Vor einer Woche findet Hans Stern im Schwenninger Moos einen Pilz, der da eigentlich gar nicht hingehört. Der Eichen-Milchling wächst, wie der Name andeutet, nur bei Eichen. Die gibt es im Moos nicht. Warum er ihn trotzdem gefunden hat? Hans Stern zuckt mit den Schultern. Auch ein Pilzsachverständiger kann von der Natur ausgetrickst werden.
Hans Stern ist 76 Jahre alt, wann genau er damals seine Prüfung zum Pilzexperten abgelegt hat, das weiß er nicht mehr. Er schätzt: Ungefähr vor 30 Jahren. Bei der Bestimmung der Pilze ist er präziser. Hunderte Arten hat er im Kopf. Vermutlich ebensoviele kennt er nicht. In Deutschland gibt es rund 6000 Pilzarten, 80 davon sind stark giftig, 20 tödlich giftig, rund 200 Arten werden als Speisepilze bezeichnet. Manchmal, sagt er, finde ich einen Pilz und arbeite dann Tage daran, herauszufinden, was es für einer ist.

Ach, da ist auch einer, sagt er und freut sich tatsächlich ob eines Knollenblätterpilzes. "Ein Perlpilz, ein sehr guter Speisepilz."

Der einzige Pilz, den seine Eltern kannten, war die Spitzmorchel. Angebraten in Butter, mit Ei darüber, das ist heute noch sein Lieblings-Pilz-Gericht. Als bei einem Besuch in Chemnitz die Gastgeber täglich eine Fülle von Pilzen auf den Tisch stellen, wundert sich Stern erst, schließlich gibt es in Chemnitz kaum Wald, dann denkt er: "Mensch, im Schwarzwald, da muss es doch noch viel mehr geben."
Hans Stern kann man anrufen und wenig später mit dem Pilzkörbchen vorbeikommen. Rund 60 solcher Beratungen hatte er in den vergangenen zwei Jahren. Unterdurchschnittlich, sagt er. Die letzten zwei Jahre waren keine guten Pilzjahre. Auch dieses Jahr sei es hier zu trocken. Letztens war er in Loßburg im Nordschwarzwald: "Da steht der Wald voll", sagt er. "Bei uns kümmern sie so vor sich hin." Während die Pilze weniger wurden, vermehrten sich die Sammler. Die Kurse an der Pilzlehrschule in Hornberg sind inzwischen immer ausgebucht.

"Ah", sagt Stern, "ein wunderschönes Pilzchen". Klein und gelb. Der Name fällt ihm gerade nicht ein. Vorsichtshalber steckt er ihn ein. Später wird ihm einfallen, dass es ein Amiant-Körnchenschirmlig ist. Schön, aber ungenießbar.
Stern ist ein ruhiger Mensch, nicht im Sinne von bedächtig oder langsam, eher im Sinne von umsichtig. "Da, schauen Sie, das sieht man leider immer wieder", sagt er und deutet an den Wegrand. Da liegt ein Häufchen Pilze alle aus dem Boden gerissen und dann hingeworfen. "Die Leute nehmen die Pilze in die Hand um zu schauen, was es ist, und im Zweifel schmeißen sie sie einfach wieder hin." Stern legt die Pilze, die er zum Bestimmen rausnimmt wieder auf den Waldboden zurück. So wachsen sie weiter. Das ist nicht allzuviel Mehraufwand, sagt er.
Hier, sagt Stern, bleibt abrupt stehen und zieht aus dem Dickicht am Wegrand einen grünen Täubling. Die Lamellen splittern, der Stiel knackt wie Kreide, "mmh, schön scharf", sagt Stern, als das Stück ausspuckt, das er probiert hat.

Manchmal wird er ins Klinikum gerufen. Stern ist in der Expertenliste der Vergiftungszentrale in Freiburg gelistet. Dort muss der behandelnde Arzt anrufen, hat er einen Patienten mit Vergiftungserscheinungen. Die Zentrale beauftragt dann einen Sachverständigen. Stern muss dann bestimmen, welchen Pilz der Patient gegessen hat, erst dann ist eine Behandlung möglich. Dieses Jahr hatte er noch keinen Einsatz. Die meisten, sagt Stern, haben eine Lebensmittelvergiftung, die Pilze waren verdorben, nicht aber giftig. Andere essen zu viel davon – Pilze, sagt Stern, sind schwer verdaulich. Todesfälle hat er noch nicht erlebt. "Die Medizin macht heute einiges möglich." Bleibende Leber- und Nierenschäden kommen jedoch vor. Symptome von Vergiftungserscheinungen zeigen sich kurz nach dem Verzehr bis zwei Wochen später.
Die besten Steinpilze wachsen im Germanswald, wer gute Pfifferlinge will, muss ins Bregtal Richtung Eisenbach. Und Morcheln? "Wenn man nicht weiß, wo die wachsen, ist die Suche mühsam." Stern weiß es. "Ich kenne Plätze, die haben meine Eltern schon vor meiner Geburt gekannt." Auf die Frage: Wo die besten Pilze wachsen? hat er eine Standardantwort. Er sagt dann: "Im Wald" und grinst schelmisch.
Das sind die Regeln
- Die Mengen beachten: Viele essbaren Pilze stehen unter Naturschutz und dürfen nicht gesammelt werden. Ausnahmen gelten für Steinpilze, Pfifferlingen, Schweinsohr, Brätling, Birkenpilz, Rotkappe und Morchel. Erlaubt ist ein Kilogramm pro Pilz und Tag zum Eigenbedarf.
- Die Absperrungen beachten: Schilder mit der Aufschrift "Forstbetrieb" nicht einfach ignorieren. "Beim Geräusch von Motorsägen, bitte weggehen", sagt Roland Brauner, stellvertretender Forstamtsleiter.
- Die Natur beachten: Schonungen und Dickichte dürfen nicht betreten werden, dort hält sich das Wild bevorzugt auf. Auch dürfen keine Pilze in Naturschutzgebieten gesammelt werden.