Fußball, Bezirksliga: Der FC Anadolu Radolfzell ist im stadtinternen Vereinsranking momentan die Nummer zwei hinter dem großen Nachbarn 03 FC Radolfzell. Beim letztlich ungefährdeten 5:3-Derbysieg über den Rivalen BSV Nordstern Radolfzell machte die Mannschaft von Trainer Bülent Babür diesen Anspruch unmissverständlich klar. „Ich hatte nur aus Erzählungen gehört, dass zwischen den Mannschaften eine gewisse Spannung herrscht“, berichtet Babür. „Ich habe dann aber schnell gemerkt, dass in der Stadt viele der Partie entgegengefiebert haben – deshalb fühlt sich so ein Sieg für die ganze Mannschaft richtig gut an.“
Für Babür stand das Nachbarschaftsduell allerdings auch aus einem anderen Grund unter ganz besonderen Vorzeichen. „Der Nordstern-Trainer Toni Fiore ist ein alter Freund von mir“, sagt er. „Vor keinem anderen Spiel war ich derart angespannt und danach dementsprechend erleichtert.“ Nun steht der FC Anadolu auf einem soliden neunten Platz und scheint endgültig in der Bezirksliga angekommen zu sein. Dabei sah es zu Saisonbeginn lange Zeit danach aus, als würde sich Babürs Engagement bei dem noch jungen Verein als krachendes Missverständnis erweisen. „Ich war emotional durch die vielen hohen Niederlagen natürlich sehr mitgenommen“, gesteht der Trainer ein. „Mit so einer Situation hatte ich in meinen 15 Jahren als Trainer noch nie umgehen müssen.“ Doch Mannschaft und Trainer rauften sich zusammen und scheinen an einem gegenseitigen Gewöhnungsprozess gereift zu sein. „Ich habe viel mit den Spielern gesprochen, um ihre Sichtweisen zu verstehen und mich darauf einstellen zu können, aber auch um Überzeugungsarbeit für meine taktischen Vorstellungen leisten zu können“, erzählt Babür.
Der Erfolg dieser Basisarbeit ist nun auch in den Spielen zu sehen. „Wir haben gegen Nordstern Radolfzell, die mit einer Doppel-Sechs spielten, konstant einen Außenverteidiger einkippen lassen, um in der Zentrale Überzahl zu schaffen – damit kam der Gegner überhaupt nicht zurecht“, freut sich der Anadolu-Coach. Vier Tore innerhalb der ersten 20 Minuten künden von der Wirksamkeit des taktischen Kniffes.
Trotzdem sieht Babür noch viel Arbeit vor sich. „Wir haben einen sehr kleinen Kader und katastrophale Trainingsbedingungen“, meint er. „Es ist sehr schwierig, weil unser Verein nicht über gewachsene Strukturen verfügt. Wir haben weder einen eigenen Platz, noch eine Kabine, sondern müssen uns auf der Tribüne umziehen.“
Mit der Einstellung seiner Mannschaft, mit der er zu Saisonbeginn noch zuweilen haderte, ist Bülent Babür inzwischen hochzufrieden. „Ich merke, dass die Spieler sich hinterfragt und die richtigen Schlüsse gezogen haben“, sagt er. „Wir benehmen uns inzwischen auch viel besser gegenüber den Schiedsrichtern. Das macht mich glücklich, weil es der einzige Weg ist, um die Ressentiments gegenüber Sportvereinen mit hohem Migrantenanteil loszuwerden.“