Die Aussicht, im künftigen Wohn- und Verwaltungsquartier „Oberer Brühl„, dem ehemaligen Kasernengelände Mangin in Villingen, ein zukunftsweisendes Energie- und Mobilitätskonzept zu entwickelt, löste bei meisten Stadträten im Technischen Ausschuss viel Begeisterung und Zustimmung aus. Einige sprachen von einem „Leuchtturmprojekt“. Skepsis war aus der CDU-Fraktion beim vorgeschlagenen Mobilitätskonzept vernehmbar, das mit relativ wenig Parkplätzen für die künftigen Bewohner des Viertels auskommen will.

Tiefe Bohrungen

Herzstück des von Fachleuten konzipierten Energiekonzeptes für das neue Quartier, in dem rund 500 Mietwohnungen, ein neues Stadtarchiv und städtische Ämter sowie mehrere Gemeinbedarfsgebäude vorgesehen sind, soll ein neues Energiekonzept sein, das im Wesentlichen auf einer geothermischen Anlage fußt. Diese gilt als besonders wirtschaftlich, nachhaltig und vor allem als umweltfreundlich mit einem geringem Ausstoß von CO2. Diese Anlage soll die Wärmeversorgung, die Kühlung und einen Teil der Stromversorgung der Gebäude sicherstellen. Darüber hinaus sollen in größerem Umfang auf den Dächern Photovoltaikmodule für die weitere Stromgewinnung montiert werden. Noch näher untersucht werden soll, ob die Erdwärme aus den oberen Schichten (bis 400 Meter Tiefe) oder als Tiefenbohrung (bis 1200 Meter) erschlossen werden soll. Das Erdsonderfeld soll auf dem ehemaligen Exerzierplatz angelegt werden.

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Weniger Parkplätze

Verknüpft werden soll dieses Energiekonzept mit einem neuen Mobilitätskonzept, das eine Beschränkung von Autos und Parkplätzen vorsieht. Für jede Wohneinheit soll maximal nur ein Stellplatz eingeplant werden. Eine weitere Reduzierung der Parkplätze sei darüber hinaus möglich, wenn in dem Quartier ein Car-Sharing-Angebot bereitgestellt wird, so der Konzeptvorschlag der Stadtverwaltung. Für die städtischen Verwaltungsgebäude wird vorgeschlagen, pro Mitarbeiter maximal einen halben Parkplatz einzuplanen.

Car-Sharing, Elektromobilität

Als Ausgleich soll ein Mobilitätshof mit einem Car-Sharing-Angebot und einem zugänglichen Fahrradabstellplatz mit E-Bike-Ladestationen gebaut werden. Die Parkplätze sollen in einer Hoch- und mehreren Tiefgaragen untergebracht werden. Auch darin sind Aufladeplätze für Elektroautos sowie E-Bike-Plätze vorgesehen. In dem Konzept wurde für das gesamte Quartier von 74 E-Ladesäulen ausgegangen.

Blick auf das ehemalige Kasernengelände Mangin, das von der Richthofenstraße (links) und der Kirnacherstraße (unten) begrenzt wird. Hier ...
Blick auf das ehemalige Kasernengelände Mangin, das von der Richthofenstraße (links) und der Kirnacherstraße (unten) begrenzt wird. Hier ensteht das künftige Wohn- und Verwaltungsquartier „Oberer Brühl“. Auf dem ehemaligen Exerzierplatz soll ein Erdsonderfeld angelegt werden. Sonden sollen mehrere Meter in die Tiefe zur Nutzung von Erdwärme getrieben werden.

