Ein Bahn-Waggon auf einem Tieflader, zwei starke Schwerlastkräne, amerikanische Polizeiwagen und viele Helfer und Zuschauer: Die Transportaktion eines alten Bahn-Anhängers hat in Lenzkirch viele Blicke auf sich gezogen.
Hauptakteur in diesem Stück war Robert Miketta. Der 49-Jährige lebt in Lenzkirch-Gutachbrücke in einem alten Bahngebäude neben den Gleisen. Hauptberuflich ist er Polizeibeamter. Nebenbei betreibt er mit seinen beiden Söhnen einen Forstwirtschaftsbetrieb, erledigt für die Bahn die komplizierten Baumfällaktionen an unwegsamen Stellen. Aufgewachsen ist er im Nachbarhaus, dem alten Bahnhof. Trotz schwieriger Kindheit und Jugend, hat er seinen Weg gemacht. Die Bahnstrecke vor der Haustüre war immer Teil seines Lebens. Rege Erinnerungen hat er an die Zeit, als die Gleise nach Lenzkirch zurückgebaut wurden. "Da kamen ganz viele Arbeiter in solchen blauen Waggons", denkt er zurück.
In den weiteren Hauptrollen waren auch Stefan Ade (links), Vorsitzender des Freundeskreises der Trossinger Eisenbahn, als Ideengeber sowie Thomas Rees, Geschäftsführer der Modelleisenbahnfreunde aus Schwenningen, als Projektleiter der Transportaktion zu sehen.
Patrick Kübler, Bereichsleiter für Transport- und Maschinenlogistik bei der Firma Scheerer Logistik aus Aichhalden, hat die benötigten Maschinen, den Fuhrpark und die nötigen Fachkräfte für solch tonnenschwere Frachten organisiert. Thomas Rees war durch Zufall auf Kübler gestoßen. Der winkte nicht gleich ab, wie Vertreter einiger anderer Logistik-Unternehmen, sondern machte den Modellbahnfreunden ein faires Angebot für den Transport.
Der alte Waggon vom Typ GMS 54 stand vermutlich schon seit rund 20 Jahren ungenutzt auf einem Gleis auf dem Villinger Betriebsgelände der Südbaden Bus Gmbh zwischen der Bertholdstraße und der Lantwattenstraße. Dort rostete der 10,5 Meter lange, knapp vier Meter hohe, 2,77 Meter breite und 12,2 Tonnen schwere Koloss vor sich hin.
Gebaut wurde er vermutlich schon in den 50er Jahren, teilweise aus alten Waggon-Teilen, wie Bahn-Kenner Thomas Raible von den Trossinger Eisenbahnfreunden weiß. In den 80er Jahren sei er dann, wie 14.000 baugleiche Typen, vom Gütertransport ausgemustert und umlackiert worden, von braun zu blau. Fortan diente er als Bahndienstwagen. Vor vier Jahren wurde er von Miketta in Villingen entdeckt. Sofort wurden in ihm Kindheitserinnerungen wach gerüttelt. Wenig später kaufte er ihn der Bahn ab. Einer seiner Mitarbeiter erneuerte das Dach und den Boden.
Eine Verlegung des Wagens auf Schienen war aufgrund des schlechten Zustands nicht mehr möglich, der Transport über die Straße zu teuer. Bis jetzt. Und das kam so: Vor einigen Jahren hatte Miketta die Trossinger Eisenbahnfreunde bei der Beschaffung eines alten Bahn-Telefonhäuschen unterstützt und das Objekt für den Verein aus schwierigem Gelände herausgeholt. Jetzt, Jahre später, drohen mehrere große Bäume zwischen dem Vereinsheim der Schwenninger Modelleisenbahnfreunde und der Bahnlinie auf das Haus oder auf die Gleise zu stürzen.
Stefan Ade, der auch in Schwenningen Vereinsmitglied ist, erinnerte sich an Miketta. Die Modellbähnler überlegten nicht lange, ließen unter der Federführung von Thomas Rees ihre Kontakte spielen und legten sich ins Zeug, um für den Baumfäll-Profi den Waggon-Transport zu organisieren. Mit Miketta war man sich schnell einig. Im Gegenzug will dieser zum Jahreswechsel die Problem-Bäume auf dem Bahngelände kappen. Am Donnerstag, gegen 8 Uhr, war es dann soweit. Miketta befreite seinen Waggon mit der Motorsäge aus dem dichten Buschwerk.
