Platzwahl beim FC Erzingen Video: Scheibengruber, Matthias

Fußball-Bezirksliga: – Ein halbes Jahrhundert liegt der letzte Sieg des SV Blau-Weiß Murg beim FC Erzingen zurück. Im Februar 1973 ist das gewesen, das Ergebnis ist nicht mehr überliefert. Und nun, rund 50 Jahre später, waren die Mannen des Trainerduos Giuseppe Stabile und Alija Kapidzija drauf und dran, dem langen Warten auf einen erneuten Sieg ein Ende zu setzen. Kapidzija hatte seine Elf sogar in Führung gebracht und die Weichen in die richtige gestellt.

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Doch am Ende strahlten nicht die Trainer des Gastes, sondern einer, der seit drei Wochen darauf wartete, endlich einmal als Sieger vom Platz zu gehen. In Herten beim 0:2 hat es nicht geklappt, vor zwei Wochen beim legendären 5:7 gegen den SV Jestetten auch nicht und zuletzt beim 0:2 in Binzen stand Michael Jauch erneut mit leeren Händen da: „Es ist kein Stein, es ist ein ganzer Felsen, der mir vom Herzen gerutscht ist“, strahlte der 39-Jährige nach dem 3:2-Heimsieg des FC Erzingen übers ganze Gesicht.

Fußball-Bezirksliga in Zahlen

Und das zurecht – oder doch nicht? Das Spiel bot den Zuschauern mehrere Aspekte, so dass am Ende beide Seiten der Überzeugung waren, dass sie die Punkte verdient hatten.

Vor allem die Murger, bei denen es so langsam einreißt, dass sie scheinbar klare Führungssituationen durch individuelle Böcke – vor allem von Spielern, denen das Etikett „Routinier“ anhaftet – verdaddeln. Der erste Lapsus unterlief Francesco Seidita. In der 18. Minute kreuzte er reichlich ungeschickt den Weg des offensiv aufgestellten Erzinger Kapitäns Felix Uhl. Dummerweise war Seidita letzter Mann auf der Murger Seite. Schiedsrichter Zan Gavranovic (Lörrach) blieb fast keine andere Wahl, als „Rot“ zu ziehen – so sehr es ihm auch leid zu tun schien.

Alija Kapidzija trifft zum 0:1 Video: Scheibengruber, Matthias

Untröstlich trollte sich Seidita in die Kabine. Er schien zu ahnen, dass das kein gutes Ende nehmen würde – obwohl seine Elf zu diesem Zeitpunkt schon mit 1:0 führte. Reichlich einfach hatte sich die Erzinger Abwehr auf der linken Seite von Gölkalp Uyar aushebeln lassen. Den Querpass musste der mitgelaufene Alija Kapidzija nur noch an Mirco Nannavecchia vorbei ins Netz schieben.

Francesco Lo Presti erhöht auf 0:2 Video: Scheibengruber, Matthias

In Unterzahl wurden die Murger aber nicht schlechter, drehten weiter am Tempo und kamen prompt zum zweiten Treffer. Francesco Lo Presti schnappte sich einen weiten Pass, zündete den Turbo, während die Erzinger Defensive nicht übers Standgas hinaus kam. Lo Presti ließ dem allein gelassenen Nannavecchia keine Chance – 0:2. Wenig später „muss“ es dann 0:3 stehen, doch Lo Presti schob einen Kapidzija-Pass (38.) am leeren Tor vorbei: „Ist der drin , ist es gelaufen“, gab Michael Jauch zu bedenken.

Da war die Welt noch in Ordnung: Francesco Lo Presti (vorn) hatte das 2:0 für den SV BW Murg erzielt, Alija Kapidzija (rechts) und ...
Da war die Welt noch in Ordnung: Francesco Lo Presti (vorn) hatte das 2:0 für den SV BW Murg erzielt, Alija Kapidzija (rechts) und Gökalp Uyar gratulierten. Doch der Aufsteiger freute sich einmal mehr zu früh und unterlag dem FC Erzingen am Ende noch mit 2:3. | Bild: Scheibengruber, Matthias

Was – nüchtern betrachtet – bis dahin nach einer klaren Sache aussieht, verdient aber einer genaueren Betrachtung. Schließlich hatte der FC Erzingen die erste hochkarätige Chance durch Sandro D‘Accurso. Der war gefoult worden und schlenzte den fälligen Freistoß (12.) ins kurze Eck – und hatte Pech. Vom Innenpfosten sprang der Ball zurück ins Feld.

