Die Zeit der Pilzsammler ist gekommen. Im Spätsommer und im bevorstehenden Herbst sprießen besonders viele Pilzarten aus dem Boden. Dann streifen zahlreiche Sammler durch den VS-Wald und suchen mit gesenktem Kopf den Waldboden nach essbaren Exemplaren ab. Das Hobby in freier Natur wird immer beliebter. Doch es birgt auch Risiken. Drei bis vier mal pro Jahr wird Pilzsachverständiger Hans Stern vom Schwarzwald-Baar Klinikum wegen einer Pilzvergiftung zu Rate gezogen. Der SÜDKURIER hat sich mit dem Experten im Germanswald umgesehen, welches Angebot die Natur den Pilzliebhabern in diesem Jahr bereithält.
Pilzjahr: „Es ist viel zu trocken“, sagt Stern, während er mit suchendem Blick den Waldboden inspiziert. In der Hand hält er einen kleinen Holzkorb, in dem eine Hand voll kleinerer Pilze liegen. So viele essbare Exemplare konnte er während einer guten Stunde Waldspaziergang finden und sicher bestimmen. Nur ein Pilz hat er aus Neugier mitgenommen. Den möchte er zuhause mit Mikroskop und anhand anderer Merkmale genauer bestimmen. Leckere Steinpilze liegen nicht darin.
„2018 gab es hier eine regelrechte Steinpilz-Schwemme“, so der 78-Jährige. „Steinpilze legen nach so einem Jahr meist eine Art Ruhepause ein“, weiß er aus seiner 40-Jahre langen Erfahrung. So lange beschäftigt er sich schon mit dem Thema. Erst in drei bis vier Jahren sei wieder mit einem guten Steinpilzjahr zu rechnen. Die Trockenheit in diesem Jahr macht nicht nur den Steinpilzen zu schaffen. Viele Arten wachsen dadurch langsamer und sind anfälliger gegen Fliegenlarven, die sich gerne in den Stielen und Fruchtkörpern einnisten.

Viele Pilze bleiben daher eher kleiner und sehen nicht so schön aus. „Abgesehen von kurzen Schauern gab es hier kaum längere Niederschlagsphasen“, erinnert er sich. Nicht weit entfernt im Nordschwarzwald sähe es viel besser aus.
Leckere Funde: Trotz allem kann man im Germanswald immer noch eine Fülle von Pilzen entdecken. Einige sind gefährlich giftig und nicht essbar. Während dem Rundgang landeten jedoch auch zahlreiche Leckerbissen im Körbchen, wie der Stacheling, die Ziegellippe, Bovisten, der flockenstielige Hexen-Röhrling, junge Tintlinge oder der Tannen-Blutreizker.

Laut Stern sollen im Germanswald auch Pfifferlinge und Morcheln gedeihen, obwohl die eher kalkhaltige Böden lieben. Weil die Waldwege frühern mit Kalkschotter angelegt wurden, finden diese Arten dennoch ihre Nischen.
Klimawandel: Ohne Pilze gäbe es vermutlich keinen Wald. Sie leisten einen wichtigen Teil bei der Zersetzung von Holz und anderen Pflanzenzeilen, machen Nährstoffe für Pflanzen, Bakterien und anderen Lebewesen verwertbar.
Nicht selten leben Pilze und Bäume in einer Art Symbiose und profitieren gegenseitig voneinander. Manche Pilze benötigen Tannen, andere Fichten, wieder andere bevorzugen Laubbäume. Stern hat beobachtet, dass im Kurgebiet seit einigen Jahren ein in in Amerika heimischer Pilz gedeiht, nachdem hier viele Roteichen entlang der Straße gepflanzt wurden. Demnach ist es nur logisch, dass wenn sich der Schwarzwald in Folge des Klimawandels verändern wird – mehr Mischwald, weniger Fichten und Tannen – dass sich dann auch andere Pilze ansiedeln werden. Vor 14 Jahren hat Stern erstmals einen Satanspilz beim Schwenninger Messegelände entdeckt. Dieser kommt sonst nur in wärmeren Gefilden vor, zum Beispiel am Bodensee. Mittlerweile soll er überall im VS-Wald gedeihen.
Tipps für Anfänger: Am einfachsten und am sichersten für angehende Pilzesammler ist es, sich erst einmal Rat und Hilfe bei erfahrenen Pilzexperten einzuholen, oder besser gemeinsam auf Suche zu gehen. Am Anfang sollte man sich zudem auf einfach zu bestimmende Arten beschränken. Ein gutes Bestimmungsbuch kann dabei hilfreich sein. Im Zweifel gilt es Pilze lieber stehen zu lassen, oder die Funde von einem DGfM-Pilzsachverständigen begutachten zu lassen.

