Sämtliche Friedensgespräche sind gescheitert. Es geht um ein Sanierungsprojekt in der Nähe des Villinger Bahnofs. An dieser prominenten Stelle steht derzeit ein alter, heruntergekommener Imbiss, früher als Brigach-Kiosk stadtbekannt. Das Gebäude gehört einem Kleinunternehmer mit kurdischen Wurzelen, Zeynal Agir. Er wollte es neu herausputzen und mit einem Glasanbau versehen. Doch die Stadtverwaltung zieht nicht mit (wir berichteten mehrfach). Nun hat sie selbst „rechtliche Schritte“ eingeleitet und wird gegen Agir vorgehen, erklärt auf Nachfrage die Sprecherin der Stadtverwaltung, Oxana Brunner. Der Mann soll das Gebäude so schnell wie möglich abreißen lassen.
Zuvor hatte es in den Ferien noch eine Unterredung zwischen Agirs juristischem Beistand, dem früheren Villinger Anwalt Rudi Erdel, sowie Oberbürgermeister Jürgen Roth gegeben. Die Stadt blieb dabei bei ihrer Linie, dass dort, wo aktuell der geschlossene Kiosk steht, künftig eine Grünfläche entstehen soll. Der Kleinunternehmer steht damit buchstäblich vor den Scherben seiner Existenz. Er sei dazu verpflichtet, das Gelände „lastenfrei“ zu übergeben, erläutert Brunner. Das liegt an der ungewöhnlichen Vertragskonstruktion: Grund und Boden gehören der Stadt, der darauf stehende Bau dem Geschäftsmann.

Agir hatte dann noch versucht, sich im Gemeinderat Gehör zu verschaffen. Er meldete sich aber nicht zur Bürgerfragestunde, daher wurde ihm ein Rederecht verwehrt. Oberbürgermeister Jürgen Roth habe ihm mitgeteilt, dass das „Kapitel geschlossen ist“ und er nach vorne schauen soll. Die Stadtverwaltung selbst will nun dem Beschluss des Gemeinderats umsetzen, an dieser Stelle eine Grünfläche zu schaffen. Der Pächter habe einen auf 15 Jahre befristeten Pachtvertrag abgeschlossen, der am 31. Dezember 2018 ausgelaufen sei und nicht verlängert wurde. Ohnehin sei ihm bereits eine Frist von knapp zehn Monaten eingeräumt worden, erklärt Brunner die harte Linie.
Agir selbst versteht die Welt nicht mehr. Nach eigenen Angaben steht er vor dem finanziellen Ruin. Er hätte den Brigachkiosk 2003 nie gekauft, wenn ihm eine Verlängerung des Pachtvertrags nicht in Aussicht gestellt worden wäre. Ein Abriss würde ihm zwischen 70- und 100 000 Euro kosten, da der Bau unterkellert ist. Das Geld habe er nicht. Nun wird es auch von seiner Seite zu einer Klage gegen die Stadt kommen. Das Mandat habe eine Freiburger Anwältin übernommen. Der Jurist Rudi Erdel, der Agir durch eine langjährige Freundschaft verbunden ist, wird die Klageschrift vorbereiten. Erdel sieht nach einem Gespräch gute Chancen darin, den Prozess, der nun unweigerlich bevorsteht, zu gewinnen.
Verweis auf Bundesgerichtshof
Seine Zuversicht zieht Erdel daraus, dass der Bundesgerichtshof bereits 1970 festgestellt habe, dass Behörden ihre Zusagen einhalten müssen. Der Jurist geht davon aus, dass die Stadtverwaltung eine gegeben habe, als sie einen notariellen Vertrag aufsetzte und Agir anbot. Der wurde letztendlich nicht unterschrieben, weil der Unternehmer noch einen Finanzierungsnachweis hätte erbringen müssen. Dem hätten ihm eine Bank aber nur gegeben, wenn er den unterschriebenen Vertrag oder eine Baugenehmigung hätte vorweisen können. Zudem hatte Agir auf Wunsch der Stadtverwaltung einmal umgeplant. Ursprünglich sei ein Neubau vorgesehen gewesen, nun will er einen Glasanbau errichten und den Kiosk sanieren lassen. Ob es dazu kommt, steht in den Sternen: Möglicherweise hätten sich Nachbarn in der Brigachstraße gegen das Vorhaben gewandt, mutmaßt Erdel. Vorgesehen war ein Erbbaupachtvertrag über 50 Jahre, Agir hatte bereits einen Pächter gewonnen, der natürlich nur eingestiegen wäre, wenn sich Stadt und Agir geeinigt hätten.
Politische Mittel ausgeschöpft
Die politischen Möglichkeiten seien ausgeschöpft, berichtet die Grüne-Stadträtin Elif Cangür. Viel sei versucht worden, doch der Vertrag endete nun einmal Ende vergangenen Jahres.