Weil ein Patientenvater verschwiegen hatte, dass er beruflich im Kreis Heinsberg, wo er sich mutmaßlich mit dem Coronavirus infiziert hatte, war, musste die Tannheimer Nachsorgeklinik Anfang März vorläufig schließen. Sowohl die Mitarbeiter der Klinik, als auch die Familien, die teilweise jahrelang auf einen Platz in Tannheim warten, waren schwer getroffen. Am Freitag gab es dann die gute Nachricht: Keiner der Mitarbeiter oder Familien hat sich ebenfalls mit dem Virus angesteckt, alle sind gesund.
Dennoch wird die Klinik in der kommenden Woche nicht wieder öffnen. Die vierwöchige April-Reha haben die Geschäftsführer Thomas Müller und Roland Wehrle abgesagt. „Wir haben uns wegen des Kontaktverbots und der zunehmenden Zahl der Corona-Fälle dazu entschieden“, sagt Wehrle am Freitagnachmittag auf SÜDKURIER-Anfrage. Das Kontaktverbot widerspreche außerdem der Philosophie der Klinik. In dieser gehe es viel um Gruppensitzungen und das Miteinander. Das gehe nicht, man könne die hundertprozentige Sicherheit der Patienten und Mitarbeiter nicht gewährleisten.
Die Entscheidung, die April-Reha abzusagen, stehe am Ende eines Sinneswandels. „Wir haben nach der Schließung vor einigen Wochen klar gesagt, dass wir, wenn niemand sonst positiv getestet wird, im April wieder öffnen wollen“, sagt Wehrle. Noch am Mittwoch schlug das Pendel in Richtung Wiedereröffnung aus. Das Gefühl habe sich aber im Laufe der Wochen und gerade in den vergangenen Tagen geändert.
Die zunehmende Zahl der Corona-Fälle und auch die steigende Sterberate hätten zu einem Umdenken geführt, sagen die beiden Geschäftsführer. „Es ist ein ständiges Abwägen zwischen dem Reha-Auftrag, den wir in der Nachsorgeklinik haben, und der Sicherheit aller, sich nicht selbst mit dem Coronavirus anzustecken“, ergänzt Wehrle und spricht von einer echten Zerreißprobe, vor der er, sein Co-Geschäftsführer und die Klinikärzte, mit denen die beiden in ständigem Austausch sind, standen und immer noch stehen. Die Situation ändere sich eigentlich jeden Tag, es gebe ständig neue Prognosen. „Aber damit müssen wir leben“, sagt Wehrle weiter.
Bereits im Vorfeld hatten einige Familien aus Sorge um die eigene Gesundheit die April-Reha abgesagt. Gekommen wären in der nächsten Woche aber immer noch etwa 90 Menschen. Diesen werden Wehrle und Müller am Wochenende absagen.
Die Geschäftsführer versuchen, dass die eigentlichen April-Patienten ihre Reha so schnell wie möglich nachholen können. „Das ist aber schwer zu bewerkstelligen. Wir sind im Bereich der Kardiologie bis zum Ende des Jahres ausgebucht. Im Bereich der Mukoviszidose ist das sogar bis Februar 2021 der Fall“, sagt Wehrle. Hinzu kämen auch die Patienten, deren März-Reha nach wenigen Tagen wegen des positiv auf Corona getesteten Vaters abgebrochen werden musste.
So bitter, wie die Absage ist, so froh sind Wehrle und Müller über den Zuspruch, den die beiden vor allem nach der Schließung im März erhalten haben. „Sehr viele Menschen haben uns Mut zugesprochen und uns unterstützt. Wir sind wirklich froh darüber“, sagt Müller.
Spendenaktion
Ob die Tannheimer Nachsorgeklinik, dem laut der Deutschen Kinderkrebsnachsorge größten Projekt der Stiftung, dann im Mai wieder öffnet und diese Reha durchführen kann, ist derzeit noch unklar. Wie schon jetzt, müsse man auch Ende April schauen, wie sich die Situation entwickelt hat. Klar ist bislang nur: Wehrle, Müller und alle Mitarbeiter der Klinik wollen alles dafür tun, auch weiterhin das Beste für ihre Patienten zu tun und zu entscheiden.