Sandro D'Accurso trifft den Innenpfosten Video: Scheibengruber, Matthias

Kaum weniger knapp war der Distanzschuss (39.) von Felix Uhl, der das Lattenkreuz scheppern ließ.

Felix Uhl trifft das Lattenkreuz Video: Scheibengruber, Matthias

So war letztlich niemand überrascht, dass Dario Pontrandolfo noch vor dem Seitenwechsel – auf Flanke von Abdul Ehad Demridal – auf 1:2 verkürzte.

Gelb-Rot für Taha Al-Hasani Video: Scheibengruber, Matthias

Ein Tor das Mut machen sollte. Der wurde aber schon eine Minute später wieder gedämpft. Tahir Al-Hasani war schon verwarnt, stoppte Lo Presti etwa 30 Meter vor dem Tor eher unsanft – Gelb-Rot. Der numerische Gleichstand auf dem Platz war wieder hergestellt. Kurz danach verpasste Manuele Laisa das mögliche 3:1 für die Gäste. Die zweite Hälfte versprach, spannend zu werden.

Manuele Laisa hat das 0:3 auf dem Fuß Video: Scheibengruber, Matthias

Dass der FC Erzingen nun kommen musste, lag nicht nur an der lautstarken Ansprache von Michael Jauch: „Ich kann nicht verstehen, dass wir immer die gleichen Gegentore kassieren.“ Beim FC Erzingen machte sich endlich die Überzeugung breit, dass man sich ausgerechnet im Kellerduell nicht die vierte Niederlage in Folge leisten konnte. Der Rückstand zum sicheren Platz zwölf betrug ohnehin schon vier Punkte.

Felix Uhl im Interview Video: Scheibengruber, Matthias

Also wurde jetzt auch beim Gastgeber ein Gang hoch geschaltet, der Druck nahm zu. Chancen gab es diverse – allerdings ohne den Murger Vorsprung ernsthaft zu gefährden.

Blankes Entsetzen: Schiedsrichter Zan Gavranovic deutet an, dass der Murger Schlussmann den Ball zu lang in der Hand gehalten hat. ...
Blankes Entsetzen: Schiedsrichter Zan Gavranovic deutet an, dass der Murger Schlussmann den Ball zu lang in der Hand gehalten hat. Alessio Paciulli (links) und Manuele Laisa ahnen offensichtlich schon das Unheil, das in Form des Ausgleichs auf die Gäste zukommt. | Bild: Scheibengruber, Matthias

Also brauchte es beim Gast einmal mehr einen individuellen Patzer, damit die Felle davon schwimmen. Torwart Elvis Gojak hielt den Ball. Er hielt ihn auch noch nach der Ermahnung von Gavranovic, nun doch endlich zu spielen. Als der Murger Schlussmann weitere Sekunden verstreichen ließ, kam erst der Pfiff, dann „Gelb“ und schließlich ein indirekter Freistoß – gut 14 Meter vom Tor entfernt.

Konsterniert: „War es wirklich so lang?“, fragte sich der enttäuschte Elvis Gojak. Der Torhüter des SV Blau-Weiß Murg hatte ...
Konsterniert: „War es wirklich so lang?“, fragte sich der enttäuschte Elvis Gojak. Der Torhüter des SV Blau-Weiß Murg hatte aus Sicht des Unparteiischen den Ball zu lang in der Hand gehalten. Nach der Ermahnung gab es erst „Gelb“ und dann den indirekten Freistoß, der dem FC Erzingen das 2:2 ermöglichte. | Bild: Scheibengruber, Matthias

Indirekter Freistoß dauert fast eine Minute

Sieben Spieler bildeten die „Mauer“, Leon Villinger legte sich hinter die Barriere, um einen Flachschuss mit dem Rücken abzuwehren und Alija Kapidzija positionierte sich seitlich, um den Raum zu blockieren. Alle Murger waren im Einsatz und Elvis Gojak, der immer noch mit der „Sechs-Sekunden-Regel“ haderte, versuchte, den ruhenden Ball ins Visier zu nehmen. Die Ausführung verzögerte sich weiter, weil nun Burhan Bublica und Pascal Meier als Vorposten die Mauer zu irritieren versuchten.

