Erinnern Sie sich noch, als zu Beginn der Pandemie die Supermarktregale bei Mehl und Hefe stets leer gefegt waren? Und als es beim erneuten Mini-Lockdown wieder Anzeichen auf eine erhöhte Nachfrage gab? Das war keinesfalls nur ein gefühlter Eindruck. Wie das Statistische Bundesamt mitteilt, schnellten damals die wöchentlichen Absatzzahlen von Mehl (plus 100 bis 200 Prozent) und Hefe (plus 50 bis 130 Prozent) während der ersten drei Wochen der Pandemie in die Höhe. Vor einigen Tagen ein ähnliches Bild: Mit steigenden Infektionszahlen im Oktober zog die Nachfrage nach diesen Produkten erneut deutlich an. Laut Statistik stieg der Absatz von Mehl in der 42. Kalenderwoche um 28,4 Prozent, der von Hefe um mehr als ein Drittel.
Gängige Probleme
Wenn die Deutschen so viel Backzutaten kaufen, wurde mehr gebacken in den Haushalten, auch in der Doppelstadt. Denn vor allem Hefe ist nur begrenzt haltbar. Viele Neueinsteiger in das Hobby werden es dabei am einen Leib erfahren haben: Das selbst gebackene Brot wird einfach nicht so, wie man es aus den Bäckereien gewohnt ist. Mal zerbröselt es beim Schneiden, mal ist es zu trocken, mal die Kruste zu hart. Oder dem Brot fehlt es an Geschmack. Zu viel Salz kann den Back-Spaß auch ganz schnell verderben. Und das alles, obwohl man sich penibel an das Rezept gehalten hatte. Aber warum ist das eigentlich so? Verwenden Bäckereien etwa Geheimzutaten? Was machen sie anders? Wir haben Bäckermeister Adolf Heller aus Villingen gefragt, welche Stellschrauben wichtig sind, um am Ende ein schmackhaftes Brot genießen zu können.

Geduld ist gefragt
Heller, der seit 45 Jahren im Beruf arbeitet, nennt den Faktor Zeit als entscheidendes Kriterium für gute Brote. Von den meisten Internet-Rezepten, die erfolgreiche Ergebnisse binnen weniger Stunden versprechen, hält er wenig. Der Teig habe kaum Zeit zu quellen und zu reifen, was letztlich entscheidend für Geschmack und Aroma sei. In manchen Rezepten kommt gar Backpulver als Triebmittel zum Einsatz. Heller erklärt es mit einem Blick zurück in die lange Geschichte des Brotbackens: „Früher haben Bauern am Abend nach der Arbeit den Teig angesetzt.“ Am darauffolgenden Morgen sei der Ofen von der Bäuerin angeheizt worden und die Laibe wurden geformt. „Während dem Melken konnten die Laibe noch einmal gehen. Während dem Frühstück wurden die Brote gebacken.“ Das Back-Handwerk war Teil des täglichen Lebens. So macht es Heller heute wieder. Er ist abgekommen von schnellen Prozessen und Turbo-Backmischungen. Jeden Morgen ab vier Uhr backt er in seiner kleinen Villinger Backstube seine frischen Brote und setzt parallel den Teig für den kommenden Tag an.
Kühlung ist wichtig
Dieser wird dann mit Eiswasser oder im Kühlschrank gekühlt und gelagert, was den Gärprozess der Hefe verzögert. „Während dieser Ruhephase entstehen Geschmack und Aroma im Teig“, so Heller. Außerdem könne das Mehl so besser quellen und sich verbinden, was am Ende eine bessere Konsistenz des fertigen Brotes ergebe. Nicht zuletzt sei es dann bekömmlicher. Leckere Brote benötigen also viel Zeit. Zeit, die vielen Menschen heutzutage fehle, ist sich Heller sicher. Traditionelle Rezepte passen kaum noch in den modernen Tagesablauf, so wie früher. Auch viele Bäckereien würden sich diese Zeit kaum noch nehmen.
Weniger ist mehr
Ein weiterer Fehler, den seiner Meinung nach viele Hobby-Bäcker machen, ist, dass zu viel Hefe verwendet wird. Viele Rezepte würden einen Würfel Frischhefe (42 Gramm) für ein Kilogramm Mehl empfehlen. Das entspricht einem Gewichtsanteil von rund vier Prozent. Heller verwendet nur ein Prozent. Seine Spezialität ist das Mostbrot. Ein Teil des Rezeptes ist, wie der Name bereits verrät, handelsüblicher Apfelmost. „Die Säure und der Zucker verleihen dem Brot seinen besonderen Geschmack“, verrät der 62-Jährige. Alternativ könne man zum Beispiel auch Buttermilch hinzufügen.