Die Kontaktadressen der für die Region zuständigen Ehrenamtlichen gibt es auf der Internetseite. Gut zu wissen ist auch, dass viel Röhrenpilze ungiftig sind. Sie haben unter dem Hut keine Lamellen, sondern kleine Löcher. Es gibt aber auch hier einige giftige und ungenießbare Exemplare. Jeder Sammler darf pro Tag ein Kilogramm Pilze für den Eigenverbrauch mit nach Hause nehmen. „Nicht anderen Pilzsammlern im Wald blind vertrauen“, rät Stern. Auch die Nutzung von Bestimmungs-Programmen für das Smartphone seien mit Vorsicht zu genießen. Eine Bestimmung lediglich auf Grundlage eines Fotos sei wegen der vielen Ähnlichkeiten und der Artenvielfalt kaum möglich und daher nicht sicher.
Pilzbestimmung: Rund 2000 Blätterpilze und 30 Röhrenpilze kommen hierzulande vor. Europaweit sind es etwa 6000 hohe Pilzsorten. Hans Stern kartiert seine Funde aus mehreren VS-Waldgebieten für die Datenbank der Deutschen Gesellschaft für Mykologie (DGfM). Wichtige Merkmale zur Bestimmung sind zum Beispiel Stiel, Hut, Lamellen, Form, Farbe und Geruch. Auch Verfärbungen durch Sauerstoff und Verletzungen sind Indizien. Oft kann eine exakte Bestimmung erst im Labor und mit einem Mikroskop erfolgen.
Irrtümer: Über Jahrzehnte hinweg haben sich viele Mythen und Irrtümer rund um das Thema Pilze in den Köpfen der Menschen festgesetzt, wie zum Beispiel, dass man Pilze nicht anfassen sollte, um sich nicht zu vergiften. „Aber Pilze haben gar keine Kontaktgifte“, gibt Stern Entwarnung. Lediglich der Verzehr von giftigen Exemplaren sei problematisch. Auch dass man alle Giftpilze abtrennen und zerstören sollte, damit sie den Speisepilzen nicht die Nährstoffe streitig machen, sei ein Hirngespinst. Für die Natur sind alle Arten wichtig. Außerdem beeinflusse man das unterirdische Geflecht der Pilze mit dem Abtrennen der Fruchtkörper kaum. Der Rat, einen Silberlöffel oder eine rohe Zwiebel zusammen mit den Pilzen zu kochen, um so mögliche Giftstoffe zu eliminieren, sei ebenso ein Aberglaube.
Lieblingrezept: Stern liebt Morcheln. Alternativ mag er auch Geschnetzeltes mit Pilzen sowie den Tannen Blutreizker. Der Pilz wird dabei ohne Stiel von beiden Seiten in Butterfett angebraten und dezent mit Salz und Pfeffer gewürzt.
Informationen
Viele weitere Informationen zum Sammeln von Wildpilzen, den Gefahren, den einzelnen Arten sowie die große Pilzkartierungsdatenbank finden Sie auf der Internetseite der Deutschen Gesellschaft für Mykologie: www.dgfm-ev.de