Schlechte Nachrichten für den größten Industriebetrieb der Stadt, die Niederlassung des Continental-Konzerns in Villingen. Bei dem Automobilzulieferer mit seinen über 1300 Mitarbeitern sollen laut Ansage der Geschäftsleitung bei einer Video-Betriebsversammlung am Mittwoch rund 170 Arbeitsplätze bis Ende 2021 gestrichen werden. „Diese Zahlen sind aber noch nicht in Stein gemeißelt“, betonte eine Konzersprecherin. Die Details sollen in den nächsten Wochen verhandelt werden.
Zunächst schienen Stellenstreichungen vom Tisch zu sein
Der Standort in Villingen, zuletzt als Zentrale für den Conti-Geschäftsbereich „Commericial Vehicles & Services“ (Nutzfahrzeuge und Service) ausgebaut und gestärkt, schien noch bis vor wenigen Wochen von den 2019 beschlossenen Sparmaßnahmen und Stellenstreichungen verschont. Mit der vor zwei Tagen bekannt gewordenen Verschärfung des konzernweiten Sparprogramms ist alles anders: Am Mittwochnachmittag haben nach SÜDKURIER-Informationen der neue Chef des Geschäftsbereichs, Gilles Marbire, Standortleiter Ludger Trilken und der neue Werkleiter Michael Müller die schlechten Nachrichten per Video- und Lautsprecherschaltung an die Mitarbeiter verkündet. Demnach sollen 140 feste Stellen der Stammmannschaft bis Ende 2021 abgebaut werden, außerdem weitere 30 Leiharbeiter-Beschäftigungen beendet werden.
Abbau „sozialverträglich“
Unternehmenssprecherin Eva Appelt bestätigte auf SÜDKURIER-Anfrage die genannte Zahl von 140 Arbeitsplätzen der Stammbelegschaft, die zur Disposition stehen. Sie verdeutlichte aber: „Noch ist nichts in trockenen Tüchern. Wir befinden uns erst in der Sondierungsphase.“ Das heißt: In den nächsten Wochen werden Betriebsräte und Geschäftsleitung über die Ausgestaltung eines Sozialplans und eines Interessensausgleichs für die betroffenen Mitarbeiter verhandeln.
Appelt versicherte: Der Personalabbau, in welcher Größenordnung er auch immer stattfindet, werde „sozialverträglich ausgestaltet“. Allerdings: Angesichts der genannten Größenordnung seien betriebsbedingte Kündigungen nicht auszuschließen.
Standort soll sicher sein
Immerhin sind die schlimmsten Befürchtungen wie eine komplette Standortschließung nicht eingetroffen. Andernorts sieht es schlimmer aus: Gestern wurde beispielsweise bekannt, dass Conti den Standort Karben in Hessen mit 1100 Beschäftigen komplett dicht machen will. Bis 2025 soll auch in Babenhausen bei Darmstadt Schluss sein, der Standort in Schwalbach (Main-Taunus) steht wohl ebenfalls vor dem Aus.
Villingen bekommt indes verbale Standort-Zusicherungen aus der Konzernzentrale. „Villingen bleibt das Leitungs- und Leistungszentrum für unsere Geschäftsbereich Commercial Vehicles & Services“, versicherte Unternehmenssprecherin Appelt. Mehr noch: „Wir wollen diesen Standort nicht nur halten, sondern technisch zukunftsweisend weiterentwickeln.“ Dies sei die gute Nachricht für den Standort. Geschäftsführer Gilles Marbire habe diese Zusage am Mittwoch bei der virtuellen Betriebsversammlung gegenüber der Belegschaft abgegeben.
Insofern schwankt die Stimmung in der Belegschaft zwischen Frust und Angst, aber auch Erleichterung, dass es nicht noch schlimmer gekommen ist. Thomas Madl, der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende, ist seit 32 Jahren im Unternehmen. An einen Stellenabbau von ähnlicher Tragweite kann er sich nicht erinnern. „Das Thema ist am Mittwoch bei uns aufgeschlagen ohne konkrete Vorwarnung“, berichtet er. Außer Gerüchten sei nichts bekannt gewesen. Zwar gebe es andere Standorte, die weitaus schlimmer betroffen würden. „Das wird aber keinen der möglichen 170 Betroffenen trösten“, ist er sicher. Er geht davon aus, dass nun „zeitnah“ die Verhandlungen mit der Geschäftsleitung um einen Sozialplan und den Interessenausgleich stattfinden werden. Erst am Ende könne man sagen, wie viele Mitarbeiter unter welchen Voraussetzungen das Unternehmen verlassen müssten.
Gewerkschaft will mildern
Gedrückte Stimmung auch bei der Bezirksleitung der IG Metall. Bei den Gewerkschaftern waren schon Ende letzten Jahres die roten Warnlampen aufgeleuchtet, als der Konzern den zehn Jahre lang laufenden Beschäftigungsicherungsvertrag mit der Belegschaft nicht mehr verlängert hatte. „Wir werden nun schauen, wie wir diesen Stellenabbau abmildern können“, kündigte der Erste Bezirksbevöllmächtigte Thomas Bleile auf SÜDKURIER-Anfrage an. Solches sei zuletzt bei der Firma IG Weisser in St. Georgen gelungen. Möglicherweise könne Personalabbau auch durch die Einführung einer Viertagewoche, Altersteilzeit oder andere Arbeitszeitmodelle aufgefangen werden, so seine Hoffnung. Ob allerdings die örtliche IG-Metall mit der Standortleitung überhaupt ins Gespräch komme oder ob diese Verhandlungen im Wesentlichen auf Konzerebene ablaufen, sei nicht absehbar.