Wird ein Villingen ein großes geothermisches Energiekonzept realisiert? Nächste Woche beratschlagt der Technische Ausschuss über das künftige Energiekonzept für das geplante Wohn- und Verwaltungsquartier „Oberer Brühl„, die ehemalige Mangin-Kaserne. Fachleute, die sich intensiv mit der Materie auseinander gesetzt haben, schlagen vor, die Wärme- und Energieversorgung des Quartiers über Erdwärme zu sichern.

In der Sitzungsvorlage für den Ausschuss heißt es, das Quartier eigne sich grundsätzlich, um dort „ein energetisches Leuchtturmprojekt zu entwickeln“, also ein weitgehend energieautarkes Viertel. Wie berichtet, sollen auf dem einstigen Kasernenareal rund 700 neue Mietwohnungen gebaut werden, außerdem in zwei ehemaligen Kasernengebäuden, die generalsaniert werden, neue Büros für die Stadtverwaltung und ein neues Stadtarchiv.

Der Vorschlag, das künftige Quartier mit Energie aus Erdwärme zu versorgen, stammt von Experten der Deutschen Stadt- und Grundstücksentwicklungsgesellschaft, die vor einem Jahr vom Gemeinderat beauftragt wurde, ein Energiekonzept für das Mangin-Gelände zu erstellen. Die Fachleute haben mit weiteren Experten von Stadt und Stadtwerken verschiedene Lösungen zur Strom- und Wärmegewinnung untersucht und unter den Aspekten Effizienz, Kosten und Umwelt miteinander verglichen. Untersucht wurde eine Wärmeversorgung mit einer Gasbrennwert-Therme in Ergänzung mit einer solarthermischen Anlage, eine Kombination aus Luft-/Wasserwärmpepumpe (Wärmeversorgung) mit einer Photovoltaikanlage (Strom) sowie zwei Varianten von Erdwärme.

Fazit der Expertenuntersuchung war eine klare Empfehlung für die Erdwärme-Lösungen, von denen die kleinere Variante Sonden bis 400 Meter Tiefe vorsieht, die andere mit über 400 Meter Tiefe. „Die Vorteile der Geothermie-Varianten liegen aus fachlicher Sicht bei der Verwendung der Erdwärme als unerschöpflicher regenerativer Energielieferant ohne CO2-Fußabdruck“, heißt es in der Sitzungsvorlage. Der Aspekt Klimaschutz gibt hier also den Ausschlag. Als Standort für die Tiefensonden ist der ehemalige Exerzierplatz angedacht. Allerdings sind vor einer endgültigen Entscheidungen weitere Fachplanungen, Untersuchungen und geologische Analysen erforderlich. Der Ausschuss muss nun entscheiden, ob er dieser Empfehlung folgt und grünes Licht gibt, dass dieses Projekt weiterverfolgt werden soll.

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Auf die Risiken der Geothermie wird in der Vorlage nicht eingegangen. Vor allem in Baden-Württemberg hat diese Technologie durch das Desaster im südbadischen Staufen einen schweren Imageschaden erlitten. Bei Geothermie-Bohrungen im Jahr 2007 trafen die Bohrsonden im Untergrund auf eine Erdschicht, die Staufen bis heute keine Ruhe lässt. In Verbindung mit Grundwasser verwandelte sich die Erdschicht in Gips, die Schichten quollen auf und drückten die Erde nach oben. Die Anhebungen hatten massive Folgen: 270 Gebäude des Breisgau-Städtchens wurden beschädigt, die Schäden werden auf über 50 Millionen Euro geschätzt.

Die Risiken der Geothermie

Staufen ist nicht allein. Auch in Böblingen und in Rudersberg (Rems-Murr-Kreis) führten Erdwärmebohrungen zu größeren Schäden, weil sich der Untergrund angehoben hat. Ebenso in Lochwiller (Elsass) bei Straßburg oder in Landau (Pfalz). Im Landkreis Böblingen wurden Tiefbohrungen vor einigen Jahren generell verboten. In anderen Bundesländern wird die Erdwärme dagegen intensiv genutzt, ganz vorne liegen Brandenburg und Bayern. München will bis 2040 sogar 80 Prozent seines Wärmeverbrauchs aus Geothermie-Großkraftwerken gewinnen.

Der Brachenverband Geothermie in Berlin macht geltend, dass die überwältigende Mehrzahl der bundesweit rund 370 000 Geothermiebohrungen keinerlei Folgen habe. Eine Studie des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) Ende 2014 kam zu Ergebnis, dass das Risiko, dass durch eine Geothermiebohrung Schäden verursacht werden, äußerst gering sei. Die Schadenswahrscheinlichkeit liege bei 0,002 Prozent. Das Risiko, an einem Autounfall zu sterben, sei dreimal höher.

Von Seiten der Stadt heißt es dazu: „Selbstverständlich wurde im Vorfeld eine grundsätzliche, allgemeine Risikobetrachtung durchgeführt.“ Seit 2007, so Verwaltungssprecherin Oxana Brunner, habe sich vieles im Bereich der Geothermie getan. „Auch ist der VS-Untergrund anders als der Staufen-Untergrund, sodass der bloße Vergleich der beiden Städte, ohne Details und ohne Betrachtung ihrer örtlichen Gegebenheiten, zu kurz gedacht wäre.“