Villingen-Schwenningen – Eintönigkeit gibt es bei dieser Arbeit kaum. Wer beim Roten Kreuz des Kreisverbandes Villingen-Schwenningen ein Freiwilliges soziales Jahr absolviert, der steht mitten drin im Leben: Anderen Menschen helfen in großer Vielfältigkeit, das vor allem ist das Erlebnis, das es an diesem Blaulicht-Arbeitsplatz gibt.
Viele junge Menschen kommen zum Roten Kreuz zunächst als Zwischenstation. Nach der Schule den richtigen Weg fürs Leben einschlagen, das ist eine besondere Herausforderung. Beratungsmöglichkeiten hierzu gibt es mannigfaltig: Weiterführende Schulen, Universitäten und Firmen stehen mit Rat und Tat parat.
Das Freiwillige Soziale Jahr bietet jedoch ein unverfälschtes Tatsachenerlebnis ab. Junge Menschen können dabei eine Arbeitswelt erleben, die gesellschaftlich relevant ist. Andererseits erleben sich FSJ-ler, wie Absolventen abgekürzt bezeichnet werden, auch noch etwas anderes. Nämlich sich selbst.
Wohlfahrtsverbände, Pflegeeinrichtungen, Kliniken bieten das Jahr im Helfer-Dienst an. Und das Rote Kreuz in Villingen-Schwenningen. 460 Euro pro Monat gibt es dafür. Beim Roten Kreuz bieten sich aber besondere Chancen. Wer nach den zwölf Monaten noch ein halbes Jahr draufsattelt, hat – erfolgreiches Wirken vorausgesetzt – einen Abschluss als Rettungssanitäter in der Tasche.
Beim Roten Kreuz beginnt die FSJ-Zeit mit vier Wochen Schule, erklärt Rettungsdienstleiter Ralf Hirt. Mitarbeit in einem Rettungswagen sowie Einsatzfahrten mit dem Krankenwagen schließen sich an. Und: Der Kreisverband Villingen-Schwenningen, der in einem Neubau zwischen Villingen und Schwenningen residiert, nutzt die Nähe zum benachbarten Klinikum. In der Pflegeabteilung und auch in der Anästhesie dürfen die Rot-Kreuz-FSJ-ler ebenfalls für mehrere Wochen mitwirken.
Felix Böhm steckt mitten drin im Freiwilligen sozialen Jahr. Der 18-Jährige aus Sankt Georgen wollte nach der Schule seine berufliche Orientierungszeit dazu nutzen, um „einfach etwas Gutes zu tun“ wie er erklärt. „Was mache ich bloß nach dem Abi?“ Das war auch bei ihm die zentrale Frage. Im August vergangenen Jahres startete er beim Roten Kreuz und heute sagt er, die Tätigkeit sei „besser als gedacht“. Weshalb? „Ich weiß, ich habe mit Menschen zu tun, die Hilfe brauchen.“
Franziska Reichmann ist Donaueschingerin. Die 19-Jährige hat „keine Sorge wegen Extremsituationen“, die im Rettungs-Dress auf Rot-Kreuz-Mitarbeiter im Einsatz öfters zukommen: „Ich fühle mich hier immer als Teil einer Lösung“, formuliert sie abgeklärt.
Einsätze mit Schwerstverletzten erleben die jungen Mitarbeiter nur selten. Manchmal sind es auch einfache Transportfahrten, die im Krankenwagen zu erledigen sind. Verwirrten oder gebrechlichen Menschen helfen, das ist jedoch sehr oft ihre Aufgabe. Die Herausforderung lauert dann aber im Detail. Sehe sie viele Familienfotos bei einer Seniorin in der Wohnung an der Wand hängen, dann komme durchaus schon einmal die Frage auf, wo die denn alle sind, umreißt sie eines der großen gesellschaftlichen Probleme dieser Zeit.
