Wer beim Spektakulum vor zehn Jahren mit dabei war, hat heute beim gemütlichen Bummeln über den Villinger Weihnachtsmarkt vielleicht ein Déjà-vu-Erlebnis. Dann nämlich, wenn das mächtige Glockenspiel im Münster erklingt, das am Samstag vor dem Ersten Advent 2006 eingeweiht wurde. Es hat 115 000 Euro gekostet und wurde ausschließlich mit Spenden aus der Bevölkerung finanziert. Halb Villingen war auf den Beinen, als die 51 Glocken das erste Mal eine wohlklingende Botschaft in den Himmel schickten. "Es ist eines der größten Glockenspiele in Süddeutschland und eines der schönsten in ganz Deutschland", begeisterte sich der damalige oberste Geldsammler Ulrich Kolberg, als er jetzt unserer Zeitung zuliebe in den Südturm kletterte und das wundersame Instrumentarium näher vorstellte.
Die Idee zu dem kühnen Unterfangen hatte Hubert Waldkircher bereits im Jahr 1999, da Villingen seine tausendjährigen Stadt-, Markt- und Münzrechte bejubelte. Ein Glockenspiel wäre eine würdige Erinnerung an die uralte Glockengießer-Dynastie Grüninger, begründete er seine Initiative, die auf viel Sympathie stieß, doch auf keine finanzielle Resonanz. Weder die katholische Kirche noch die Stadt sahen Möglichkeiten der Bezuschussung, darum sollte das Geld komplett privat zusammengetragen werden.
Das Projekt geriet durch den Tod Hubert Waldkirchers im Jahr 2004 ins Stocken. Der damalige Dekan Kurt Müller hatte, wie der gesamte Kirchengemeinderat, längst Feuer für den Plan gefangen und war froh, mit Ulrich Kolberg einen erfahrenen Finanzorganisator gewinnen zu können. In dessen Regie war damals das wohl ehrgeizigste Spendenprojekt der Münsterpfarrei geglückt – die Rekonstruktion der Silbermannorgel in der Benediktinerkirche, ebenfalls ausschließlich mithilfe privater Spenden.
"Genau deshalb war ich skeptisch, weil die Menschen bereits so viel gegeben hatten, aber ich wollte es versuchen", rekapituliert Kolberg.
Das Ziel sollte in Rekordzeit erreicht werden. Die Menschen stifteten größere und kleine Beträge, übernahmen Patenschaften für die 47 neuen Glocken, die von der Passauer Glockengießerei Rudolf Perner gegossen wurden. Besonderheit am Villinger Glockenspiel ist, dass die schwingenden Glocken des Gottesdienstes ins auf vier Ebenen montierte Glockenspiel integriert wurden. Das Interesse der Bevölkerung war schon beim Einbau der neuen Glocken gewaltig. Die Paten bewunderten ihre Glocken, die sie mit einem Sinnspruch ihrer Wahl hatten schmücken dürfen, Groß und Klein staunten über die Präzisionsarbeit mit dem Kran, der Glocke um Glocke in die Höhe hievte – fast eine halbe Tonne wiegt die schwerste, zusammen bringen die 51 Glocken 3,5 Tonnen auf die Waage.
Unterhalb des Glockenspiels wurde die elektronische Schalttafel montiert, mit deren Hilfe an die hundert Melodien gespeichert werden können. Der damalige Münsterkantor Christian Schmitt hatte die Ehre, auf der Klaviatur die ersten Melodien einzuspielen. Kurt Kramer, der erzbischöfliche Glockeninspektor, war von der klanglichen Qualität hingerissen, als er seinen musikalischen Segen erteilte.
Das öffentliche Debüt des Glockenspiels am 2. Dezember 2006 geriet zum Volksfest. 2000 Menschen feierten das Doppelkonzert mit der Stadt- und Bürgerwehrmusik Villingen, die im Wechsel mit dem Glockenspiel Weihnachtslieder intonierte und sich mit dem Badener Lied einen Extra-Spaß erlaubte. Das erste Dezennium hat das Glockenspiel bravourös bewältigt und mit seinen jahreszeitlichen Wechselgesängen Einheimische und auswärtige Besucher berührt. Jetzt erfreut es die Passanten vier Mal am Tag mit adventlichen Waisen, die jeweils kurz nach 10, 12, 15 und 18 Uhr erklingen, wenn die Stundenschläge der Münsterglocken verklungen sind.
Führungen
Das Glockenspiel im Südturm des Villinger Münsters ist eine gewaltige Konstruktion, die Gruppen bei Führungen näher kennenlernen können. Maximal zehn Personen können sich dazu im Münsterpfarramt anmelden und einen Termin vereinbaren: Telefon 07721/88 63 60. Das Glockenspiel soll an die legendäre Glockengießerei Reble/Grüninger erinnern, die fast 375 Jahren in Villingen ansässig war. Sie hat beispielsweise im Jahr 1767 Geläute und Glockenspiel für die Benediktinerkirche gebaut; beides wurde Opfer der Säkularisation.