Es trainiert die Schnellkraft, das Bewegungsgefühl, die Koordination, die kognitiven Fähigkeiten und alle Muskelketten im Körper: Bouldern hat sich in den vergangenen Jahren zu einer echten Trendsportart entwickelt. In Villingen-Schwenningen gibt es mit dem Upjoy eine Boulderhalle, in der vom Anfänger bis zum Wettkampf-Kletterer alle auf ihre Kosten kommen.
Tim Rotbauer und seine Frau Susanne denken sich die Routen aus und schrauben die verschieden großen Griffe an und um. Damit auch regelmäßige Besucher immer wieder auf ihre Kosten kommen, gibt es pro Woche ein bis zwei neu geschraubte Wandbereiche. „Es gibt mittlerweile wirklich die Berufsbezeichung Routenschrauber“, lacht Rothbauer. Die Boulderhalle ist direkt hinter dem Fitness-Studio Injoy in den komplett umgebauten Hallen des einstigen Kienzle Werkes untergebracht.
Mehr als 600 Quadratmeter Boulderfläche stehen im Upjoy zur Verfügung, es gibt 150 Routen mit geschätzten 900 Griffen. „Wir haben von Anfang an gesagt, wir konzentrieren uns auf das Bouldern, um dem Kletterzentrum K5 in Rottweil keine Konkurrenz zu machen“, erklärt Dirk Bartels, Prokurist im Upjoy. Das K5 wird von der Sektion Oberer Neckar des Deutschen Alpenvereins betrieben und bietet schwerpunktmäßig Kletterrouten an.
„Die Routen bei uns im Upjoy sind farblich in sechs verschiedene Schwierigkeitsgrade unterteilt“, so Tim Rothbauer.
Der gesamte Boden ist mit weichen Spezialmatten ausgelegt, so dass der Kletterer weich fällt, wenn er auf seiner Route den Tritt verliert. Die Griffe sind aus Holz oder Kunststoff, seit einiger Zeit kommen vermehrt große Griffe zum Einsatz. „Die können aber durchaus schwieriger sein, auch wenn man im Moment denkt, da finde ich besser Halt.“ Ziel ist es, mit möglichst wenig Versuchen auf der ausgewählten Route zum so genannten Topgriff zu kommen, diesen drei Sekunden zu halten und dann wieder abzusteigen. „Da sind dann alle Griffe zulässig.“Der Sport hat sogar eine meditative Komponente: „Man braucht schon eine gewisse Ruhe, um sich auf die Strecke einzulassen, sie im Geist durchzugehen“, erzählt Rothbauer.
Wenn er eine neue Route schraubt, versucht er, gewisse Tricks und Kniffe einzubauen, aber es gilt immer: „Sie muss bezwingbar sein.“ Es ist wie ein Rätsel, das vom Nutzer gelöst werden müsse. Manchmal stehen ganze Gruppen vor einer Route und grübeln gemeinsam, wie das Ziel am besten erreicht werden kann. „Es passiert immer wieder, dass Boulderer ganz andere Lösungen finden, als ich sie eigentlich im Kopf hatte“, erzählt Tim Rothbauer, der gemeinsam mit seiner Frau seit mehr als 15 Jahren das Bouldern hier in der Region voranbringt. Früher gab es kaum Möglichkeiten, hier zu bouldern. „Wir haben dann schon kleine Routen in St. Georgen und in der Biwakschachtel in Schwenningen gebaut.“ Mittlerweile ist Bouldern ein echter Breitensport geworden, so Rothbauer. Er selbst hat es mittlerweile sogar in die erste Boulder-Bundesliga geschafft.
Das gesamte Areal im Upjoy ist der Villinger Innenstadt nachempfunden: Über die Brigach, einen kleinen Wasserlauf mit Brücke, hat man den Romäusturm im Blick. Die Sektoren entlang den Wänden heißen Kaiserring, Benediktinerring und Romäusring. Es gibt ein Pulvertürmle, die Stadtmauer, das Niedere Tor und das Villinger Münster. Dahinter verbirgt sich eine 100 Quadratmeter große Kletterfläche aus durchsichtigem Acrylglas mit einer „Trueblue“ genannten Sicherungsanlage. Der Vorteil: Auch beim klassischen Klettern braucht man hier keinen Sicherungspartner. Wer doch im Team klettert, kann seinen Partner auf der anderen Seite der durchsichtigen Wand quasi beobachten, man kann sich gegenseitig sogar Tipps geben. Aber der Schwerpunkt im Upjoy liegt eindeutig beim Bouldern, wie Tim Rothbauer betont.
Für erfahrenere Boulderer gibt es einen speziellen Trainingsraum mit schwierigen Routen und einem sogenannten Moonboard, wo mittels LEDs bestimmte Routen ausgewählt, markiert und dann nachgeklettert werden können. Sogar einen Ninja-Warrior-Parcours mit speziellen Schikanen gibt es, der noch weiter ausgebaut werden soll. „Wir planen gerade eine Erweiterung mit einem speziellen Kinderboulderbereich, einer Wettkampfwand, einer zusätzlichen Boulderhalle, einem Bistro und einem Ninja-Warrior-Parcour“, erzählt Dirk Bartels.
Wer sich alleine und ohne Erfahrung doch nicht an eine Route traut, der kann im Upjoy Schnupper- und Anfängerkurse belegen und sich in der Gruppe unter erfahrener Anleitung mit dem Bouldern vertraut machen. Das es wirklich einfache Routen für Anfänger gibt, zeigt hier SÜDKURIER-Redakteurin Claudia Hoffmann.
Details zum Bouldern und Klettern
- .Was aber ist eigentlich der Unterschied zwischen Bouldern und Klettern? Bouldern (englisch boulder = Felsblock) ist eine Form des Kletterns, bei der ohne Gurt und Seil in Absprunghöhe geklettert wird. Beim Sportklettern wird der Kletternde über die sogenannte Partnersicherung gesichert. Hier bilden zwei Personen eine Seilschaft: Ein Kletterpartner steht am Boden und sichert den Kletterer. „Und das ist das Tolle am Bouldern, ich kann es alleine machen, ich brauche keinen Kletterpartner, aber wenn ich Lust habe, funktioniert das auch im Team“, schwärmt Dirk Bartels. Außerdem brauche man keine teure Ausrüstung: „Kletterschuhe reichen und die kann man bei uns auch ausleihen.“
- .Wer im Freien bouldern will, bevorzugt Temperaturen von drei bis fünf Grad: „Da finden die Finger den besten Halt am Felsen“, berichtet Tim Rothbauer. Auch in der freien Natur nehmen die Sportler dünne Matten mit, die unter die Felsen gelegt werden. Aber natürlich gilt: „Es bleibt nichts zurück, wir nehmen alles wieder mit.“
- .Weitere Kletterhallen: In Rottweil gibt es die Kletterhalle K5, die vom Deutschen Alpenverein Sektion Oberer Neckar betrieben wird. Auf 950 Quadratmetern und einer Wandhöhe von 15 Metern kann geklettert werden. Mehrmals im Jahr werden neue Routen gebaut. Besonderheiten sind die Kunstfelswand Rocktopia und eine Speedwand. In Villingen soll auf dem Klosterhof-Gelände noch eine weitere Kletterhalle entstehen. Investor Thomas Kohler wollte bis Ende 2019 damit an den Start gehen, wartet aber immer noch auf eine Baugenehmigung.