Professionelle Distanz sei meist die Lösung, um mit den Herausforderungen klarzukommen. Ruhe und planvolles Vorgehen sei ohnehin gefragt, wenn es zum Einsatz geht. Rasch sein im Handeln, sicher und ruhig sein in der Analyse – das sei das oberste Gebot bei dieser besonderen Arbeit, erklärt Peter Metzger, Geschäftsführer des Roten Kreuzes. „Arbeiten auf einem anderen Level“, so beschreibt der DRK-Verbandschef die spezielle Tätigkeit in den Blaulichtfahrzeugen. „Patienten Sicherheit geben“ präge durchaus auch für das eigene Leben, erklärt er. Die jungen Mitarbeiter werden in ihrem Freiwilligen sozialen Jahr einzelnen Rettungswachen zugeteilt. Dort ist ihr eigentlicher Arbeitsplatz.
Franziska Reichmann wie auch Felix Böhm sind auf Empfehlung von Freunden zum Roten Kreuz gegangen. Dies beantwortet auch teilweise die Frage, wie die Einrichtung zu ihren Mitarbeitern kommt. 17 FSJ-ler sind an der Albert-Schweitzer-Straße in Villingen aktuell tätig. Welche Voraussetzungen muss man mitbringen, um sich beim Roten Kreuz mit einem Freiwilligen sozialen Jahr zu orientieren? „Bewerber müssen im Alter zwischen 18 und 26 Jahren sein, müssen mindestens die Vollzeitschulpflicht erfüllt haben und über einen Führerschein der Klasse B verfügen“, formuliert Peter Metzger eine überraschende Antwort. Der Mensch steht hier im Mittelpunkt, das erklärt das Geschäftsfeld des Rettungsbetriebs rundum. Das gilt sowohl für die Menschen, denen geholfenen wird als auch für die Mitarbeiter, die ihre Empathie unter besonderen Voraussetzungen entwickeln können.
Neben der Chance, bei einer Weiterverpflichtung binnen sechs Monaten den Abschluss zum Rettungssanitäter erlangen zu können, gibt es weitere Entwicklungsmöglichkeiten im Hause: Die anspruchsvolle, dreieinhalbjährige Ausbildung zum Notfallsanitäter ist ein Berufsweg, den nicht wenige im Anschluss einschlagen. Weiterqualifizierungen sind auch für eine Tätigkeit in der Leitstelle oder beim fliegenden Personal im Rettungshubschrauber möglich. Grundsätzlich sei es so, dass viele Arbeitgeber es besonders honorierten, wenn junge Menschen ein solches Jahr nach der Schule absolviert hätten, erklärt Peter Metzger.
FSJ
Die Möglichkeit zu einem Freiwilligen Sozialen Jahr wird in Deutschland vor allem seit dem Wegfall des Wehrdienstes 2011. Vielfältige Aufgabenfelder, spannende Einblicke in das Berufsfeld Schule und ein Jahr zur persönlichen Orientierung werden geboten. Das Freiwillige Soziale Jahr und seine Vorläufer gibt es seit mehr als fünfzig Jahren. Unter dem Motto „Gib‘ ein Jahr“ wurde es 1954 vom Diakonischen Werk eingeführt. Auch die katholische Kirche rief zu karitativen Tätigkeiten auf. Im Gegensatz zu heute richtete sich dieser Appell jedoch ausschließlich an junge Frauen. Mittlerweile gibt es im FSJ vielfältige Einsatzmöglichkeiten, die auch von jungen Männern mit großer Begeisterung genutzt werden. Angeboten wird in Deutschland auch ein Freiwilliges Ökologisches Jahr. Wer nach dem FSJ studieren möchten, dem werden für zwölf Monate FSJ zwei Wartesemester angerechnet. Während der FSJ-Zeit gibt es außer der monatlichen Bezahlung auch einen geregelten Urlaubsanspruch. Das Jugendfreiwilligendienste-Gesetz regelt die Tätigkeit im Detail. (tri)