Das geplante Wohn- und Verwaltungsquartier Oberer Brühl auf dem ehemaligen Kasernengelände an der Kirnacher Straße in Villingen nimmt in der Stadtplanung der nächsten Jahre eine herausragende Schlüsselstellung ein. Dort sollen nicht nur neue Büros für die Stadtverwaltung, ein Stadtarchiv und zwei Kindergärten entstehen. Sondern vor allem dringend benötigter Wohnraum.

„Ich möchte, dass das was Tolles wird“, betont Oberbürgermeister Jürgen Roth mit Blick auf die nächsten Jahre. Wenn es gelingt, auf diesem Grundstück wie vorgesehen 685 günstige Wohnungen zu bauen, dann kann die Stadt auf Jahre hinaus für ein günstiges Mietpreis-Niveau in der Stadt sorgen.

Das größte Wohnungsprojekt im Land

Mit 685 Wohnungen handelt es sich um das aktuell größte Wohnungsbauvorhaben in ganz Baden-Württemberg. Das hat OB Jürgen Roth in einem Gespräch mit Nicole Razavi, der Ministerin für Landesentwicklung und Wohnungsbau erfahren.

So sieht die bisherige Flächenplanung der Stadt für das Quartier „Oberer Brühl“ in Villingen aus.
So sieht die bisherige Flächenplanung der Stadt für das Quartier „Oberer Brühl“ in Villingen aus. | Bild: Müller, Cornelia

Allerdings: Die massiv gestiegenen Baupreise und Bauzinsen sowie fehlende staatliche Förderprogramm haben dazu geführt, dass sich viele Investoren aus dem Wohnungsbau aktuell verabschieden. Auch das „Bündnis für faires Wohnen“ in VS, die Baugenossenschaften Villingen und Familienheim sowie die städtische Wohnbaugesellschaft (Wbg), sehen sich aus wirtschaftlichen Gründen aktuell nicht in der Lage, im Oberen Brühl günstige Wohnungen zu errichten.

Der Vorschlag von Oberbürgermeister Jürgen Roth, das ambitionierte Projekt mit städtischem Geld und einer städtischen Wohnungsbau-GmbH zu retten, hat der Gemeinderat im Dezember abgeschmettert. Die Mehrheit im Rat wollte mit einem Wohnungsbauprojekt finanziell nicht ins Risiko gehen.

Wie steht es damit um das größte Wohnbauvorhaben in Baden-Württemberg? Ist die Planung im Oberen Brühl mit seiner zukunftsweisenden ökologischen und sozialen Ausrichtung in bauwirtschaftlich schwierigen Zeiten noch zu retten? Die Stadtverwaltung hat vom Gemeinderat im Dezember den Auftrag bekommen, für das bestehende Quartierskonzept einen privaten Bauinvestor zu finden. Ob sich einer finden wird, ist eine andere Frage. „Ich hoffe es“, sagt der OB dazu.

EU-weite Investorensuche ab Januar

Das Wohnbaukonzept, das die Stadt erarbeitet hat, wird nun europaweit ausgeschrieben und ein Investor gesucht. Im Januar soll das Konzept vom Gemeinderat zur Ausschreibung freigegeben werden. „Ich hoffe, dass wir dann im Mai oder Juni Angebote auf dem Tisch haben“, skizziert Roth den Zeitplan.

Und wenn nicht? „Dann werde ich den Plan B noch einmal in den Gemeinderat bringen“, kündigt der OB an. Plan B wäre der erneute Vorschlag, dass die Stadt mit einer 100-prozentig eigenen Wohnbaugesellschaft und eigenem Kapital das Projekt zum Laufen bringt. Dazu gehört auch der Bau von 126 Sozialwohnungen.

Oberbürgermeister Jürgen Roth: „Der Wohnungsbedarf ist abartig groß. Ich habe regelmäßig weinende Menschen in meiner Sprechstunde ...
Oberbürgermeister Jürgen Roth: „Der Wohnungsbedarf ist abartig groß. Ich habe regelmäßig weinende Menschen in meiner Sprechstunde sitzen, die aus ihrer bisherigen Wohnung rausmüssen und nichts Neues finden.“ | Bild: Hans-Jürgen Götz

Dass dieses Projekt für Villingen-Schwenningen wichtig ist, daran lässt der Rathauschef keinen Zweifel. „Der Wohnungsbedarf ist abartig groß“, unterstreicht er. „Ich habe regelmäßig weinende Menschen in meiner Sprechstunde sitzen, die aus ihrer bisherigen Wohnung rausmüssen und nichts Neues finden.“

Einen Hoffnungsschimmer für den OB: „Ich glaube, dass sich die Baupreise bald wieder normalisieren werden.“ Damit stiegen auch wieder die Perspektiven, dass sich Investoren finden werden.

