Die zurückliegenden Tage und Wochen wird Susanne Sand-Otto wohl nicht mehr so schnell vergessen. Nach einem positiven Corona-Test einer Mitschülerin ihrer Tochter Tamara setzte sich für die gesamte Familie ein Teufelskreis in Gang mit einem PCR- und Schnelltest-Marathon, mit einer Quarantäne-Anordnung und mit einem Behördenwirrwarr (wir berichteten).
Als Kontaktperson wurde Tamara am 19. Juni in Quarantäne geschickt. Nach einem freiwilligen PCR-Test, der über das Abstrichzentrum unter fragwürdigen Abstrich-Bedingungen als positiv ermittelt wurde, sollte sich die Quarantäne trotz seriösem zweiten negativen PCR-Test um weitere 14 Tage verlängern – nun für die ganze Familie.
Seit Samstag ist der Krimi nun zu Ende, die Familie darf sich wieder frei bewegen. „Die beiden Mädchen sind nach der erlösenden Nachricht sofort raus aus der Wohnung und mit dem Auto an den See gefahren“, erzählt die Mutter. Sie und ihr Mann haben die wiedererlangte Freiheit bei einem Frühstück im Außenbereich eines Cafés genossen.

Streife besucht Gesundheitsamt
So ganz verdaut hat die Familie ihre Erlebnisse bis heute aber immer noch nicht. Zu aufregend und ärgerlich war die Zeit. Und auch des Krimis letzter Akt am Wochenende war spannender als erhofft. „Unsere Ansprechpartnerin beim Gesundheitsamt teilte uns mit, dass der zweite PCR-Laborbefund, den wir über das zuverlässige Labor unserer Hausärztin abgewickelt hatten, am Freitagabend oder am Samstagmorgen zu erwarten ist“, erinnert sich die Mutter. „Wir hatten die Zusage, dass wir nach Übersendung des negativen Testergebnisses kurzfristig die Bestätigung über die Beendigung der Quarantäne erhalten. Hierfür wurde uns die direkte Email-Adresse mitgeteilt und die Zusage, dass unsere Nachricht auch am Wochenende gelesen wird.“
Noch am Freitagabend haben hatte die Familie das Testergebnis vom Labor in Ravensburg, an die genannte Email-Adresse geschickt sowie an eine zentrale Email-Adresse des Gesundheitsamtes. Als am Samstag gegen 8 Uhr noch immer keine Rückmeldung vom Amt vorlag, habe man alle bekannten Durchwahlen im Amt abtelefoniert – ohne Erfolg. Überall meldete sich nur der Bürger-Hotline-Anrufbeantworter. „Wir waren wütend erneut handlungsunfähig zu sein. Ein Gefühl der Ohnmacht“, beschreibt Sand-Otto die Situation. Die Familie sah ihre Grundrechte eingeschränkt. „Wir saßen echt auf Kohlen und waren beunruhigt, da wir niemanden erreichen konnten.“
Schließlich wählte Jürgen Otto die Nummer vom Polizeirevier in Schwenningen und schilderte den Beamten den Sachverhalt. „Die Polizisten hatten Verständnis für unsere Situation. Eine Streife ist dann zum Gesundheitsamt gefahren und hat nachgefragt.“ Die Antwort lautete, dass eingegangene Emails erst ab 10 Uhr bearbeitet werden. Nachdem die Polizei diese Nachricht der Familie überbracht hatte, klingelte um 10.30 Uhr tatsächlich das Telefon. Am anderen Ende der Leitung meldete sich eine Mitarbeiterin aus dem Gesundheitsamt mit der frohen Botschaft, dass die Quarantäne nun beendet sei. Auch habe die Frau versichert, dass die Ortspolizei über die Entscheidung informiert wurde.
Was hängen bleibt
„Ich habe Respekt vor der Arbeit der Mitarbeiter im Gesundheitsamt und ich freue mich, dass uns das Amt diese Ausnahme ermöglicht hat „, sagt Sand-Otto im Gespräch mit dem SÜDKURIER. Aber dass alles so kompliziert und mit großem Zeitaufwand abgelaufen war, und dass ein PCR-Test vom Hausarzt letztlich kein Gewicht hatte, das ärgert sie bis heute. „Erst der zweite negative Test wurde gewichtet. Ich würde den Weg über Hausarzt, Amt und vertrauenswürdigem Labor genauso wieder gehen – keinesfalls über ein Abstrichzentrum. Daher auch mein ausdrücklicher Dank an die Mitarbeiter des Labors in Ravensburg, die uns nach einem Telefonat mit Priorität behandelt haben.“
Man müsse jetzt die Dinge hinterfragen und überdenken, da ist sie sich sicher. Angesichts niedriger Infektionszahlen und steigender Impfquote sei ein Vorgehen wie bisher, das sich einzig und alleine von der Sieben-Tage-Inzidenz ableite, nicht mehr zeitgemäß. „Man hat viele Erfahrungen sammeln können“, sagt sie und regt an, die Corona-Maßnahmen künftig besser an einer Art Hospitalisierungs-Quote auszurichten als an Inzidenzwerten.
Maßnahmen überarbeiten
Vorsicht zu sein, sei wichtig bei einem solch gefährlichen Virus. Aber man müsse auch bei Verstand bleiben und keine Panik verbreiten, wenn es um Schutzmaßnahmen und Regeln gehe. Ihr eigener Impftermin rückt derweil immer näher. Auch befürwortet sie das Maskentragen und die gängigen AHA-Regeln ausdrücklich. Wo ihr Verständnis aber aufhört, sind beispielsweise Strafen von bis zu 25.000 Euro für das Nichteinhalten von Quarantäne-Regeln. Das Verhältnis stimme einfach nicht mehr. „Was mache ich zum Beispiel, wenn unser Hund Gassi gehen muss und ich am Freitagabend keine Unterstützung mehr bekomme“, fragt sie sich. In der freien Natur und mit Abstand könne man kaum jemanden infizieren. Andererseits seien bei der Fußball-Europameisterschaft in einem deutschen Stadion wieder mehrere Tausend Zuschauer erlaubt. Auch Cafés seien wieder gut besucht und der Testbetrieb in Diskotheken werde erprobt.
„Ich wünsche mir daher, dass die Maßnahmen nach logischen und nachvollziehbaren Kriterien überarbeitet werden und dass Gesundheitsämter in Zukunft häufiger wohlwollend von ihrem Recht Gebrauch machen, den vom RKI eingeräumten Ermessensspielraum zu nutzen.“ Und ganz besonders wichtig ist ihr, dass Kinder nie wieder so massiv isoliert werden, wie es in den Lockdowns geschehen sei.