Einige Fragen sind nach Bekanntwerden der Stellenstreichungen bei der Grässlin GmbH in den vergangenen Tagen offengeblieben. So war zunächst unklar, wie viele Mitarbeiter wirklich von dem Schritt betroffen sind. Viele zweifelten außerdem an, ob dieser Schritt wirtschaftlich unausweichlich war. Die Grässlin-Geschäftsführung äußerte sich nun in einem Gespräch mit dem SÜDKURIER.
„Die Grässlin GmbH kann sich aus eigenen Mitteln nicht tragen“, sagt Paulina Kowalkowska, European Direktor und Prokuristin, zu den Gründen der sogenannten strategischen Neuausrichtung. Der Standort St. Georgen soll Taktgeber für Innovationen in der Entwicklung werden, während die Produktion nach Mexiko verlagert wird. Die Gründe für die wirtschaftliche Schieflage liegen aus Sicht der heutigen Geschäftsführung indes weit zurück – unter anderem in der Zeit zwischen 2000 und 2007, als Grässlin zu GE gehörte. Dazu: „Grässlin ist ein sehr traditionsreiches Unternehmen. GE war bei der Übernahme auf ein solches Unternehmen nicht vorbereitet. In dieser Zeit sind viele Fehlentscheidungen getroffen worden.“ Das sei darin gemündet, dass Grässlin bereits seit zehn Jahren rote Zahlen schreibt und nun 63 Mitarbeiter entlassen muss. Insgesamt beschäftigt das Unternehmen derzeit 147 Mitarbeiter, 83 davon in der Produktion.
Teil der Neuausrichtung, es klingt ein wenig paradox, sei auch eine Erhöhung der Beschäftigtenzahl in einigen Abteilungen, die eben nicht der gestutzten Produktion zugerechnet werden. Die stärkere Ausrichtung in Richtung Entwicklung mache dies nötig – denn das soll die Zukunft von Grässlin sichern. Eine wichtige Stellschraube hierfür: Der Vertrieb. Julian de la Cuesta, Sales und Marketing Director, möchte hierdurch mehr Marktinformationen erhalten. Er sagt: „Wir haben den Vertrieb lange Zeit nicht selbst gemacht. Wir haben dadurch einige Trends verpasst. Seit Januar haben wir zum Beispiel den Vertrieb auf dem deutschen Markt wieder selbst in der Hand.“
Das Werk in Peterzell soll aufgegeben werden. „Ziel der Neuausrichtung ist es, die Zukunft der Grässlin GmbH am Standort St. Georgen zu sichern.“ Und weiter: „Wir sind momentan jeden Tag in Peterzell und suchen das Gespräch mit unseren Mitarbeitern“, sagt Paulina Kowalkowska.
Dass es bei Grässlin einmal den Versuch gab, einen Betriebsrat zu gründen, wisse Paulina Kowalkowska. Sie betont aber: „Ich bin seit sechs Jahren im Unternehmen. Die Gründe, dass die Grässlin GmbH keinen Betriebsrat hat, liegen davor. In den vergangenen Jahren gab es keine Bemühungen in diese Richtung.“ Das deckt sich mit den Aussagen von Oliver Böhme, Gewerkschaftssekretär, der sich an solche Versuche, vor etwa zehn Jahren, erinnern kann. Eine Mitarbeiterin, die den SÜDKURIER kontaktiert hat, aber anonym bleiben will, sagt hierzu: „Das stimmt, dass das zehn Jahre her ist. Aber weil die beiden, die das versucht haben, gekündigt wurden, hat sich das keiner mehr getraut.“
Derzeit führe man zahlreiche Gespräche – auch mit benachbarten Firmen und dem Bürgermeister. Paulina Kowalkowska: „Ich schätze die Unterstützung und die enge Zusammenarbeit mit den benachbarten Firmen sehr. Es sind viele offene Stellen an uns weitergeleitet worden, die wir unseren Mitarbeitern anbieten werden. Auch die zugesagte Unterstützung des Bürgermeisters ist sehr willkommen. Diesbezüglich sind weitere Gespräche mit der Stadt geplant, um zu konkretisieren, wie diese genau aussehen soll.“ Sollte ein Mitarbeiter von Grässlin also schon jetzt eine attraktive Stelle finden, werde man den Wechsel möglich machen.
Grässlin
Dieter Grässlin gründete die St. Georgener Traditionsfirma im Jahr 1956. In starken Zeiten beschäftigte die Firma mehr als 500 Mitarbeiter. Nach dem Tod des Gründers erfolgte 2000 der Verkauf an General Electric, 2007 ging die Firma an den nächsten amerikanischen Konzern: Intermatic mit Sitz in Illinois gilt als weltweit führender Hersteller von Zeitschaltuhren. Grässlin produziert Haustechnikanlagen von Zeitschaltuhren über Bewegungsmelder und Temperaturregler bis zum Energiezähler. (wur)