Es gibt zwei Szenarien, die die Bäckereifachverkäuferinnen Kathrin Stephani und Christa Weißhaar aus ihrem Verkaufsraum in der Kutmühle auf dem Münsterplatz immer wieder beobachten: Bräute, die mit ihren Stöckelschuhen ins Schlingern geraten und ältere Frauen, die ihren Rollator schieben, als hätten sie eine fünfprozentige Steigung zu bewältigen. "Obwohl es sicherlich schön aussieht", sagt Weißhaar, gleichen die Pflastersteine auf dem Münsterplatz doch seit Jahren mehr einer Stolperpiste als einer Flaniermeile. Inzwischen wird von der Stadt bereits das Parken auf dem Münsterplatz toleriert, da manche ältere Menschen nur noch so zum Gottesdienst kommen können.

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An der Stelle kommt Daniel May ins Spiel. Er lehnt am Donnerstagmorgen an einem weißen Baustellenzaun an der Kanzleigasse und beobachtet, wie auf einer Fläche von 25 Quadratmetern ein neuer Bodenbelag für den Münsterplatz entsteht. May, Bauleiter der Firma Korodur, soll im Auftrag der Stadt die Pflastersteine so sanieren, dass der Boden künftig eben ist, aber das Altstadtbild nicht verschwindet. Die Fläche an der Kanzleigasse ist eine sogenannte Musterfläche. Hier wird nun mit dem Hochdruckreiniger der Dreck aus den Fugen geblasen und anschließend ein spezielles Mörtelgemisch in die Fugen eingefüllt. Eine Stunde dauert es, bis die Fläche wieder befahrbar ist. Anschließend wird sie abgefräst. Mit Augenmaß. "Die Pflastersteine werden nicht komplett abgeschliffen", sagt Andreas Thomma, bei den Technischen Diensten der Stadt für den Straßenbau zuständig, "nur die Erhöhungen."

Und davon gibt es viele. Ein Teil der mehrere hundert Jahre alten Steine, sagt Daniel May, wurde nach dem Krieg erneuert. In den 80er-Jahren wurden die Steine einmal neu verlegt. Wenngleich ein wenig schief. "Jeder Stein liegt anders", sagt May.

Wann der gesamte Platz saniert werden soll, ist noch offen. "Das müssen die Gremien entscheiden", sagt Thomma. Auch einen Kostenplan gibt es noch nicht. Die Musterfläche dient auch dazu, festzustellen, wie viel Material und Arbeitszeit sie benötigen, um das anschließend auf den gesamten Platz hochzurechnen. Zuletzt haben May und seine Mitarbeiter in Weiden in der Oberpfalz und in Lenningen im Landkreis Esslingen auf gleiche Art und Weise einen Teil der Innenstadt erneuert. "Wenn das Ganze routiniert abläuft", sagt May, "wird morgens verfugt und abends können Sie schon wieder mit Stöckelschuhen drüber laufen".

R. Kammerer (84) kommt am Donnerstagvormittag mit dem Fahrrad zum Gottesdienst. Wie immer. "Es ruckelt schon ein bisschen", sagt er. Er hat sich daran gewöhnt. Dass der Münsterplatz nun eben gemacht werden soll, findet er richtig. "Vor allem für die, die am Stock laufen, ist es nicht gut." Aber auch ohne Stock können die Steine tückisch sein. Die Schuhe von Monika Brucker sind bereits mehrfach Opfer des Pflasterbelags geworden. "Mir sind schon Sandalen an der Sohle eingerissen und von Ballerinas die Spitze abgerissen."

Neben Kathrin Stephani und Christa Weißhaar von der Kutmühle gibt es noch einen, der das Geschehen auf dem Münsterplatz beinahe täglich im Blick hat: Mesner Andreas Turner. "Ich bin auch schon gegen losgetretene und wackelnde Steine gestoßen." Dass die Steine für viele ältere Menschen mitunter eine Herausforderung sind, wundert ihn nicht. "Andererseits", sagt Turner, "sind viele alte Villinger auch schon von Anfang an daran gewöhnt". Er lacht kurz, dann sagt er: "Ich bin im Winter am Rutschen und manche alten Leute setzen über die gefrorenen Steine wie Bergziegen."