinente der Welt verkauft. 1963 hatte Dual 1250 Beschäftigte. Einer von ihnen war Jörg Schamberger, der in jenem Jahr als junger Techniker ins Unternehmen kam. "Der Plattenspieler mit der Bezeichnung 1009 war der Durchbruch", erinnert sich Jörg Schamberger. Das Besondere an dem Gerät war, dass der Tonarm bereits in alle Richtungen ausbalanciert war, sodass der Tonarm mit der Nadel in jeder Lage stets mit demselben Druck auf der Platte auflag. "Das war ein großer Vorteil gegenüber den Japanern", erinnert sich Schamberger. Später wurde dieser technische Kniff dadurch simuliert, dass Plattenspieler auf dem Kopf stehend abgespielt wurden. Was heute noch, neben vielen Exponaten im Deutschen Phonomuseum zu sehen ist.

Damals und heute

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Wissenswertes über Dual

  • Verschiedene Firmenlogos: Im Laufe der Jahrzehnte veränderte sich das Dual-Logo mehrfach. Die vier Buchstaben gab es mal ineinander verlaufend, mal in geschwungener Schrift. Ab 1963 wurde der bekannte Dual-Würfel mit weißer Schrift auf schwarzem Hintergrund entworfen.
  • Gut rasiert mit Dual: Der Plattenspielerhersteller machte Ende der 1950er bis Anfang der 1960er Jahre einen Ausflug in die Produktion von Rasierapparaten. Dafür wurde sogar ein eigenes Logo kreiert. Gegen andere Hersteller konnte sich der Dual Rasierer allerdings nicht durchsetzen. Er war sehr laut und wurde hämisch auch als Rasenmäher bezeichnet.
  • Der Name Dual lebt: Auch wenn das Unternehmen 1981 in Konkurs ging, lebt der Name Dual bis heute weiter. Die Firma Alfred Fehrenbacher GmbH in St. Georgen hat die Vertriebs- und Vermarktungsrechte und produziert jährlich rund 15000 Analogplattenspieler mit dem Original-Logo.
  • Dual ist nicht gleich Dual: Billige Geräte, die mit verändertem Logo unter dem Namen Dual in Kaufhäusern und teilweise in Discountmärkten angeboten werden, haben nichts mit dem ehemaligen Gerätehersteller zu tun. Hier wird lediglich der Markenname verwendet. (spr)