Herr Özdemir, Sie wurden vergangenen Freitag als Trainer des Türk. SV Singen vorgestellt. Wie war Ihre erste Woche?

Engin Özdemir: Ich habe viele Spieler, viele neue Leute kennengelernt. Es war schon sehr intensiv und anstrengend. Ich musste in den ersten Tagen öfters nach Frankfurt pendeln wegen meiner Familie. Da meine Frau und mein jüngster Sohn jetzt gerade in der Türkei sind, habe ich nun viel mehr Zeit für meine Arbeit hier.

Wie waren die ersten Trainings?

Engin Özdemir: Die Spieler und ich, wir haben uns mit jeder Einheit besser kennengelernt. Wir haben viel geredet und diskutiert darüber, was man alles besser machen kann. Ich denke, das wird von Tag zu Tag noch besser.

Wie würden Sie Ihren neuen Verein beschreiben?

Engin Özdemir: Ich bin sehr positiv beeindruckt vom Verein, der in wirklich kurzer Zeit sehr viel aufgebaut hat. Der TSV Singen ist ein gut geführter Club mit vielen sehr netten Leuten, die viel Gutes machen. Ich möchte den Leuten dabei helfen, dass wir hier eine gute Struktur reinbekommen und die Oberliga keine Eintagsfliege ist, sondern dass der Verein lange Jahre auf diesem Niveau bestehen kann.

Was macht Ihre neue Mannschaft aus?

Engin Özdemir: Für viele Spieler ist die Oberliga Neuland. Wir haben viele junge Spieler, und der eine oder andere ist vielleicht auch ein bisschen überfordert. Diese Jungs müssen jetzt an das neue Level herangeführt werden. Wir haben aber auch Spieler, die schon jahrelang auf Oberliganiveau spielen. Die Entwicklung der Mannschaft ist sehr gut. Ich sehe, dass im Training viel Tempo ist, dass mehr Zug dahinter ist, dass die Jungs auch Spaß haben. Und ich bekomme gutes Feedback für mein Training, was mich natürlich motiviert. Das sind alles gute Jungs, und ich bin davon überzeugt, dass wir mit der Zeit eine echte Einheit werden. Wenn erst einmal Zählbares da ist, dann entsteht eine Euphorie, dann wollen die Jungs mehr.

Sie haben am Sonntag beim 0:1 gegen den SV Oberachern im Schnelldurchlauf erlebt, wie die ersten drei Spiele nach dem Aufstieg in die Oberliga verlaufen sind. Ihr Team hat gut mitgehalten und dann durch einen individuellen Fehler das Spiel aus der Hand gegeben. Wie wollen Sie den Klassenhalt schaffen?

Engin Özdemir: Ja, das war eine sehr bittere Niederlage. Ich habe auch das erste Spiel gegen Pforzheim gesehen. Ich war zufällig in Singen, weil ich mir gerne türkische Mannschaften angucke. Da haben wir auch eine unglückliche Gelb-Rote Karte bekommen und waren lange in Unterzahl. Dann sinkt die Moral, du musst mehr laufen, und wenn du dann noch ein Tor kriegst, ist es vorbei. Wir haben eine gute Mannschaft, die kämpft und ackert und alles gibt. Wir müssen immer über den Kampf in unser Spiel finden und viel arbeiten. Die Oberliga ist zwischen dem Profi- und dem Amateurbereich, da muss schon Feuer drin sein.

Sie haben gesagt, die Mannschaft sei, was die Fitness anbelangt, bei etwa 60 Prozent. Wie wollen Sie die Spieler schnellstmöglich fit bekommen?

Engin Özdemir: Wir trainieren jetzt viermal pro Woche. Dreimal Training ist für die Oberliga viel zu wenig. Eigentlich müssten wir fünfmal trainieren, weil du in dieser Liga hundertprozentig körperlich fit sein musst. Wir können nach der kurzen Vorbereitung mit den Aufstiegsspielen nur Erfolg haben, wenn wir besser trainieren und mehr trainieren. Die Jungs haben jetzt schon ein bisschen was draufgelegt, und das werden wir am Wochenende in Backnang auch sehen.

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Zuletzt kamen Albert Malaj und Oumar Coulibaly vom ESV Südstern. Wo sehen Sie noch Baustellen im Kader?

Engin Özdemir: Die beiden sind echte Verstärkungen. Wir versuchen jetzt noch, den einen oder anderen Spieler zu holen – für den Defensivbereich und fürs Mittelfeld. Wir brauchen noch ein paar gute, erfahrene Leute, gestandene Spieler. Vorne drin haben wir schon gute Jungs, wir müssen erstmal hinten zu null spielen.

Warum haben Sie nach vielen Jahren im Profibereich gerade den Türk. SV Singen übernommen?

Engin Özdemir: Das war eigentlich ganz zufällig. Muhammed Coban, ein guter Freund, der auch Berater ist, hat mich angerufen und gemeint, dass der TSV Singen einen Trainer sucht. Es war schon immer mein Ziel, in einen solchen Verein eine gute Struktur reinzubringen und junge Spieler aufzubauen. Es gibt im Bundesliga-Nachwuchs sehr viele türkische Spieler, die es bis in die U19 schaffen und dann keine Chance bekommen, Profi zu werden. Diese Spieler möchte ich zu uns holen, sie hier ein oder zwei Jahre gut vorbereiten und auf ein bestimmtes Level bringen. Die Jungs entwickeln sich hier und dann kann man die Spieler weiter vermitteln, sodass der Verein Geld verdient.

Wie sehen Sie sich selbst? Als Hesse aus Hanau oder als in Deutschland aufgewachsener Türke? Oder beides?

Engin Özdemir: Ich bin mehr Hesse, also Deutsch. Regeln, Disziplin und harte Arbeit sind für mich wichtig. Wenn ich einen Termin habe, dann bin ich eine halbe Stunde vorher da. Von der türkischen Seite habe ich das Familiäre übernommen. Das ist schon eine gute Mischung.

Wie sieht Ihr Alltag in Singen aus?

Engin Özdemir: Ich habe vorübergehend eine Einzimmerwohnung, aber meine Familie lebt weiter in Raunheim in der Nähe von Frankfurt. Mein jüngster Sohn ist sechs und geht dort zur Schule. Wenn der Verein und ich hier gut zusammenarbeiten und langfristig planen, würde ich meine Familie gerne hierher holen.