Kürzlich hat der neue Pächter des „Glunkenhauses“ in der Färberstraße nach einem halben Jahr das Handtuch geworfen. Ursache sei die Verlängerung der Sperrzeit durch den Gemeinderat, so die Begründung. Leo‘s Bar macht an diesem Wochenende nach einer Abschiedsparty dicht. Hat die Stadt die Villinger Kneipenmeile zu Tode reguliert, wie einige Kritiker behaupten?
Es ist ein halbes Jahr her, dass die vom Gemeinderat beschlossene neue Sperrzeiten-Regelung in Kraft trat. Seither müssen die Wirte in der Färberstraße – und nur diese – ihre Gaststätten nachts zwei Stunden früher dichtmachen: Unter der Woche um 1 Uhr, am Wochenende freitags und samstags um 3 Uhr. Hauptgrund sind die Klagen der Anwohner wegen Lärmbelästigungen aus der Straße mit ihren rund 20 Gastro-Betrieben.
Ist die Sperrzeitverlängerung der Anfang vom Ende für die „Kneipenmeile“, die seit den 1980er Jahren zahlreiches Partypublikum aus der Region in die Villinger Innenstadt lockt? Die Meinungen darüber gehen auseinander.
„Für einige Betriebe existenzbedrohend“
Wirtesprecher Michael Steiger, der mehrere Gaststätten betreibt und Mitglied im Beirat-Präsidium des Gaststättenverbandes Dehoga ist, beurteilt den Gemeinderatsbeschluss zwar differenziert, aber gleichwohl sehr kritisch. „Für den ein oder anderen Betrieb ist die Sperrzeitverlängerung existenzbedrohend. Dass muss man ganz deutlich sagen.“

Die wachsende Zahl von Speiserestaurants seien weniger von den Einschränkungen betroffen. Doch die Kneipen und Bars treffe es zum Teil hart. Es kämen weniger Besucher, die Umsätze sinken. Während die anderen Gaststätten in Villingen-Schwenningen am Wochenende bis 5 Uhr morgens auflassen dürfen, müssen die Wirte in der Färberstraße um 3 Uhr schließen. Für Steiger ein Unding.
„Für uns Wirte katastrophal“
Es ist vor allem diese Ungleichbehandlung, die die Gastronomen in der Färberstraße als massive Ungerechtigkeit empfinden. „Die Situation ist für uns Wirte katastrophal“, sagt Orlo Karabacak, ein Färberstraßen-Veteran. Seit 30 Jahren betreibt er die Bar „Down under“ in Villingen. Die Sperrzeit-Verlängerung, sagt er, habe ihm Umsatzverluste „bis zu 50 Prozent“ beschert.

„Die Leute bleiben weg – zu unserem Entsetzen“, sagt Karabacak. Viele Studenten aus Villingen, die bislang am Wochenende gern zu Hause feierten, kämen nun nicht mehr. Bei seinen Berufskollegen in der Färberstraße sei die Enttäuschung groß. „Über die Hälfte von ihnen würde ihre Pachtverträge gerne abgeben“, sagt er. Die Stadtverwaltung müsse aufwachen, bevor es zu spät ist, wenn sie die guten Wirte in der Stadt halten wolle.
Leo‘s Bar hört auf: Der Laden läuft nicht mehr
Definitiv als Färberstraßen-Wirt aufhören wird Leonard Mala. Er hat auf Samstag, 26. August, zur Abschiedsparty in „Leo‘s Bar“ eingeladen. Nach fast sieben Jahren hat er genug. „Der Laden läuft nicht mehr seit der Sperrzeitverlängerung“, lautet seine Begründung.