Sorgen um den Schwenninger Einzelhandel

Zu einem attraktiven Wohnort gehören auch attraktive Innenstädte zum Einkaufen und Bummeln. Da macht den Verantwortlichen im Rathaus vor allem der Bereich Schwenningen große Sorgen. Das City-Rondell in Schwenningen verliert immer mehr Mieter, Sport-Müller schließt zum Jahresende und die Wiederbelebung des leer stehenden Rössle-Komplexes in der Stadtmitte tritt seit Jahren auf der Stelle.

Ob diese Planung für ein neues Kaufhaus auf dem ehemaligen Rössle-Areal in Schwenningen jemals Wirklichkeit wird, bezweifeln inzwischen ...
Ob diese Planung für ein neues Kaufhaus auf dem ehemaligen Rössle-Areal in Schwenningen jemals Wirklichkeit wird, bezweifeln inzwischen viele Beobachter. | Bild: Stadt Villingen-Schwenningen

Für OB Jürgen Roth war es daher ein Glücksfall, dass das Kaufhaus Zinser das freigewordene Kaufhaus Götz übernommen hat. Ansonsten aber gibt es wenig Lichtblicke. Das geplante Kaufhausprojekt „Forum Villingen-Schwenningen“ auf dem Rössle-Areal hat der Oberbürgermeister zwar noch nicht abgeschrieben. Er ist aber überzeugt: „Das Konzept wird ein anderes werden als bisher geplant.“ Ob dies noch ein Einkaufszentrum mit großen Ankermietern sein kann, bleibt angesichts der Umbrüche im Einzelhandel für Roth eine große Frage.

Rössleplatz soll massiv umgestaltet werden

Klar ist für den OB auch, dass sich das Umfeld am Rössle, der bisherige Muslenplatz, massiv verändern müsse. Er sieht Bedarf für eine große bauliche Umgestaltung. Das kostet viel Geld.“

Blick auf den Schwenninger Muslenplatz mit seinem Brunnen. Die Stadtplaner wollen eine umfassende Neugestaltung des Platzes. Unser Bild ...
Blick auf den Schwenninger Muslenplatz mit seinem Brunnen. Die Stadtplaner wollen eine umfassende Neugestaltung des Platzes. Unser Bild stammt von Juni 2020. | Bild: Hahne, Jochen

Wir wollen daher in das städtebauliche Förderprogramm 2023 aufgenommen werden“, berichtet er. Im Frühjahr 2023 soll der Gemeinderat die Sanierungsziele am Muslenplatz definieren. Eine Bürgerumfrage, was verbessert werden soll, läuft bereits in Schwenningen.

Parallel dazu sollen 2023 verschiedene Maßnahmen des City-Managements der Stadt umgesetzt werden, um die Fußgängerzonen in Villingen und Schwenningen aufzumöblieren und lebendiger zu machen.

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Das Projekt an der Brigach scheint sicher

Was den Schwenningern das brachliegende Rössleareal, ist den Villingern das alte Tonhallengelände. Rund 25 Jahre liegt das Grundstück in bester Innenstadtlage brach. Doch das scheint sich nun zu ändern. Oberbürgermeister Roth geht davon aus, dass diese städtebauliche Lücke an der Brigach in wenigen Jahren geschlossen sein wird.

So soll das neue Amtsgericht auf dem alten Tonhallengelände einmal aussehen, hier von der Brigachseite betrachtet.
So soll das neue Amtsgericht auf dem alten Tonhallengelände einmal aussehen, hier von der Brigachseite betrachtet. | Bild: Sacker Architektur GmbH

Zum einen will das Land dort ein neues Amtsgericht bauen. Zum anderen ist dort ein privates Investitionsvorhaben in der Planung: Ein neues Hotel, ein Edeka- und DM-Markt sowie Wohnungsbebauung. Roth geht davon aus, dass das Projekt steht: „Der Investor ist heiß darauf zu bauen“, berichtet er.

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