Fußball Mutter Waltraud winkt erstmal ab: „Der Andi ist nicht zu bremsen. Und keiner weiß, von wem er das hat“, lacht sie dann aber schallend und nickt ihrem Sohn anerkennend zu. Andreas Berger grinst nur, denn er wird schon wieder hibbelig: „Im Moment ist es noch zu heiß, aber heute Abend drehe ich noch eine Runde“, zeigt der 38-Jährige auf seine schwarze Maschine: „Carbon! 6,9 Kilo leicht – das macht Spaß.“

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Eigentlich hatten wir uns mit Andreas Berger getroffen, um über seine Erfolge als Fußballer zu sprechen. Nein, nicht über jene mit dem SV Waldhaus. Und das waren nicht wenige: „Meister wurde ich mit der Jugend mehrfach. Auch mit den Aktiven“, erzählt Berger, der als Torhüter bei den Aktiven stets zur Aushilfe parat und regelmäßig im Training dabei ist, stolz: „Beim Aufstieg in die Bezirksliga, als wir 1:0 auf dem Dachsberg gewonnen haben, war ich auch dabei.“

„Jetzt wollen wir Rekordmeister werden“

Aber was sind diese Erfolge gegen die fünf Deutschen Meisterschaften? Die hat Andreas Berger – den alle Welt nur „Andi“ ruft – mit der GSG Stuttgart eingefahren. Erst vor wenigen Tagen gewann er mit seinen Jungs in Karlsruhe das Finale mit 1:0 gegen das Team aus Düsseldorf – und Andi stand dabei im Tor: „Es war der neunte Titel für unseren Club“, zeigt er auf die große 9 auf seinem T-Shirt: „Nächstes Jahr wollen wir den zehnten Titel holen. Dann sind wir deutscher Rekordmeister.“

Andreas Berger vom SV Waldhaus: „Für 2026 habe ich mir den zehnten Deutschen Meistertitel vorgenommen. Dann wäre ich mit der GSG ...
Andreas Berger vom SV Waldhaus: „Für 2026 habe ich mir den zehnten Deutschen Meistertitel vorgenommen. Dann wäre ich mit der GSG Stuttgart der Deutsche Rekordmeister im Gehörlosen-Fußball.“ | Bild: Scheibengruber, Matthias

Aktuell liegen die Gehörlosenfußballer aus Schwaben gleichauf mit dem badischen Konkurrenten aus Karlsruhe: „Die haben uns letztes Jahr im Halbfinale mit 1:0 gestoppt. Aber da stand ein anderer im Tor“, grinst Berger, der 2025 sogar zweifacher Deutscher Meister ist: „Im Winter haben wir den Titel im Futsal geholt“, verrät er fast nebenbei.

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Einer der erfolgreichsten Kicker

Andreas Berger aus Remetschwiel zählt zu den erfolgreichsten Fußballern Deutschlands. Unzählige Titel hat er mit dem Gehörlosen-Team gewonnen. Er stand jahrelang im Tor der Nationalmannschaft, spielte als Jugendlicher bei Europa- und Weltmeisterschaften mit – auch bei Olympia der Gehörlosen war er dabei. Stolz präsentiert er seine Medaillen und Pokale, die Zeugen seiner Erfolge sind. Die Nationalmannschaft hat er vor 16 Jahren aufgegeben: „Der Aufwand und der Konkurrenzkampf wurden mir zu groß“, erzählt Berger.

Zweifacher Deutscher Meister: Mit der Gehörlosen-Sportgemeinschaft Stuttgart holte Andreas Berger vom SV Waldhaus den Titel im Futsal ...
Zweifacher Deutscher Meister: Mit der Gehörlosen-Sportgemeinschaft Stuttgart holte Andreas Berger vom SV Waldhaus den Titel im Futsal und im Fußball. | Bild: Scheibengruber, Matthias

Schließlich gab es für den jungen Fußballer irgendwann nicht nur den Sport. Er machte seine Berufsausbildung bei einem Holzfach-Handwerksbetrieb in Witznau, der ihn auch übernommen hat. Am Computer ist er im Zweischichtbetrieb gefordert, stellt sicher, dass der Zuschnitt für die Kunden auf den Millimeter genau stimmt.