Das richtige Mehl
Viele Menschen greifen im Supermarkt zum Standard-Weizenmehl, Typ 405. „Für Brot ist das allerdings viel zu hell“, so Heller, in dessen Backstube dieser Mehltyp lediglich bei süßem Gebäck zum Einsatz kommt. Für Brötchen nimmt er Weizenmehl Typ 550, für Brot meist Dinkelmehl Typ 630. „Der Mehltyp hat nichts mit dem Mahlgrad des Mehls zu tun“, erklärt der Bäcker. Er stehe vielmehr für den Aschegehalt des Mehls in Milligramm bezogen auf 100 Gramm Mehl. Wird 100 Gramm 405er-Mehl verbrannt, bleiben 405 Milligramm Asche übrig, was dem Mineralstoffgehalt entspricht.

Körner, Schrot und Pudding
Wer seinem Brot Vollkornmehl, Schrot oder ganze Körner beimengen will, hat folgende Möglichkeiten: Um die Wasseraufnahme des Teiges und somit die Frischhaltung der Brote zu verbessern, sollten diese Zutaten vor der Verwendung in Wasser quellen oder mit heißem Wasser abgebrüht werden. Die Quell-, Brüh- und Kochstücke sollten jedoch immer nur ein Teil des Gesamtteiges ausmachen.
Mehl selber mahlen
Ein Trend beim Back-Hobby geht in die Richtung, sein Mehl selbst zu mahlen. Der Bäckermeister ist davon kein großer Fan. „Das Mehl sollte nach dem Mahlen sechs Wochen gelagert werden, bis es backfähig ist“, begründet er seine Meinung. Der Handel biete viele gute Mehlsorten an, da würde sich die Investition in eine Mühle kaum lohnen. Ähnlich sei das mit speziellen Brotbacköfen, die schnell um die 3000 Euro kosten. „Für so viel Geld kann ich mir viele leckere Brote kaufen.“ Hinzu kommt beim Selbermahlen, dass immer der Keimling im Inneren der Körner mit gemahlen wird. Dieser enthält Fettsäuren, die später mit Sauerstoff oxidieren und das Mehl ranzig werden lassen. Solches Mehl ist nur sechs bis acht Wochen lagerfähig.
Tipps für zuhause
Wie würde Heller zum Beispiel im Urlaub ein Brot backen, wenn kein Bäcker erreichbar wäre? „Ich würde in den Supermarkt fahren und Dinkelmehl Typ 630 kaufen und mit Salz, wenig Hefe und Wasser einen Teig ansetzten. Einen Teil des Wassers könnte man mit Buttermilch ersetzten. Über Nacht im Kühlschrank lagern. Am nächsten Tag den Teig rauslegen und dann backen. Wenn vorhanden würde ich eine Art Pizzaplatte verwenden.“ Darauf könne man etwas Wasser gießen, wodurch Dampf entstehe, was dem Backprozess noch einmal einen Schub gebe. „Oder ein feuchtes Backpapier über das Brot legen“, so Heller.
Zur Person
Adolf Heller ist 62 Jahre alt und seit 45 Jahren Bäckermeister. Ursprünglich kommt er aus Nürtingen, wo er den elterlichen Tante-Emma-Laden sowie die zugehörige Bäckerei übernahm. Später kamen weitere Bäckerei-Filialen hinzu. Vor vier Jahren zog es ihn zusammen mit seiner Frau nach Villingen, um nahe bei ihrem Sohn und den drei Enkelkindern zu wohnen. Hier betreibt er seither seine kleine Backstube in der Business Boxx in der Wilhelm-Binder-Straße, wo er wenige Sorten Brot, Kleingebäck sowie Süßes und Snacks anbietet. Sein Ziel war es, mit dem Geschäft etwas kürzer zu treten. Doch seine Produkte kommen so gut an, dass häufig bereits um 14 Uhr alle Regale leergekauft sind und Heller sein Angebot noch ausweiten könnte. Für ihn ist wichtig, dass alle Produkte handgemacht sind. Backmischungen sind tabu und als Zutaten kommen gerne Dinkel- sowie andere Urkornprodukte zum Einsatz.
Machen Sie mit!
Welche Missgeschicke beim Backen sind Ihnen schon passiert? Haben Sie Back-Tipps, die Sie anderen Lesern empfehlen können? Haben Sie vielleicht sogar ein besonders leckeres Lieblingsrezept parat? Dann schreiben Sie uns per Email an villingen.online@suedkurier.de. Ihre eingesendeten Rezepte veröffentlichen wir gerne auf unserer Internetseite. Bei anderen Mitteilungen zum Thema halten wir gerne noch einmal Rücksprache.