Wenig später hoben zwei Schwerlastkräne den rostigen Wagen vorsichtig an. Langsam näherte sich im Rückwärtsgang der Tieflader und positionierte sich genau unter der tonnenschweren frei schwebenden Last.
Damit während Fahrt später nichts verrutscht, wurde der Wagen mit dicken Holzbrettern unterlegt und mit massiven Stahlketten auf dem Tieflader verspannt.
Halbzeit. Der Konvoi war kurz vor 10 Uhr abfahrbereit, exakt wie es im Ablaufplan im Vorfeld eingeplant wurde. Vor der Videokamera zog Robert Miketta Zwischenbilanz und verriet, was er in Zukunft mit dem Waggon vorhat. Zuerst soll er renoviert werden, später ein kleines Bahnmuseum am Rande des Bähnle-Radweges beheimaten.
Um 10 Uhr setzte sich der Tross in Bewegung, vom Betriebsgelände auf die Donaueschinger Straße in Richtung Bad Dürrheim. Von dort ging es über die B27 weiter in Richtung Donaueschingen. Begleitet wurde der Transport von zwei amerikanischen Polizeiautos, die dem Unternehmer Thomas Rees gehören. Für seine Firma dienen sie als Werbeträger.
Vorbei an Donaueschingen und Hüfingen ging es weiter auf die B31 in Richtung Titisee-Neustadt. Bei der Abzweigung nach Friedenweiler entstand das folgende Video.
Noch vor dem Zeitplan, kurz vor 11 Uhr, traf der Konvoi nach 46 Kilometern Fahrt an der Bahnlinie in Lenzkirch-Gutachbrücke ein. Miketta gab den Fahreren eine kurze Einweisung, schon rangierte der Tieflader erneut rückwärts über den Feldweg zur Abladestelle. Zwischen Weg und Gleis, nur wenige Meter von seinem Wohnhaus entfernt, hatte Miketta am Tag zuvor ein Schotterbett angelegt, Schwellen und Bahngleise darauf verlegt. Ausreichend lang, um den blauen Waggon sicher abstellen zu können.
Die Kräne machten sich bereit, dann ging es schnell in Richtung Zielgerade. Nur wenige Minuten dauerte das Umheben vom Lastwagen auf das kurze Gleisstück.
Der Waggon wurde fixiert, damit er nicht wegrollen kann. Von Miketta fiel die Anspannung ab. Jetzt gab es eine Stärkung für allen Beteiligten: Gulaschsuppe mit Spätzle, mit Fleisch und vegetarisch. Die Mahlzeit wurde in dem grünen Baustellenwagen ausgegeben, ebenfalls ein Objekt, mit welchem Miketta viele Erinnerungen verbindet. Rund zwei Jahre lang lebte darin in der Nähe der Gleise. Damals war er 16 Jahre alt. Jahre später diente er als Spiel-Unterschlupf für seine beiden Söhne.
Mit einer Unterschrift ließ sich Patrick Kübler zum Schluss seinen Transport-Dienst quittieren. Er musste weiter zum nächsten Termin.
Im kommenden halben Jahr will Miketta den Waggon gundlegend sanieren und innen ausbauen. Dabei kommt Holz aus der eigenen Forstwirtschaft zum Einsatz. Ein kleinen Museum soll danach darin Platz finden, mit alten Bahnutensilien und Bilddokumenten. Bei Forstarbeiten entlang der Bahnstrecke findet der 49-Jährige immer wieder interessante Stücke, aus der Zeit des Bahnbaus bis heute. Wenn alles fertig ist, soll ein geeigneter Standort für das rollende Museum gefunden werden. Miketta könnte sich den Wagen gut am Rande des beliebten Bähnle-Radweges vorstellen. "Dazu werde ich dann auf die Gemeinde zugehen", erzählt er.
Bilder
Die besten Bilder von der Transport-Aktion von Villingen nach Lenzkirch-Gutachbrücke, vom Beladen bis zum Abladen, haben wir im folgenden Artikel für Sie zum Nachsehen veröffentlicht.