Zum Morgengruß gibt es ein langgezogenes „Wueeescht“. Am Fasnetmentig-Morgen treffen sei sich ab 7.30 Uhr in Ummenhofer Adolfs Schopf in der Vöhrenbacher Straße. Dort weht die Wueschtfahne am Fahnenmast im Hof. Für die Aktiven der Wueschgruppe steht die wichtigste Amtshandlung des Tages bevor: Die Häser müssen mit Stroh gestopft werden.

In der oberen Etage der Ummenhoferschen Scheune herrscht emsiges und konzentriertes Arbeiten. Strohstaub liegt in der Luft, zwei Allergiker haben einen Mundschutz übergezogen. Rund ein Dutzend Hästräger stehen im Kreis um einen ordentlichen Strohhaufen und stopfen sich die Hosenbeine und dann den Hintern, also das „Fiddle“, aus. Die Erwachsenen helfen den Kindern, von denen es jede Menge gibt.
Derbe Wuescht-Sprüchle werden skandiert, fröhliche Sprüche fliegen hin und her, Neuankömmlinge werden herzlich begrüßt und einige haben bereits ein Schorle im Glas. Alle kennen sich, oft schon seit vielen Jahren. Die Wueschtgruppe ist eine verschworene Gemeinschaft.
Zum Stopfen braucht‘s Erfahrung
Fürs richtige Ausstopfen braucht‘s praktische Erfahrung, berichtet Wueschtfrau Claudia Raufer. Man sollte keineswegs erst ein Hosenbein stopfen, und dann das andere. Denn ist ein Hosenbein bis obenhin gestopft, kann man sich nicht mehr bücken, um das zweite zu stopfen.
Der Trick ist, dass man das Stroh in beiden Hosenbeinen parallel von unten nach oben stopft. Füllend zwar, aber nicht zu massiv. „Damit man noch laufen kann“, erläutert Claudia Raufer.

Dann folgt aus ihrer Sicht die entscheidende Operation, damit‘s ein schöner Strohmann oder eine Strohfrau wird: die Auspolsterung des Wuescht-Hinterns. „Ich liebe einen festen, knackigen Wuescht-Popo“, bekennt Claudia Raufer.
Der muss gut und kompakt sitzen. Dann kann die unförmige Gestalt auch noch halbwegs gut durchs Städtle laufen. Damit das Stroh um die Hüften gut sitzt, wird die Wueschthose oben möglichst stramm zugezogen.

Bestimmt fünf Kilo Stroh im Häs
„Bestimmt fünf Kilo Stroh“ stopft sich so ein Wuescht in die Hosen, schätzt Wuescht Matthias Reiner. Vom Gewicht sicher akzeptabel, macht die Füllung den Hästräger aber zur unförmigen Gestalt und damit urkomischen Figur.

Ist das Häs ausgestopft, wird am Schluss noch das Brett auf den Rücken geschultert, die Krätze. Da kommen, je nach Größe und Holzart, bei manchen gerne noch mal zehn Kilogramm Gewicht oder mehr auf den Buckel. Schnell noch den Besen in die Hand und fertig ist der Strohmann.
Sträußle mit persönlicher Duftnote
Die Witze ums Stroh in der Hose sind natürlich Legion. Mancher Wuescht rühmt sich damit, auf der Straße „Sträußle mit individueller Duftnote“ an die Zuschauer zu verteilen, wie Bernd Dilg, der ehemalige Wueschtvatter, mit breitem Grinsen ausführt. Weiß ja keiner, was sich in so einer Wueschthose im Laufe des Tages alles so ansammelt.
Das euphemistisch bezeichnete „Sträußle“ ist tatsächlich eine handvoll Stroh, die der garstige Wuescht seinem Opfer vorne in den Ausschnitt stopft. Und wer das juckende Stroh einfach rauszieht, kann richtig Pech haben. Dann ist so ein Wuescht schnell geneigt, dem Gegenüber das Stroh mit dem Besen nachhaltig bis runter in die Unterhose zu rammen.
Und wie geht der Wuescht aufs Klo?
Legenden ranken sich natürlich um die Frage aller Fragen: Wie geht der Wuescht eigentlich aufs Klo? Nach volkstümlicher Meinung lassen‘s die Wueschte einfach ins Stroh laufen. Tatsächlich haben die Strohfrauen und Strohmänner oft große Probleme, überhaupt auf eine Toilette zu kommen. Denn die meisten WCs sind schlicht zu schmal für den barocken Wuescht.
Doch in der Praxis spielt die Toilettenfrage eine eher untergeordnete Rolle. „Wir schwitzen so stark, dass wir meistens gar nicht müssen“, berichtet Bernd Dilg. Von der oben reingeschütteten Flüssigkeit kommt unten nichts an.
Ein Mythos wird entzaubert
Und außerdem, so enthüllt Oli Pfaff, der mit seiner Tochter Nele ins Häs geht, können die Wueschte das Stroh im Hosenbereich einfach zur Seite schieben. Damit wäre auch dieser Mythos also entzaubert: Ein Wuescht, der will, kann sich auf der Toilette erleichtern. Wenn er denn reinkommt ...

Noch bis 8.45 Uhr vor dem Historischen Umzug rollen noch immer Wueschte in Adolf Ummenhofers Scheune, um sich mit Stroh zu stopfen. Die Wuescht sind entspannt, auch wenn der Umzug um 9 Uhr beginnt.
Denn in Villingen weiß jedes Kind: Die Wuescht, einst die ungeliebten Epigonen der Narros, laufen immer ganz am Schluss des Umzugs. Da reicht es zeitlich locker, wenn sie um 10 Uhr am Niederen Tor stehen. Denn „am Schluss do komme die Scheenschte“, heißt es im Villinger Schunkellied. Und die Schönsten, das sind nun mal, nach eigener Überzeugung, die Wueschte.
Hundert Wueschte auf der Gass
Rund 65 Erwachsene und 35 Kinder führt Wueschvatter Matthias Frey am Fasnetmentig in den Umzug. Darunter auch Ernst Reiser, der Strohlieferant aus Nordstetten, der es mit 84 Jahren noch mal wissen will.
Die Wueschtgruppe ist in den vergangenen drei Jahrzehnten stark gewachsenen und inzwischen am Limit angelangt. Ins Wueschthäs zu kommen, ist daher schwierig. Geeignete Bewerber werden jährlich als „Gast-Wueschte“ mit auf die Gass‘ genommen.

Dieses Jahr sind mehrere dabei: Rolf Ade gehört zu Glücklichen, ebenso sein Freund Markus „Mücke“ Hummel. Das erste Mal ist Kiri Lauterbach von den Alte Jungfere als Gastwuescht im Häs. Sie freuen sich, wie die gesamte Truppe, auf den Umzug. Als Wuescht laufen, das weiß jeder, ist was ganz Besonderes.