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Doch wer Andreas Berger kennt, weiß, dass langes Sitzen nichts für das Energiebündel ist. Schon als kleiner Junge ließ er sich nicht bremsen, tollte mit den Nachbarsbuben auf den Wiesen herum, flog den Bällen hinterher.

Implantat ermöglicht das Hören

Dass er fast taub auf die Welt gekommen ist, fiel schon bald nicht mehr auf. Sein jüngerer Bruder Christian lebt mit dem gleichen Handicap. Doch die Eltern haben ihren Jungs ein normales Leben ermöglicht. „Beide Buben bekamen ein Implantat, so dass sie nahezu normal hören“, erzählt Waltraud Berger. Nächster Schritt war der Besuch der Gehörlosenschule in Stegen bei Kirchzarten, um dort das Sprechen zu erlernen.

Das Implantat und die Technik im Ohr sind der Grund, weshalb Andi Berger nur mit Baseball-Cap im Tor steht: „Das hält das Hörgerät im Ohr“, erklärt er: „Ich sage das dem Schiedsrichter vor dem Spiel – Probleme gab es nie.“ Die Kommunikation auf dem Platz ist und war für Andi Berger und die Fußballer des SV Waldhaus nie ein Hindernis.

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„Wenn ich etwas will, dann kennen sie meine Handzeichen. Wollen sie mir etwas sagen, wissen sie genau, wie sie mich ansprechen und anschauen müssen, damit ich sie verstehe“, betont Andreas Berger, wie wichtig der Blickkontakt ist. Er muss sich schließlich beim Hören konzentrieren und liest auch von den Lippen ab: „Das Hörgerät filtert – im Gegensatz zum gesunden Ohr – keine Nebengeräusche heraus.“

Anton Bächle hat ihn „entdeckt“

Sein permanenter Bewegungsdrang blieb dem SV Waldhaus nicht verborgen: „Anton Bächle hat ihn damals beim Bolzen gesehen und zum Verein geholt“, betont Waltraud Bächle, wie wichtig das Vereinsleben für ihre Jungs war: „Seither ist er jede freie Minute auf dem Sportplatz – und wir als Eltern sind auch oft dabei, wenn er spielt.“

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Nur kritisieren darf sie ihn nicht: „Sage ich mal, dass er den einen oder anderen Ball hätte halten können, verschwindet er erstmal in seine Wohnung“, zeigt sie nach oben. Andreas Berger führt dort den Haushalt. Für sich und seine 15-jährige Tochter Vanessa, auf die er mächtig stolz ist. Der Teenager hat das Gehör-Handicap nicht ererbt – im Gegenteil. Sie zählt beim Musikverein Bannholz-Remetschwiel zum Saxofon-Register und hat sich schulisch ebenfalls völlig der Musik verschrieben: „Fußball hat mich nie gereizt“, lacht sie.

Kilometer-König beim Stadtradeln

Im Remetschwiel wird es Abend. Andreas Berger fährt noch eine Runde auf dem Rennrad. Nicht zuviel, denn schon am nächsten Tag geht‘s an den Zürichsee. Berger steuert weitere 150 Kilometer für die Gemeinde Weilheim zum Stadtradeln bei. Hier hat Berger, die „Maschine“, schließlich den Titel „Kilometer-König“ zu verteidigen. In Summe waren die 149 Weilheimer vor einem Jahr genau 31.258 Kilometer geradelt. Und Andi Berger steuerte allein stolze 1400 Kilometer binnen drei Wochen bei.

Immer voller Einsatz: Andreas Berger ist fest mit dem SV Waldhaus verwurzelt
Immer voller Einsatz: Andreas Berger ist fest mit dem SV Waldhaus verwurzelt | Bild: Scheibengruber, Matthias

Trainiert er nicht auf seiner schwarzen Maschine, dann auf dem Mountainbike. Schließlicht will er 2026 beim Waldhaus-Bikemarathon – den musste er dieses Jahr wegen des Endspiels sausen lassen – wieder am Start stehen: „Und vorher geht‘s zum Schluchseelauf“, lacht er laut, denn auch zu Fuß ist er sportlich unterwegs. Und Mama Waltraud winkt schon wieder ab: „Wenn man nur wüsste, von wem er das hat...“