Sandro D'Accurso gleicht zum 2:2 aus Video: Scheibengruber, Matthias

Nach ewigen 54 Sekunden des Schiebens, Zerrens, Drückens und Stoßens gab Gavranovic den Ball frei. Felix Uhl tickte ihn an, Tommaso Gentile stoppte ihn und Sandro D‘Accurso feuerte die Kugel zwischen den hüpfenden Leibern hindurch – unhaltbar für Gojak – ins Netz.

Felix Uhl trifft per Kopf die Latte Video: Scheibengruber, Matthias

Die Murger Moral war gebrochen, jetzt war der Siegtreffer für den FC Erzingen nur noch eine Frage der Zeit. Nur zwei Minuten nach dem Ausgleich schlenzte D‘Accurso einen Freistoß von der Torauslinie in den Lauf von Felix Uhl. Dessen Flugkopfball wäre nicht zu halten gewesen, doch fürs 3:2 war die Latte im Weg.

Felix Uhl macht den 3:2-SIeg klar Video: Scheibengruber, Matthias

Weitere 120 Sekunden war es dann passiert. Mit kurzen Schritten und einer erstaunlichen Leichtigkeit tanzte der 28-Jährige auf engstem Raum gleich vier Abwehrspieler aus, um dann den Ball frech an Gojak vorbei ins Netz zu lupfen.

Schwere Zeiten für beide Teams

Die Schlussviertelstunde und die sechs Minuten Extrazeit brachten keine weiteren Höhepunkte mehr. Beim SV Blau-Weiß Murg hatte sich mit dem dritten Gegentor die Gewissheit verbreitet, dass es auch nach 50 Jahren mit dem Sieg im Klettgau nichts wird. Und ob es in der kommenden Saison klappt, wird auch immer fraglicher. So gefällig die Elf phasenweise auftritt und guten Fußball zelebriert, so düster sieht die Bilanz nach 13 Spielen mit nur sechs Punkten aus.

Alessio Paciulli im Interview Video: Scheibengruber, Matthias

Für Giuseppe Stabile gab es nach der neunten Niederlage einen klaren Grund: „Bis zur Gelb-Roten Karte für die Erzinger haben wir trotz Unterzahl unsere Aufgaben erfüllt, agierten mannschaftlich geschlossen und spielten wie eine Top-Elf.“ Danach sei diese Disziplin verloren gegangen: „Plötzlich war die Angst vor dem Ball wieder da, auch die individuellen Fehler.“ Vielleicht, so Stabile, sei das der Tabellensituation geschuldet: „Es fehlt das Selbstvertrauen. Und wenn wir es uns scheinbar geholt haben“, blickte er auf die 2:0-Führung: „Verspielen wir es wieder.“

FC Erzingen mit einigen Chancen Video: Scheibengruber, Matthias

Beim FC Erzingen, der Benjamin Ciglar (verletzt) und Davide Di Lionardo (Urlaub) ersetzen musste, steht nunmehr pro Spiel ein Punkt auf dem Konto, aber immer noch ein Platz unter dem Strich. Zwei Auswärtsspiele – in Laufenburg und Efringen-Kirchen – stehen noch an: „Wir wollen nachlegen“, gibt Michael Jauch die Losung aus und stellte zufrieden fest, dass der konditionelle Level langsam aber sicher steigt.

Mit drei Absteigern muss im Juni gerechnet werden. Um dann nicht zu diesem Trio zu zählen, braucht es noch mehr als nur 30 überzeugende Minuten nach der Pause. Die mit 50 Treffern schlechteste Abwehr der Liga muss sich schleunigst stabilisieren, sonst droht der Durchmarsch aus der Landes- in die Kreisliga A.

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