Deshalb verlasse er die Färberstraße, sagt der Betreiber, der in den vergangenen Jahren immer wieder in der Kritik der Anwohner stand und Ärger mit Stadt hatte. Der Ärger konzentrierte sich vor allem um den Vorwurf der Lärmbelästigung. Auch einige von Malas Wirtskollegen sahen das Partytreiben kritisch und dürften dem Ende der Bar keine Träne nachweinen.
Anders wohl die Gäste, im Gros das ganz junge Publikum, das sich jahrelang in Leos Bar auslebte. „Die sind verschwunden und feiern jetzt in Discos und Clubs“, berichtet der Betreiber. Er selbst plant nach eigenen Worten wieder eine Gastronomie zu eröffnen. Wo genau, will er noch nicht sagen. Aber gewiss nicht mehr in der Färberstraße.
Neuer Pächter steht bereit
Ob nun ruhigere Zeiten für die Anwohner kommen, ist indes nicht ausgemacht. Ein neuer Pächter steht laut Mala schon bereit. Geplant sei ein Umbau der Gaststätte. Dann soll es Mitte September unter neuer Regie weitergehen.
Ungleichbehandlung in VS beenden
Für Dehoga-Sprecher und Gastwirt Michael Steiger ist klar: Die Ungleichbehandlung der Wirte in VS mit der Benachteiligung der Färberstraßen-Betriebe „müssen wir wegbekommen“. Der Beschluss des Gemeinderates gelte lediglich für die Dauer eines Jahres. Und dann muss neu entschieden werden. Der Lösungsansatz, den Steiger vorschlägt: Die Stadt sollte jene Betriebe, die sich nicht um geltende Lärmbegrenzungen scherten, maßregeln, statt alle Gaststätten in der Straße mit einer Sperrzeitverlängerung zu belasten.
Positive Zwischenbilanz der Stadt
Die verantwortliche Ortspolizeibehörde, das von Ralf Glück geleitete Bürgeramt der Stadt, zieht nach einem halben Jahr indes ein positives Zwischenfazit der Sperrzeitverlängerung. Auf Nachfrage des SÜDKURIER erklärte das Bürgeramt, es gebe deutlich weniger Ordnungswidrigkeiten wie beispielsweise Ruhestörungen als auch weniger Straftaten wie zum Beispiel Körperverletzungen und Sachbeschädigungen.
Der Zusammenhang zur Sperrzeitverkürzung lasse sich nicht im Einzelfall nachweisen. Doch die Datenlage vor der Sperrzeitverlängerung und die aktuelle Situation lasse den Schluss, dass der Beschluss Wirkung zeige.
Ob es dabei bleiben wird, lässt das Amt offen. „Das Bürgeramt ist grundsätzlich neutral und orientiert sich an den Fakten sowie der Rechtslage.“ Und ja: Das Bürgeramt werde sich zu gegebene Zeit mit den beteiligten Gruppierungen in Verbindung setzen, bevor nach Ablauf des Probejahres eine neue Vorlage an den Gemeinderat geht.
Neuer Schwung fürs Glunkenhaus
Es gibt aber nicht nur Klagen und Enttäuschung bei den Gastwirten in der Färberstraße. Es gibt auch Optimismus. Solchen verbreitet Nikolai Peter, der am Samstag, 9. September, das Glunkenhaus am südlichen Ende der Färberstraße neu eröffnen wird.
Erst Anfang des Jahres hat Peter seinen ‚Happy Kiosk‘, eine bis Mitternacht geöffnete Spätverkaufsstelle (‘Späti‘) in der Niederen Straße 62 eröffnet. Jetzt holt er zum nächsten Wurf aus: Im Juli hat er den Pachtvertrag für das „Glunkenhaus“ von seinem Vorgänger Markus Stoll übernommen, der nach rund einem halben Jahr das Handtuch geworfen hatte.

Peter zeigt sich ausgesprochen zuversichtlich, dass das Glunkenhaus unter seine Regie gut laufen werde. Im Erdgeschoss, das zuletzt als Lager genutzt wurde, wird er ein neues Tages-Café einrichten. „Die Gäste werden einen Wow-Effekt erleben“, verspricht er eine Überraschung. Oben bleibt es beim Barbetrieb.
„Es kommt auf das Angebot an“
Peter vertritt die Auffassung, dass die Sperrzeit nicht das entscheidenden Kriterium ist, ob ein Betrieb läuft oder nicht. „Es kommt auf das Angebot an, das man den Gästen macht.“ Wenn in den nächsten Wochen auch noch das einstige Kult-Restaurant „La Hacienda“ nach jahrelanger Schließung wieder eröffnet werde, so wie dies angekündigt war, sieht er am südlichen Ende der Färberstraße wieder ein attraktives Gaststättenangebot für das Ausgeh-Publikum im Werden.
Seinen „Späti-Laden“ in der Nieder Straße wird er weiter betreiben, sagt er wie selbstverständlich. „Ich habe für beides Personal!“