Es gab Zeiten, da musste sich Wolfgang Disch noch selber Fallstudien für seine Studenten ausdenken. Die Zeiten sind längst vorbei. „Seit zehn Jahren“, sagt Disch, Professor für Banking und Finance an der Dualen Hochschule in Schwenningen, „hab ich da keine Probleme mehr.“ Finanzkrise hier, Immobilienkrise da, Pandemie und Eurokrise. Mittlerweile kommt er kaum noch hinter her, alles abzubilden in den Vorlesungen.
Aktuell das Thema der Stunde: der Boom am Aktienmarkt und die steigende Nachfrage nach sogenannten ETFs (exchange-traded funds). ETFs sind bequem, hatten in den vergangenen Jahren, so sagt es Disch, eine durchschnittliche Rendite von acht bis neun Prozent. Sowie Verluste und Gewinne von 30 Prozent. Ein kleiner Ausflug in die Finanzwelt, der mit den Worten von Wolfgang Disch beginnt: „ETFs sind nicht zum Zocken da.“
Was mache ich überhaupt?
Es ist ein zweischneidiges Schwert. Einerseits glaubt Disch schon auch, dass das Finanzwissen in der Gesellschaft recht gering ist. In Schulen zu wenig vermittelt wird. Auf der anderen Seite sieht er auch die Verantwortung bei jedem selbst. „Man schaut halt lieber Bundesliga, als sich mit Zertifikaten zu beschäftigen.“ Wenn die Leute statt einer Stunde Facebook und Instagram in der Zeit überlegen würden, was sie mit ihrem Sparbuch machen können, wäre schon viel geholfen.
„Es war noch nie so einfach wie heute, sich die notwendigen Informationen zu beschaffen“, sagt Disch. Schon allein bei YouTube gibt es zig tausend Videos, die sich mit Finanzen beschäftigen. „Es war aber auch noch nie so einfach, auf eine falsche Fährte gesetzt zu werden.“ Die richtigen Quellen sind am Ende das A und O. Beispielsweise die Bundesbank, die Verbraucherzentrale, das Statistische Bundesamt oder unabhängige Finanzberatungsformate wie Finanztip.
Wann steigen ich am besten ein?
Wann man einsteigen soll? „So früh wie möglich“, sagt Disch. Sobald man einen verfügbaren finanziellen Rahmen hat, das können schon 50 Euro im Monat sein, kann man in einen Sparplan investieren.
Bleibt die Frage, wann der beste Zeitpunkt dafür ist. Wenn die Kurse niedrig und damit die Aktien günstig sind, würde man vermuten. Disch sieht das anders. „Es ist immer ein guter Zeitpunkt, Aktien zu kaufen.“ Auch wenn der Markt aktuell hoch ist. Erst darauf zu warten, dass die Preise wieder sinken, das ergibt für Disch keinen Sinn.
Recht am Anfang seiner Laufbahn als Analyst bei einer Bank, lag der Dax bei etwa 3000 Punkten. Damals so hoch wie nie. Damals wurde er gefragt, ob er denke, dass der Dax jemals die 5000er-Marke knacken werde. Heute lacht er, wenn er das erzählt. Aktuell steht der Dax bei 15.000. Darum hat er das mit dem guten Zeitpunkt gesagt.

Was muss ich beachten?
Man muss bei einem ETF vor allem eines können: Krisen aussitzen. Disch selber hat auch ein Depot. Als 2000 die New Economy in sich zusammen bricht und die Anschläge vom 11. September kurz darauf die Börse erneut abfallen lassen, hat sich sein Depot fast „pulverisiert“, wie er sagt. 2008 bei der Finanzkrise hat es sich dann halbiert. Jetzt steht der Aktienmarkt so gut da wie noch nie. Man braucht also gute Nerven.
Und ein gutes Portfolio. „Umso breiter, umso besser.“ Wenn man in einen Aktien-ETF investieren will, dann in einen, der möglichst weit gestreut ist. Also viele Märkte abdeckt. Wer gezielt in spezielle Branchen – beispielsweise die Tech-Branche investieren will, kann auch das tun, sagt Disch. „Manchmal kann es gute Gründe geben, nicht zu diversifizieren.“ Man muss sich dann nur über das Risiko im klaren sein.
Wovon der Experte eher abrät
Apropos Risiko. „Immobilienfonds würde ich nicht mehr kaufen“, sagt Disch. Lange Zeit galten die als sichere Anlageform. Inzwischen sind sie zu überhitzt, meint Disch. Außerdem hält er regionale Investments für schwierig. „Davon würde ich sogar abraten.“ Jedenfalls als einziges Investment. Denn dann sei das Risiko einfach nicht breit genug gestreut.
Was sind die Alternativen für ETFs?
Seit einem Jahr sei die Nachfrage nach ETFs kontinuierlich angestiegen, sagt Markus Stiepermann, Bereichsleiter Private Banking und Vermögensmanagement bei der Volksbank. Vor allem bei jüngeren Kunden. „Am beliebtesten sind die breit aufgestellten ETFs auf DAX, S&P 500 und so weiter.“ Insgesamt beschreibt der Banker den Trend so: „Viel stärker als in ETFs und Einzelaktien investieren sowohl erfahrene wie auch jüngere Börsianer allerdings in aktiv gemanagte Investmentfonds oder Finanzportfolioverwaltungen.“ Das Geschäft der Banken eben.
Aktiv gemanagte Fonds – sozusagen die Gegenspieler der ETFs, wie Wolfgang Disch es nennt. „Es ist eine Wette“, sagt Disch. Die gemanagten Fonds verursachen höhere Kosten, versprechen auf der anderen Seite aber eine höhere Rendite. „Man schätzt etwa 25 bis 30 Prozent der Fonds schaffen das“, sagt Disch. Darum funktioniert auch der Boom für die ETFs so gut. Weil die höheren Renditeversprechen der aktiv gemanagten Fonds eben nicht immer aufgehen.
Dennoch will Disch die Bank nicht ganz herausnehmen. Denn auch wenn man vieles inzwischen selber machen kann – mit dem Neo-Broker am Smartphone beispielsweise. Eine Beratung bei der Bank kann immer auch sinnvoll sein, sagt Disch. Denn am Ende ist es fast egal wie; Hauptsache man beschäftigt sich überhaupt mit seinen Finanzen.