Meist sind es ja die Schützen, die im Mittelpunkt stehen, denen die Schlagzeilen gelten. Bei der SG Liggeringen-Güttingen hatten sich beim 9:1-Sieg gegen den TV Konstanz gleich vier Spieler in die Torschützenliste eingetragen, allein Daniel Fiore Tapia konnte drei Treffer für sich verbuchen. Die Videos von allen Toren gibt es übrigens am Ende dieser Geschichte. Und doch war der Mann des Spiels ein anderer, ein Kerl mit einer Vorliebe für große Tattoos. Einer, der lieber passt als schießt, der an diesem Tag sechs der neun Treffer vorbereitet hatte.
Als Alexander Stocker am Samstag über sein Spiel mit dem halben Dutzend Assists spricht, haben im Hintergrund die Feierlichkeiten bereits begonnen. Das Einstandsfest der Neuzugänge ist legendär bei der Spielgemeinschaft, nach neun Treffern dürfte es wahrscheinlich noch etwas wilder ausgefallen sein als üblich. Stocker war vor zwei Jahren selbst einer der Gastgeber, wenngleich der Begriff Neuzugang damals kaum passen wollte.
Abstecher zum American Football
„Ich habe hier angefangen Fußball zu spielen, damals war ich fünf Jahre alt“, erzählt der heute 28-Jährige. Der talentierte Junge fiel schnell anderen Clubs auf, in der Jugend folgte erst der Wechsel zum SV Markelfingen, dann zum FC Radolfzell. Die Fußball-Karriere schien nach den Jugendjahren allerdings schon beendet, Stocker wechselte die Sportart, versuchte sich in Konstanz im American Football.

Aber irgendwie lässt einen die Fußball-Leidenschaft halt nie so ganz los. Bei Stocker reifte die Entscheidung zum Comeback, als er ein Spiel des FC Bayern in München ansah. Beim FC Anadolu Radolfzell trifft er auf alte Schulfreunde und zeigt in der Bezirksliga schnell, dass er nichts verlernt hat. Was ihn auszeichnet? „Schnelligkeit, Ruhe am Ball, Schusskraft“, lautet die Antwort.
Anadolu gewinnt den Bezirkspokal, auf die sportlichen Erfolge folgt allerdings der Absturz. Der Club zieht seine Mannschaft nach einer Saison mit vielen Querelen zurück. „Mich zog es zurück nach Hause“, erklärt der 28-Jährige, warum er danach zur SG Liggeringen-Güttingen zurückkehrte.
Kreisliga A statt Bezirksliga? Ein Rückschritt? Eher eine Zwischenstation. Die Spielgemeinschaft war bereits in den vergangenen Jahren stets auf den vorderen Plätzen zu finden, doch seit einigen Monaten hat sich die Zuversicht noch einmal gesteigert. Mit Toni Fiore Tapia kam ein neuer Trainer, der zuvor mit dem FC Öhningen-Gaienhofen unter anderem den Titel in der Bezirksliga gewonnen hatte. Mit ihm kamen einige neue Spieler, unter anderem sein Bruder Daniel Fiore Tapia. Leistungsträger wie Kapitän Silvio Lorenzi sind geblieben. Und Alexander Stocker zeigt in jedem Spiel und Training, wohin der gemeinsame Weg führen soll. „Er ist der Junge mit der größten Trainingsbeteiligung“, sagt Fiore Tapia über den Linksaußen mit dem Auge für die Mitspieler. Und weiter: „Wie er sich in den Dienst der Mannschaft stellt, das macht ihn für uns unentbehrlich. Ein super Junge, ein super Fußballer.“
Die Bedeutung seiner Tattoos
Und ein ziemlich bunter. Den größten Teil seines Oberkörpers bedecken Tattoos. Stocker beginnt am linken Arm: „Die Rose steht für die Entstehung des Lebens, der Tiger darüber präsentiert Stärke, der Totenkopf mit der ablaufenden Uhr verweist auf die Endlichkeit des Lebens.“ Die Innenseite zeigt eine Hand mit Rosen, doch die „Bedeutung verrate ich nicht“. Der Wolf und der kleine Junge auf dem rechten Arm sind dagegen kein Geheimnis: „Immer stark sein, egal welche Gefahr vor Dir steht“, erklärt der Linksaußen. Die Außenseite zeigt schließlich eine Eule, die für ihn Weisheit und Stärke bedeute. Am Hals steht unter anderem auf Englisch „Ehre das Leben“ und den Rücken ziert eine Justitia mit Engelsflügeln.

Stärke, Mut und Kraft brauchten die SG-Kicker übrigens bereits in der Vorbereitung, denn die soll so intensiv wie selten zuvor gewesen sein und noch nicht einmal Pferdelungen gefallen haben. Der Saisonstart ging mit einer Niederlage beim FC Böhringen dennoch nach hinten los. „Ein Ausrutscher“, sagt Stocker, und außerdem sei ein holpriger Auftakt besser als ein holpriges Ende. Seither gab es nur noch Siege. Aber es seien ohnehin nicht die sportlichen Aussichten, die den Club ausmachen, sondern das familiäre Miteinander. „Hier sind bei jedem Spiel Väter, Mütter, Tanten, Cousinen. Brüder – wir sind eine echte Einheit.“ Eine Einheit, die Stocker auf und neben dem Platz unterstützt. Er arbeitet in der Trockeneis-Firma seines Vaters in Steißlingen, die Kühlmittel für Lebensmittelmärkte herstellt – und die die Trikots, Trainingsanzüge und weitere Ausrüstung der SG Liggeringen-Güttingen sponsert.
Der Mann des Spiels
Eine Sonderrolle in der Mannschaft hat er deswegen nicht. „Hier spielt jeder für jeden. Wir haben 20 Mann im Training. Wer nicht spielt, der hilft bei der Zweiten aus“, berichtet Stocker. Und wie kommt man nun zu sechs Assists in einem Spiel? „Heute hat es einfach Spaß gemacht. Es lief einfach super für uns.“ Und weil der Gegner nach einer Ampelkarte ab der 20. Minute in Unterzahl spielen musste, gab es auch ausreichend Räume für einen Spieler mit Stockers Qualitäten, der so auch ohne Torerfolg zum Mann des Spiels wurde.
Tore: 1:0 (7.) Eigentor, 1:1 (8.) Simon Winkler, 2:1 (11.) Silvio Lorenzi, 3:1 (14.) Silvio Lorenzi, 4:1 (18.) Adrian-Roberto Ghisa, 5:1 (27.) Eigentor, 6:1 (37.) Daniel Fiore Tapia, 7:1 (48.) Nils Näcke, 8:1 (50.) Daniel Fiore Tapia, 9:1 (50.) Daniel Fiore Tapia. – SR: Raphael Kükler. – Z: 200.