Mit Freiheitsstrafen zur Bewährung endete am Mittwoch der Hess-Prozess. Vor der Großen Wirschaftsstrafkammer des Landgerichts Mannheim wurde der ehemalige Finanzvorstand der ehemaligen Hess AG, Peter Ziegler, zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und fünf Monaten verurteilt. Christoph Hess, der ehemalige Vorsandsvorsitzende der Hess AG, wurde zu neun Monaten verurteilt. Beide Freiheitsstrafen wurden auf zwei Jahre zur Bewährung ausgesetzt.
Damit ist ein ungewöhnlich langes Verfahren in einem Wirtschaftskrimi zu Ende gegangen, deren erste Ermittlungen nach der fristlosen Entlassungen der beiden Ex-Vorstände im Jahre 2013 angefangen haben. Im Laufe des Verfahrens sind zahlreiche Anklagepunkte vom Gericht aufgrund erheblicher Zweifel an ihrer Stichhaltigkeit eingestellt worden.
Doch dass damit alle wesentlichen Vorwürfe vom Tisch seien, wie dies die Verteidiger der Angeklagten zuletzt immer wieder betont hatten, erwies sich als unzutreffend. Im Rechen der Justiz blieben am Ende genügend Straftatbestände für eine Verurteilung hängen. Ziegler und Hess wurden schuldig befunden der unrichtigen Bilanzdarstellung nach Handelsgesetzbuch und Aktiengesetz, der Verletzung der Buchführungspflicht, des Kapital- und Kreditbetrugs sowie der Untreue.
Beim Thema der „unrichtigen Darstellung“ der Bilanzen wurde den beiden Angeklagten vom Gericht bescheinigt, bei ihren Bemühungen, aus den Entwicklungskosten des Unternehmens Umsätze und Gewinne zu generieren und die Bilanzen für den Börsengang aufzuhübschen, es mit dem Gesetz nicht genau genommen zu haben. Zwar äußerte sich der Vorsitzende Richter Oliver Ratzel überzeugt, dass es im Unternehmen viele Entwicklungskosten tatsächlich gegeben habe. Doch der hemdsärmeligen Umsetzung, die über die Entwicklungsfirma Evros abgewickelt wurde, „fehlten die Grundlagen der ordnungsgemäßen Verbuchung und Bilanzierung“, schrieb der Richter den Angeklagten ins Stammbuch. Es habe nur Rechnungen und Zahlungen im Dreieck mehrerer Hess-Firmen gegeben. Die Übertragung von Rechten und Vermögen sei nirgends dokumentiert worden, grobe Schätzungen von Kosten seien nicht rechtens. Die Staatsanwältin sprach von „Scheingeschäften“. Die Angeklagten, so der Richter, hätten die Problematik gesehen, aber ihre Bedenken wegen des Börsengangs hinten angestellt. Der Richter sprach hier von „bedingtem Vorsatz“.
So wurde im Jahresabschluss 2012 aus einem negativen Jahresergebnis plötzlich ein Gewinn. Dessen nicht genug flossen diese dubios verbuchten Umsätze und Gewinne in Millionenhöhe nicht nur in einen Jahresabschluss sowie in zwei Zwischenberichte der Aktiengesellschaft ein, sie erschienen auch im Börsenprospekt des Unternehmens. Damit seien Anleger getäuscht worden, dies erfülle den Tatbestand des Kapitalbetrugs. Schließlich seien die Zahlen auch drei Banken vorgelegt worden, bei denen die Hess AG im Zuge des Börsengangs 2012 um Millionen-Kredite ersuchte. Auch hier erkannte das Gericht die Angeklagten des Kreditbetrugs für schuldig.
Schlussendlich wurde ihnen vorgeworfen, dass sie mit Unternehmensgeld über die Entwicklungsgesellschaft Evros für über eine Million Euro 60.0000 Aktien der Hess AG kaufen ließen, wohl mit der Absicht, den Kauf der Hess-Aktien mit eigenem Geld zu stimulieren. Da hier ein Verlustrisiko bestanden habe, erfülle dies den Tatbestand der Untreue, so das Gericht.
Dass der damalige Finanzvorstand Ziegler mit 17 Monaten Freiheitsstrafe zur Bewährung härter bestraft wurde als der Vorstandsvorsitzende Christoph Hess begründete das Gericht mit dem Umstand, dass Ziegler die Sache geplant und gesteuert habe, Hess lediglich informiert gewesen sei.
Zugleich erkannte das Gericht eine Fülle mildernder Umstände bei der Strafbemessung. Beide Angeklagten seien zuvor und danach unbescholten gewesen, sie hätten sich nicht persönlich bereichert, sondern hätten unter Druck und zum Wohle des Unternehmens handeln wollen, sie hätten nur mit „bedingtem Vorsatz“ gehandelt und nicht in bewusst betrügerischer Absicht, sie hätten Fehler eingeräumt und ein Teilgeständnis abgelegt, sie hätten unter der langen Verfahrensdauer gelitten und viele persönliche, familiäre, berufliche, gesellschaftliche Belastungen durch das Verfahren hinnehmen müssen.
Peter Zieglers Strafverteidiger Jürgen Fischer nutzte sein Plädoyer auch zu einer Abrechnung mit den aus seiner Sicht wahren Schuldigen: Den „Whistle-Blower“, der viele falsche Anschuldigungen gegen die Angeklagten verbreitet habe, weil er selbst Finanzvorstand bei der Hess AG habe werden wollen. Er attackierte auch den Insolvenzverwalter der Hess AG, Volker Grub, der die Vorwürfe über Jahre hinweg fortgesetzt habe, laut Fischer aus eigennützigen Motiven, um sein Honorar hochzutreiben.
Hartmut Girshausen, der Verteidiger von Christoph Hess, zeichnete von seinem Mandanten das Bild eines Mannes, der durch viele falsche Anschuldigungen über Jahre hinweg nicht nur seine soziale Reputation und sein Vermögen verloren, sondern auch schwere gesundheitliche Schäden davongetragen habe. Dass ganze Desaster habe der sogenannte Whistle-Blower und Fehlenscheidungen des Aufsichtsratsvorsitzendes Tim van Delden vom holländischen Investor HPE verursacht, der von seinem eigenen Versagen mit Vorwürfen an die Angeklagten habe ablenken wollen. Die Insolvenz der Hess AG hätte nie stattfinden müssen. Girshausen äußerte den Verdacht, der holländische Finanzinvestor habe „eine feindliche Überfnahme“ bei Hess geplant.
In seinem Schlusswort sagte Peter Ziegler, es gebe für ihn keine Alternative dazu, dass Verfahren nun mit einer Verständigung zu beenden, „weil ich keine Kraft mehr habe“. Positiv sei für ihn, dass die massiven Betrugsvorwürfe vom Tisch seien. Dass einige Fehler bei den Bilanzierungen gemacht wurden, „ist eine Tatsache“, räumte er ein. Auch Christoph Hess bedankte sich ausdrücklich bei den Richtern für die unvoreingenommene Verhandlungsführung. Ansonsten fiel seine persönliche Bilanz bitter aus. Hess: „Diese acht Jahre waren geprägt durch öffentliche Diffamierungen, permanente Angriffe eines von der Leine gelassenen Insolvenzverwalters, einer aus diesen Kränkungen entstandenen psychischen Krankheit.“ Hinzu kämen tragische Folgen innerhalb der Familie sowie deren immense finanzielle Verluste. Sein Fazit: „Es waren die schlimmsten Jahre meines Lebens.“
Überschrift Info
Haupttext Info
- Aufzaehlung_Info_Symbol
.SK Plus