Um exakt 16.15 Uhr liest Oberbürgermeister Jürgen Roth in der Sitzung des Gemeinderats am Mittwoch von seinem Laptop eine zehnstellige Zahl ab. Ein Milliardenbetrag, der aufgelaufen ist, weil nicht oder nicht ausreichend in die Sanierung und Instandsetzung von Straßen, Kitas, Schulen und Kanälen in VS in den vergangenen Jahren investiert wurde.

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"Es war mir ein Bedürfnis, zu sagen, so sieht es aus", wird Roth am Ende seiner Präsentation sagen. Erst mal sagt er aber: "Es ist ein Riesenbetrag, der bildlich dargestellt werden muss".

Hinter ihm auf der siebten Folie der Power-Point-Präsentation steht sie dann auch. Schwarz auf weiß. Die Zahl 1.189.310.000 Euro. Ein bisschen erinnert das Bild an die Schuldenuhr Deutschlands. Die Zahl ist so groß, dass man sie kaum fassen kann.

"Ich bin überzeugt, dass wir das alle zusammen hinbekommen."
"Ich bin überzeugt, dass wir das alle zusammen hinbekommen." | Bild: Hans-Juergen Goetz

Das gelingt etwas leichter, wenn man versteht, wo die Beträge aufgelaufen sind. Wer jetzt eine lange Liste erwartet, muss enttäuscht werden, es reichen vier Punkte.

Erstens: Schulen. In deren Instandhaltung, Sanierung und Neubauten müssten knapp 61 Millionen Euro fließen. Zweitens: Kitas. Um 500 Plätze durch Erweiterungen zu schaffen, sowie bestehende Kitas instandzusetzen wären gut 54 Millionen Euro nötig. Auf Abwasserkanäle und Breitband entfallen 89 Millionen Euro. Der vierte und größte Brocken zum Schluss: Für die Sanierung des Straßennetzes der Doppelstadt (ohne Brücken) würden allein 985 Millionen Euro anfallen.

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Vielleicht liegt es an der unaufgeregten Art, in der Roth mit den Millionenbeträgen um sich wirft, dass am Ende die Nachricht bei den Stadträten gefasst aufgenommen wird. Von Empörung oder gar Unmut jedenfalls keine Spur. Vielleicht ist der ein oder andere in eine Schockstarre verfallen oder fühlt sich vielleicht auch nur in dem bestätigt, was er eh schon seit Jahren anmahnt. Wie dem auch sei. OB Roth klopft auf den Tisch und sagt: "Jetzt in eine Duldungsstarre zu verfallen ist der falsche Weg." Und: "Packen wir es an."

Jetzt gehe es erst einmal darum, "Wege zu finden, die schlimmsten Dinge zuerst machen zu können". Dafür muss erst priorisiert und dann analysiert werden. "Ich bin überzeugt, dass wir das alle zusammen hinbekommen." Es wird, soviel sei vorweggesagt, ein langer Weg werden. Das weiß auch der OB. "Eine zehnstellige Summe", sagt er, "kann nicht in fünf Jahren abgearbeitet werden". Planung und Disziplin seien jetzt die Schlagworte der Stunde – vermutlich auch der nächsten Jahrzehnte.

Denn auch wenn die Zahl groß ist – am Ende ist sie immer noch nicht groß genug. Denn nicht enthalten in den knapp 1,2 Milliarden Euro sind anstehende Großprojekte wie die Zentralisierung der Verwaltung auf dem Mangin-Gelände, der Neubau der Feuerwehhäuser in Villingen und Weilersbach, die Sanierung des Theaters am Ring oder das geplante Museums-Quartier auf dem Bürk-Areal.

Der Gemeinderat tagt im Münsterzentrum.
Der Gemeinderat tagt im Münsterzentrum. | Bild: Hans-Juergen Goetz

Das ist jetzt geplant

Ein OB wäre kein guter OB, würde er nicht nach solch einer Hiobs-Botschaft auch gleich mit konkreten Lösungsansätzen um die Ecke kommen. Das sind in diesem Fall einige Punkte, die es in sich haben. Jährlich sollen neben den Millionenbeträgen, die in den Unterhalt von Straßen (fünf Millionen Euro), Schulen und Kindergärten (zwei Millionen), Breitband und Stadtentwässerung (je fünf Millionen) fließen, noch zusätzliche Mittel bereit gestellt werden.

Denn die genannten Beträge dienen lediglich dem Abarbeiten dessen, was ansteht, nicht dem Aufarbeiten des Rückstaus. So sollen künftig drei bis fünf Millionen zusätzlich in Straßen und zwei Millionen in Kitas investiert werden. Jedes Jahr soll so ein "fester Anteilsbetrag" investiert werden, um den Rückstau abzuarbeiten. Außerdem sollen Kanalarbeiten künftig immer mit Straßensanierungen und Breitband koordiniert werden. Der Haushalt muss verbessert und möglicherweise Gebühren und Beiträge erhoben werden.

"All das ist nicht sofort machbar", sagt Roth. Aber: "Eine zielgerichtete Planung und konkrete, Maßnahmenumsetzung nach Prioritäten führt zum Erfolg." Ein solcher Prioritätenkatalog soll durch den Gemeinderat beschlossen werden und bei der Umsetzung soll die Verwaltung dann größtmögliche Freiheiten bekommen.

Im Mai soll zudem ein Nachtragshaushalt eingebracht werden – ein Stück Papier, das wohl, ein wenig überspitzt formuliert, Makulatur macht aus dem, was Alt-OB Kubon und der Gemeinderat im vergangenen Jahr noch erarbeitet haben. Im September soll dann der Gemeinderat eine endgültige Strategie beschließen – dafür ist eine eigene Klausursitzung geplant. Fest steht jetzt schon: Erhaltungs- und Instandsetzungsmaßnahmen haben, so will es der OB, erste Priorität.

Und da ein OB kein guter OB wäre, würde er nicht positiv nach vorne schauen, sagt er nach der Präsentation der Zahlen noch ganz in der Manier großer Staatsmänner: "Wir kriegen das hin." Und fügt für den letzten Zweifler schnell noch ein "ganz sicher" hintendran.

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