Petra Neubauer, die Klimaschutz-Managerin der Stadtverwaltung, ging auf die Frage möglicher Risiken durch geothermische Tiefenbohrungen ein. Ihr Fazit lautet: „Der geologische Unterbau in Villingen ist mit Staufen nicht vergleichbar.“ Der Fall des Breisgaustädtchens Staufen hatte vor Jahren bundesweit für Aufsehen erregt. Nach geothermischen Tiefenbohrungen hat sich dort die Erde angehoben und 268 Gebäude in der historischen Altstadt zum Teil schwer beschädigt. Passiert ist das Ganze, weil bei den Bohrungen eine Gips-Keuper-Erdschicht durchstoßen wurde, unter der sich Grundwasser befand, das unter hohem Druck stand. Das Wasser habe mit dem Gips reagiert, dieser sei aufgequollen und habe zu massive Erdhebungen geführt.

Risikoarme Bohrungen in Villingen

„Das kann bei uns nicht passieren“, erklärte Neubauer mit Hinweis auf einen völlig anders gegliederten geologischen Untergrund. In Villingen liege an der Oberfläche Mergel-Sediment, darunter Buntsandstein und schließlich massiver Granit. „Das sind beste Bedingungen für die Geothermie“, so die Aussage der Klimaschutz-Managerin. Bei dieser Konstellation seien günstige und risikoarme Bohrungen möglich, zumindest bis 400 Meter Tiefe. Bei noch tieferen Bohrungen sei die Frage, wie gut die Bohrer durch das massive Granitgestein durchkommen. Gleichwohl will die Stadtverwaltung prüfen lassen, wer haftet, falls es doch zu Schäden kommen sollte. Dies hatte AfD-Stadtrat Olaf Barth gefordert.

Parkplatzreduzierung verteidigt

Kritik handelte sich die Sprecherin der CDU-Fraktion, Gudrun Furtwängler ein, die den Antrag stellte, dass der Gemeinderat nächste Woche das Thema Stellplatz- und Mobilitätskonzept extra diskutieren solle. Dem Vorschlag eine Erdwärmenutzung stimmte sie zu. Dagegen wies Edgar Schurr (SPD) Ängste und Besorgnisse über zu wenig Parkplätze zurück. Es werde hinsichtlich des Automobils einen Umschwung in Deutschland geben. Daher sei es die Aufgabe des Gemeinderats, in dem neuen Wohnquartier eine moderne, zukunftsweisende Lösung anzubieten. „Uns gefällt das Konzept sehr gut“, betonte er. Auch Helga Baur (Grüne) war gegen mehr Stellplätze. „Es ist halt die Zukunft, dass nicht jeder ein, zwei Autos haben kann“, meinte sie. Ihre Kollegin Ulrike Salat forderte, dass die Wohnbebauung mit dem weitreichenden Umweltstandard Kfw-40 und nicht bloß KfW-55 realisiert werden sollte.

Andreas Flöß (Freie Wähler) unterstrich, seine Fraktion sei für die Erdwärmelösung mit dem geringsten CO2-Ausstoß. Er regte an zu prüfen, ob der zusätzlich anfallende Strombedarf auch mit einem Brennkessel erfolgen kann, der mit Holz oder Hackschnitzel befeuert wird, um dem städtischen Forstbetrieb eine Absatzmöglichkeit zu verschaffen. Gegen diese Holzlösung gab es von mehreren Widerspruch.

Architekten-Wettbewerb vorgeschlagen

Architekt Olaf Wuttge-Greimel, der den Technischen Ausschuss als Fachmann berät, lobte das Konzept mit Begeisterung: „Damit machen wir einen riesigen Schritt in eine tragfähige Zukunft.“ Er ermunterte den Gemeinderat und die Verwaltung, für die Gestaltung des künftigen Wohn- und Verwaltungsquartiers einen städtebaulichen Architektenwettbewerb auszuschreiben. Damit könne die Stadt sicherlich tolle Ergebnisse für ein zukunftsweisendes Quartier erzielen.

Nächste Woche wird der Gemeinderat über das Konzept und seine Weiterverfolgung abstimmen. Über Mobilitäts- und Stellplatzkonzept wird dabei separat abgestimmt, sagte Bürgermeister Detlev Bührer.